Bei Kooperationen von Corporates mit Start-ups prallen unterschiedliche Kulturen aufeinander. Von der Zusammenarbeit können aber beide profitieren, meint Mario Mayerthaler, Head of Innovation der A1 Telekom Austria Group und CEO des Hightech-Start-ups Invenium.
(+) plus: Wie können Betriebe ihre Innovationskraft stärken?
Mayerthaler: Hier gibt es zahlreiche Wege und nicht alle werden für jedes Unternehmen passen. Kerninnovationen, die Produkte und Services betreffen, können von den eigenen Mitarbeiter*innen, etwa von der Innovationsabteilung oder vom Marketing kommen. Bei A1 fördern wir Innovationen durch ein daür ins Leben gerufenes Intrapreneurship-Programm. Im Zentrum des Programms steht die Möglichkeit für Teams, ihre Ideen in einem Pitch zu präsentieren. Findet der Vorschlag Anklang, werden die Mitarbeiter*innen für ein oder zwei Jahre von ihrem regulären Job freigestellt, um die Idee weiterzuentwickeln.
Darüber hinaus kann sich ein Unternehmen auch externe Inputs holen – etwa durch Start-ups, so wie wir das im A1 Start-up Campus machen, oder durch Scale-ups, also Lösungen, die sich bereits bei anderen Unternehmen bewährt haben. Eine weitere Innovationsquelle sind die Lieferanten. Das Anti-Blockier-System hat ja bekanntlich nicht ein Autohersteller erfunden, die Idee dazu kam von einem Zulieferer.
(+) plus: Worauf muss bei Kooperationen mit Start-ups geachtet werden, damit die Zusammenarbeit funktioniert?
Mayerthaler: Das ist die Königsfrage, an der schon viele gescheitert sind. Unsere Lernkurve war auch sehr hoch. Jedes größere Unternehmen braucht Prozesse, ohne die funktioniert es nicht, während das Start-up eine Vision und einen starken Umsetzungswillen mitbringt. Da prallen zwei Kulturen aufeinander. Die Kooperation eines Start-ups mit einem Corporate ist für beide Seiten bereichernd, aber auch herausfordernd.
Start-ups gehen oft davon aus, sie müssten nur bei den richtigen Menschen aufschlagen und dann klappt das schon. In einem großen Unternehmen sind das aber selten jene Personen, die eine Lösung letztendlich verkaufen oder anwenden. Zudem müssen Innovationen, Produkte und Services auch zum Unternehmen passen. Auch dann lassen sie sich nicht so einfach im Shop verkaufen. So läuft das nicht. Man muss Expectation-Management betreiben – bei sich selbst und beim Start-up.
(+) plus: Braucht es eine Strategie und konkrete Ziele oder engt das nur ein?
Mayerthaler: Ziele gehören dazu. Ein gutes Beispiel ist Invenium, ein Start-up, an dem wir uns inzwischen die Mehrheit gesichert haben. Invenium kann mobile Bewegungsströme auf Basis unserer anonymisierten Mobilfunkdaten berechnen. Diese Informationen sind beispielsweise für Einkaufszentren, Tourismusregionen oder Verkehrsbetriebe relevant. Für solche Produkte gibt es klare Verkaufsziele.
(+) plus: Woran sehen Sie, ob ein Start-up Potenzial hat?
Mayerthaler: Es wäre übertrieben zu sagen, wir wissen das ab Tag eins. Ganz viel hängt an den handelnden Persönlichkeiten. Es braucht ein eingespieltes Team. Einzelgründer laufen Gefahr, an ihrem Ego zu scheitern, denn irgendwann können sie nicht mehr alle Funktionen selbst erfüllen. Auch wenn Bezeichnungen wie CEO, CTO, COO usw. oft irreführend sind – eines stimmt schon: Jeder braucht eine klare Aufgabe – jemand für Marketing, für die Technik und eine oder einen, die oder der die Gesamtverantwortung trägt.
(+) plus: Ist die Idee zweitrangig?
Mayerthaler: Es kann auch eine Copycat-Idee sein, die es schon irgendwo auf der Welt gibt und die nachgebaut wird. Ein Start-up kann sein Geschäftsmodell immer wieder verändern, auch das ist nicht schlimm. Das Start-up »Parkbob« heißt jetzt »Ubiq«: Es hatte eine Handy-App entwickelt, die freie Parkplätze angezeigt hat – dieses Geschäftsmodell war enden wollend, weil mittlerweile jedes moderne Auto Ultraschallsensoren eingebaut hat, die beim Vorbeifahren automatisch Parklücken erkennen und sogar selbst einparken können. Ubiq musste sich sozusagen neu erfinden und optimiert jetzt Carsharing-Flotten. Ein ganz anderes Geschäftsmodell als früher, das Start-up hat damit aber ganz neue Wege gefunden.
(+) plus: Wie groß ist das Risiko für Corporates? Wann muss man sich eingestehen, dass eine Kooperation nichts bringt?
Mayerthaler: Wenn man in Start-ups investiert, muss einem hundertprozentig klar sein, dass etwas schief gehen und man Geld verlieren kann. Solange das Gewinn-Verlust-Verhältnis gut ist, hat man vieles richtig gemacht. Aber in zehn Firmen zu investieren und es geht neun Mal gut, das gibt es mit Sicherheit nicht. Es ist eher umgekehrt: Nur eine Firma hat vielleicht das Potenzial, wirklich etwas zu bewegen.
(+) plus: Mut wird also nicht belohnt?
Mayerthaler: Für Venture-Capital-Fonds, die in Start-ups investieren, steht natürlich der rein monetäre Aspekt im Vordergrund. Sie leben davon, dass von 100 Firmen aus zehn etwas wird. Nur zwei dieser zehn sind etwas ganz Besonderes. Aber sie spielen mehr Geld ein als die 90, die wieder verschwinden.
Corporates haben einen anderen Zugang. Ja, es braucht mehr Mut, aber Unternehmen können zum Beispiel auch in ihre eigene Innovationsabteilung oder in die Produktentwicklung investieren. Sie müssen die Innovation nicht unbedingt von außen holen. Bei vielen Themen ist die Komplexität allerdings so hoch, dass ein Austausch und eine Öffnung schon ratsam ist.
(+) plus: Hat die Datenschutzgrundverordnung Innovationen gebremst?
Mayerthaler: Was wir in Europa oft unterschätzen, ist unsere Vorbildwirkung. Die DSGVO wurde in Kalifornien übernommen, obwohl die Unternehmen dort das nicht müssten. Datenschutz gewinnt auch in den USA zunehmend an Relevanz. Ich würde sagen, die DSGVO hat Innovationen nicht verhindert, aber verlangsamt. Bei Invenium haben wir zwei Jahre mit dem Thema verbracht. Aber wir sind jetzt auf der sicheren Seite – und das ist ein beruhigender Aspekt. Wenn man die Nuss einmal knackt, kommt man zum richtigen Inhalt.