Die Bereitschaft zu umweltbewusstem Handeln ist unter den Konsument*innen grundsätzlich groß, wie der erstmals erstellte »Nachhaltigkeitskompass« von Handelsverband und EY zeigt. Anreizsysteme könnten das Bewusstsein zusätzlich schärfen.
Bis 2040 will Österreich klimaneutral sein. Digitalisierung, Dekarbonisierung und Nachhaltigkeit treiben die Transformation der Wirtschaft voran.
Vor diesem Hintergrund haben Handelsverband und EY Österreich in Zusammenarbeit mit MindTake Research eine groß angelegte Studie mit mehr als 1.000 Befragten durchgeführt, um die Einstellung der österreichischen Konsument*innen zu den Themen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft zu beleuchten.
Ergänzt wurde diese Studie mit einer Befragung unter 81 Mitgliedern des Handelsverbands, die den Stellenwert von Nachhaltigkeit als Unternehmensstrategie evaluiert.
Die Ergebnisse zeigen ein differenziertes Bild. Zwar gewinnt Nachhaltigkeit für beide Seiten – Konsument*innen wie auch Händler*innen – an Bedeutung. Der Großteil der Befragten sieht jedoch in erster Linie Produzent*innen und Lieferant*innen gefordert, danach Politik und Handel.
Erst an vierter Stelle nehmen sich die Konsument*innen selbst in die Pflicht.
Für Bio mehr bezahlen
Beim Kauf von Lebensmitteln spielt das Preis-Leistungs-Verhältnis eine wichtige Rolle (87 %), aber auch die Qualität (83 %). Die Hälfte der Befragten gibt an, zuweilen weniger nachhaltig zu agieren – sie können oder wollen sich ökologische Produkte nicht immer leisten.
Dennoch ist die Überzahlungsbereitschaft überraschend hoch: Jede*r zweite Konsument*in würde für nachhaltigeren Konsum bis zu fünf Prozent des Haushaltseinkommens aufzahlen. Besonders jüngere Menschen zwischen 18 und 29 Jahren nehmen für nachhaltige Produkte mehr Geld in die Hand.
»Diese Zahlen belegen deutlich, dass Transparenz die Wende beschleunigen wird«, sagt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will. »Konsumentinnen und Konsumenten sind durchaus bereit, im Rahmen ihrer Möglichkeiten für nachhaltige Produkte mehr auszugeben, wenn sie denn wissen wofür.«
Rainer Will, Handelsverband: »Konsument*innen sind durchaus bereit, für nachhaltige Produkte mehr auszugeben.«
Verzichten möchten die Befragten jedoch nicht so gerne – am wenigsten auf Fleisch, das Auto oder Flugreisen. Bequemlichkeit und fehlende Aufklärung sind die Hauptgründe, weshalb Konsument*innen nicht umweltbewusster agieren.
Für Verwirrung sorgen offenbar auch die unterschiedlichen Nachhaltigkeitssiegel. Neben den bekanntesten – AMA-Gütesiegel, Fairtrade-Siegel und MSC-Siegel – verwenden viele Hersteller und Handelsmarken eigene Siegel, bei denen häufig unklar ist, welchen Kriterien sie entsprechen und wer diese prüft.
»Am Markt gibt es eine große Anzahl an Siegeln, die nur wenig Orientierung bieten. Hier besteht Handlungsbedarf, um die Konsumentinnen und Konsumenten dabei zu unterstützen, eine fundierte Entscheidung treffen zu können«, erklärt Nikolaus Köchelhuber, Managing Director im Bereich Handel- und Konsumgüter bei EY Österreich.
Belohnung willkommen
84 Prozent der Händler*innen sehen es als Chance, im Bereich Nachhaltigkeit aktiver zu werden. Allerdings hat erst rund ein Viertel der befragten Unternehmen dieses Thema in ihrer Strategie verankert, bei 57 Prozent war dies zumindest teilweise der Fall. Ein Drittel erhebt bereits den CO2-Fußabdruck für den eigenen Betrieb, ein weiteres Drittel hat dies in den nächsten zwei Jahren vor.
Was beim Skifahren oder bei Autos längst üblich ist, wäre auch für viele weitere Lebensbereiche denkbar: das Anmieten von Produkten, statt sie zu kaufen – etwa bei Haushaltsgeräten, Möbeln oder Kleidung. »Nachhaltigkeit öffnet auch gänzlich neue Geschäftsmodelle und Umsatzchancen für Unternehmen«, verweist Köchelhuber auf die hohe Akzeptanz von Mietmodellen unter den Konsument*innen.
Harald Hauke, ARA: »Ein zukunftsfähiges System muss den Wandel unseres Lebensstils berücksichtigen.«
Bonusprogramme für den Kauf nachhaltiger Produkte oder eine niedrige Stromrechnung könnten umweltbewusstes Handeln zusätzlich fördern. 70 Prozent der Befragten würden dabei mitmachen.
Eine Cashback-Option finden sogar drei Viertel interessant – über alle Altersgruppen hinweg. »Warum Klimaschutz nicht auch durch positive Anreize belohnen?«, kann sich Rainer Will »Green Points« beim Einkauf gut vorstellen.
Ein ähnliches Anreizsystem wurde von Saubermacher und der Altstoff Recycling Austria AG (ARA) entwickelt, um die Rückgabe von Getränkeverpackungen anzukurbeln. Mit der App digi-Cycle können an der Verpackung sowie am Sammelbehälter angebrachte Barcodes gescannt werden, bei fachgerechter Entsorgung erhält der*die Konsument*in eine Prämie. Ein eigener Rückgabeautomat im Handel ist nicht notwendig.
Aktuell werden in Österreich 75.000 Tonnen Kunststoff recycelt, bis 2025 müssen laut EU-Vorgabe 150.000 Tonnen erreicht werden. Die kürzlich erreichte Einigung über ein Einwegpfandsystem für Getränkeflaschen reicht nicht aus, um dieses Ziel zu erreichen, sagt ARA-Vorstand Harald Hauke:
»Ein zukunftsfähiges System muss weiterdenken und den Wandel unseres Lebensstils berücksichtigen, der durch Convenience und Digitalisierung geprägt ist.«