Montag, Dezember 23, 2024
Next Generation

Bis zu vier Generationen arbeiten in Unternehmen neben- und miteinander. Mit der Generation Z treten nach einschneidenden Krisenerfahrungen junge Menschen ins Arbeitsleben, die im Job keine Abenteuer, sondern Sicherheit und Beständigkeit suchen. Führung muss sich wieder einmal verändern.


Auch wenn eine Definition der Generationen streng nach Jahrgängen schwierig ist, lassen sich soziologisch betrachtet Altersgruppen zusammenfassen, die in ihrer Kindheit und Jugend durch die gleichen historischen und kulturellen Ereignisse sowie gesellschaftliche Trends geprägt wurden. Sie bringen nicht nur unterschiedliche Ansprüche, Bedürfnisse und Kompetenzen mit, sondern haben auch besondere Erwartungen an Arbeit und Führung.

Derzeit ist die Generation Z gerade dabei, den Arbeitsmarkt neuerlich auf den Kopf zu stellen. Dabei galten die 16- bis 24-Jährigen bislang nicht gerade als Revoluzzer. Demonstrieren an den »Fridays for Future«, ja – aber was ihr Erwerbsleben anbelangt, denkt die junge Generation recht traditionell.

Laut einer Studie des Zukunftsinstituts, für die 500 Direktbefragungen und andere Umfragen zum Thema ausgewertet wurden, wünschen sich 74 Prozent einen sinnvollen, erfüllenden Beruf. Ebenso viele halten es für wichtig und erstrebenswert, sich keine finanziellen Sorgen machen zu müssen. 53 Prozent legen Wert auf die Krisenfestigkeit des Arbeitgebers, 15 Prozent liebäugeln mit einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst.

Diese Ergebnisse spiegeln ein großes Sicherheitsbedürfnis junger Menschen wider, das sich durch die Coronapandemie augenscheinlich noch verstärkt hat. Als Generation Z werden Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bezeichnet, die kurz vor oder nach der Jahrtausendwende geboren wurden. Sie sind die ersten »echten« Digital Natives.

In der kollektiven Erfahrung waren die beiden Jahrzehnte wiederholt von Krisen geprägt – dem Platzen der ersten Dotcom-Blase, der Banken- und Immobilienkrise, 9/11, den Flüchtlingsbewegungen und der globalen Klimabedrohung. Viele junge Menschen haben mitunter erlebt, dass ihre Eltern oder andere Erwachsene in ihrem näheren Umfeld schwierige Zeiten durchstehen mussten.

Noch nie wurde ihr eigenes Leben von einer Krise durch die Schließung von Schulen und Universitäten, Schwierigkeiten bei der Jobsuche, digitales Onboarding im ersten Job, Kurzarbeit oder sogar dem Verlust ihres Arbeitsplatzes jedoch so unmittelbar getroffen wie nun durch die Pandemie. Kinder und Jugendliche litten ungleich stärker unter der Einschränkung der sozialen Kontakte und waren überfordert mit dem Online-Unterricht. Viele entwickelten psychische Auffälligkeiten, Depressionen oder Angststörungen oder klagten über Einschlafprobleme und Kopfschmerzen.

Die Stigmatisierung psychischer Probleme wiegt auch am Arbeitsplatz schwer. Nur ein Drittel der Arbeitnehmer*innen spricht Stressfaktoren gegenüber Vorgesetzten offen an. 40 Prozent geben an, während der Pandemie hinsichtlich psychischer Gesundheit vom Unternehmen kaum Unterstützung bekommen zu haben.

Werteverschiebung

Schon vor der Pandemie haben viele junge Menschen miterlebt, wie ihre Eltern bis zum Burnout arbeiteten und Gesundheit, Familie und Freizeit hintanstellen mussten. Fast die Hälfte der Befragten wünscht sich deshalb flexible Arbeitszeitmodelle. 53 Prozent erwarten von ihren Arbeitgeber*innen gute Karrieremöglichkeiten, Anerkennung und Förderung.

Was nach hohen Ansprüchen klingt, ist Ausdruck einer Werteverschiebung: Für die Digital Natives stehen die Lebensqualität, Gesundheit und Selbstbestimmung klar im Vordergrund. Ihr Bewusstsein für Gleichberechtigung und Diversität ist so ausgeprägt wie bei keiner anderen Generation zuvor. Und: Sie fordern diese Werte auch am Arbeitsplatz ein.


In Unternehmen arbeiten bis zu vier Generationen neben- und miteinander – für Führungskräfte eine Herausforderung.

»Die jüngeren Arbeitnehmer sind besonders sensibel gegenüber gefühlter Ungleichheit im Jobumfeld. Unternehmen sollten transparent mit dem Thema Vergütung umgehen«, sagt Anna Nowshad, Partnerin bei Deloitte Österreich. Die Covid-19-Pandemie hat den Blick auf Ungerechtigkeiten geschärft, wie der diesjährige »Milliennial Survey« von Deloitte zeigt:

Junge Menschen sorgen sich nicht nur um ihre persönliche finanzielle Zukunft, sondern nehmen die Vermögensungleichheit als größeres gesellschaftliches Problem wahr. Zwei Drittel glauben, dass Vermögen und Einkommen in der Gesellschaft ungleich verteilt sind.

