Mit der Entscheidung für Ex-Borealis-Chef Alfred Stern als Nachfolger von CEO Rainer Seele stellt die OMV die Weichen in Richtung Chemiekonzern.
Die Ablöse an der Spitze von Österreichs größtem Industriekonzern geriet zum Richtungsstreit. Dieser Kampf zwischen dem von der OMV forcierten Öl- und Gasgeschäft und dem von Borealis vorangetriebenen Kunststoffsektor scheint vorerst entschieden. Am 1. September tritt Alfred Stern, Ex-Chef der OMV-Tochter Borealis und erst seit April im Vorstand der Konzernmutter, die Nachfolge von CEO Rainer Seele an. Bis dahin verantwortet er noch die neugeschaffene Sparte Chemicals & Materials – ein Bereich, in dem Stern die Zukunft des Konzerns sieht.
Der 56-jährige Steirer, Absolvent der Montanuniversität Leoben, dockte erst 2008 bei Borealis an. Zuvor war er bei Dupont, einem der größten Chemiekonzerne der Welt, in Führungspositionen in der Schweiz, Deutschland und den USA tätig. Mit dieser Erfahrung konnte sich Kunststofftechniker Stern in der OMV gegen die starke Öl- und Gasfraktion, die lieber Johann Pleininger im Chefsessel gesehen hätte, durchsetzen. Sterns Vorgänger bei Borealis, Mark Garrett, zog im Hintergrund die Fäden; mit Martijn van Koten rückt ein weiterer Borealis-Vorstand in die OMV ein. Von einer »feindlichen« Übernahme durch die kleinere Tochter ist bereits die Rede. Seit der Eingliederung des Chemieunternehmens bleibt im Konzern, an dem die Republik 31,5 Prozent hält, jedenfalls kein Stein auf dem anderen. Statt den Fokus wie bisher auf Benzin, Diesel und Heizöl zu richten, sollen künftig Kunststoffe veredelt und recycelt werden. Im ersten Quartal 2021 trug Borealis bereits rund die Hälfte des Konzernergebnisses der OMV bei. Die Skeptiker im Konzern zu einen, wird viel Geschick erfordern. Alfred Stern, der als integrativ, ausgleichend und wertschätzend beschrieben wird, könnte das gelingen.