Für die Studie »Future of Work« der deutschen Online-Plattform Zenjob sollten die Befragten mehrere Aspekte nach ihrer Wichtigkeit ordnen. Der Großteil der unter 25-Jährigen reihte an die erste Stelle eine Unternehmenskultur, in der ehrlich und offen kommuniziert wird. Platz zwei nimmt überraschend das Gehalt ein. Dennoch dominieren vor allem die »inneren« Werte eines Unternehmens – Offenheit für neue Ideen und Konzepte, Nachhaltigkeit, soziales Engagement – das Ranking.

Klar ist: Die Karriere ist zwar ein wichtiger Teil des Lebens, aber nicht das oberste Ziel. Die Generation Z will mitgestalten und selbstorganisiert arbeiten. »Unsere Umfrage räumt mit vielen Vorurteilen älterer Generationen gegenüber der Gen Z auf. Sie ist alles andere als passiv, sie zeigt Engagement und möchte etwas bewirken«, erklärt Frederik Fahning, Managing Director von Zenjob.

»Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von morgen stehen Haltung und Werte im Vordergrund. Sie möchten, dass ihr Arbeitgeber diese vorlebt und ihnen Raum für das eigene Leben, die persönliche Entwicklung, aber auch die Partizipation an der Weiterentwicklung des Unternehmens ermöglicht.«

Hohe Erwartungen

An Selbstvertrauen mangelt es jedenfalls nicht. Die Jungen sind begehrte Arbeitskräfte – und wissen das auch. Sie sind in der Regel gut ausgebildet, mehrsprachig, weitgereist, in den sozialen Medien gut vernetzt und neuen Technologien und innovativen Produkten grundsätzlich sehr aufgeschlossen. Waren Unternehmen früher in der komfortablen Situation, aus einem großen Pool selektieren zu können, müssen sich längst die Arbeitgeber*innen um die Gunst potenzieller Kandidat*innen bemühen. Ein Obstkorb und ein Fußballtisch reichen da nicht aus.

Die Baumarktkette Hornbach verzeichnete durch die Einführung einer sechsten Urlaubswoche für alle Arbeitnehmer*innen ab dem zweiten Dienstjahr einen enormen Zuwachs an Bewerbungen. Durch den Fokus auf die junge Zielgruppe hat sich der Anteil der Generation Z an der Gesamtbelegschaft in den letzten fünf Jahren verdreifacht.
Auch bei Denns BioMarkt zählt ein Viertel der Belegschaft zur Generation Z. Der bewusst niederschwellige Zugang zu Führungsaufgaben macht sich bezahlt: Der jüngste Filialleiter ist 25, die jüngsten Rayonsleiter*innen sind um die 30 Jahre alt.

Betriebe, die Bewerbungsschreiben nicht adäquat oder spät beantworten, kicken sich von vornherein selbst aus dem Rennen. Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten sind dagegen lockende Optionen. Sehen die umworbenen Jungen in der Tätigkeit keinen Sinn oder fehlt der erwartete Mehrwert, sind sie auch schnell wieder weg – die Arbeitsbeziehungen werden kürzer und damit teurer für die Unternehmen.

»Um Digital Natives erfolgreich zu gewinnen und zu halten, müssen Unternehmen in ihr Arbeitsmodell und ihre Tools investieren, um die flexible und effiziente Arbeitsumgebung zu schaffen, die die nächste Generation von Führungskräften erwartet«, sagt Oliver Ebel, Area Vice President Central Europe bei Citrix. »Bis 2035 wird der Erfolg oder Misserfolg von Unternehmen in ihren Händen liegen.«



Die nächste Generation von Führungskräften steht in den Startlöchern, meint Oliver Ebel, Citrix: »Der Erfolg von Unternehmen liegt in ihren Händen.«

Dabei ist das Verhältnis der Generation Z zur Arbeit durchaus von Ambivalenzen gekennzeichnet. Die Hälfte der Befragten möchte feste Arbeitszeiten, der Wunsch nach Flexibilität ist jedoch ebenso groß. 78 Prozent wollen Berufliches und Privates getrennt sehen, für 70 Prozent ist es aber kein Problem, auch im Urlaub für die Firma erreichbar zu sein. Sie suchen einen Job, der zu ihren individuellen Fähigkeiten und Werten passt – Selbstverwirklichung wird am Arbeitsplatz aber nicht angestrebt.

Für Matthias Winkler, CEO der Sacher Hotels, ist der Fachkräftemangel insbesondere im Gastgewerbe und der Hotellerie ein hausgemachtes Problem: »Mitarbeiter*innen wollen gut behandelt werden.« Die Bezahlung sei durchaus ein Faktor, vor allem aber die Arbeitszeiten. »Die Viertagewoche wird kommen«, ist Winkler überzeugt: »Solange wir nur Zustände beklagen, wird sich nichts ändern.«



Sacher-Chef Matthias Winkler will mit flexiblen Arbeitszeiten junge Mitarbeiter*innen gewinnen: »Die Viertagewoche wird kommen.« 

Trotz vieler Freiheiten erwarten sich junge Mitarbeiter*innen Struktur und Klarheit. Für Führungskräfte, die zuletzt in Coachings zu einem amikalen Führungsstil angeleitet wurden, eine Gratwanderung: Manager*innen sollen Leadership zeigen und eine Vision vorgeben, mit der sich alle Mitarbeitenden identifizieren können. In Unternehmen, wo sich derzeit bis zu vier Generationen mit unterschiedlichen Erwartungen mischen, ist das durchaus eine Herausforderung.


Mehr Empathie

Schon die Generation Y agierte sehr selbst- und kar­rierebewusst – und galt durchaus als schwierig. Stets bereit, sich für interessante Projekte überdurchschnittlich zu engagieren, war diese Leistungsbereitschaft bei Routinearbeiten oder mangelndem Feedback rasch enden wollend.

Doch siehe da – auch die oftmals als dünnhäutig und konfliktscheu beschriebenen sogenannten Millennials wurden inzwischen »erwachsen« und tragen teilweise Führungsverantwortung. Obwohl schon sie eine ausgeglichene Work-Life-Balance forderten, unterscheidet sich ihre Arbeitseinstellung in einigen Punkten doch deutlich von der ihrer Nachfolger*innen.

Während die Generation Y das Prinzip »Vertrauensarbeitszeit« vertritt und den Mitarbeiter*innen einen fließenden Wechsel zwischen Arbeit und Freizeit zugesteht, schätzt die Generation Z klare Rahmenbedingungen. Die Jungen hegen ein großes Verantwortungsgefühl, vor allem für Schwächere. Diese Empathie erwarten sie auch von Führungskräften. Mentoring wird künftig einen noch höheren Stellenwert einnehmen. Im Gegenzug können Unternehmen eine hochgradige Performance erwarten: Die Generation Z ist nicht nur gebildet, sondern auch darauf trainiert, Ergebnisse zu liefern.



Elisa Aichinger, Deloitte: »Der Klimawandel hat trotz der Pandemie nicht an Priorität verloren.«

Was Y und Z eint, ist die Sorge um Umwelt und Klima. Dieses Thema verlor selbst im Pandemie-Jahr nicht an Bedeutung, im Gegenteil, wie Deloitte-Partnerin Elisa Aichinger betont:
»Die Angehörigen der Millennials und Generation Z wollen gerade wegen der Gesundheits- und Klimakrise mehr denn je Verantwortung übernehmen, um gesellschaftliche Veränderungen hin zu mehr Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit voranzutreiben. Sie richten Konsum- und Karriereentscheidungen an ihren persönlichen Werten aus und erwarten von Unternehmen sowie Politik, dass konkrete Taten gesetzt werden.«


Generation Z erfolgreich führen

1. Betriebsklima: Die Generation Z wünscht sich Kolle­gialität, Toleranz und Wertschätzung – eine freundschaftliche oder gar familiäre Atmosphäre braucht sie aber nicht. Sinnvolle Hierarchien werden akzeptiert.

2. Leistung: Junge Mitarbeiter*innen wünschen sich Führung auf Augenhöhe ohne permanenten Leistungsdruck. Überschaubare Aufgaben und Projekte, die Lernpotenziale bieten, sorgen für eine Balance zwischen Fordern und Fördern. Spaß am gemeinsamen Arbeiten wird wichtiger erachtet als das Erreichen von Zielen.

3. Motivation: Realistische Rückmeldungen sind wirkungsvoller als überschwängliches Lob. Regelmäßige 360°-Feedbacks, die nachvollziehbare Lösungswege aufzeigen, werden gerne angenommen. Eine verlässliche Teamkultur, in der Wort gehalten wird, ist Voraussetzung.

4. Work-Life-Balance: Die Generation Z wünscht sich eine klare Trennung von Berufs- und Privatleben bei größtmöglicher Flexibilität. Temporäre Überstunden, etwa im Projekt-Finish, sind kein Problem, wenn für Freizeitausgleich gesorgt ist. Planbarkeit wird jedoch geschätzt.

5. Benefits: Zu einem modernen Arbeitsplatz gehört auch der Einsatz neuer Technologien. Auf Weiterbildung und Eigenverantwortung wird großer Wert gelegt. Statt Großraumbüros bevorzugen die Jungen ein eigenes Büro. Angemessene Bezahlung mit Zusatzvergünstigungen, etwa betriebliche Vorsorge­leistungen oder großzügige Urlaubsregelungen, können die Arbeitgeberwahl beeinflussen.

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