Die österreichischen Papier- und Kartonverarbeiter konnten sich bisher in der Krise recht stabil behaupten, wie die Branchenvereinigung Propak resümiert. Obmann Georg Dieter Fischer sieht den Industriezweig dennoch vor schwierigen Herausforderungen: „Wir können uns der allgemeinen Konjunkturschwäche nicht entziehen, aber grosso modo werden unsere Unternehmen nicht zu den größten Krisenverlierern gehören.“
Im April und Mai wurde die Branche schwer getroffen. Mit einem Wertrückgang von 5,9 % und einem Mengenrückgang von 5,6 % fielen die Einbußen im Vergleich zu anderen Geschäftsbereichen dennoch glimpflich aus. Mit einem über die ersten fünf Monate gerechneten Umsatzminus von 1,6 % liegt man nur knapp unter dem Vorjahresniveau. Das gute erste Quartal macht sich hier wie auch die Systemrelevanz der Produkte bezahlt: Papier und Karton sind für die Versorgung der Bevölkerung eine Grundvoraussetzung.
Als besonders problematisch erwies sich das Schließen der Grenzen. „Die Propak-Industrie erwirtschaftet drei von vier Euro im Ausland. Dafür sind offene Grenzen notwendig, um sowohl die Verarbeiter mit den erforderlichen Rohstoffen als auch die komplette Supply Chain bis zum Endverbraucher mit den benötigten Produkten versorgen zu können“, argumentiert Andreas Blaschke, Vorstand von Mayr-Melnhof Packaging International. Laut einer Anfang September durchgeführten Umfrage des Fachverbandes erwarten die rund 80 Mitgliedsunternehmen bis Ende des Jahres ein Umsatzminus von durchschnittlich 6 % – allerdings bei großer individueller Bandbreite, da die Unternehmen unterschiedlich stark betroffen sind.
Angesichts eines prognostizierten BIP-Rückgangs von 7,2 % würde die Rezession würde doppelt so stark ausfallen wie der Einbruch nach der Finanzkrise 2008. „Die aktuell erforderlichen Eindämmungsmaßnahmen erhöhen die Konjunkturrisiken für den Herbst. Dennoch ist ein deutlich stärkerer Nachholeffekt als 2010 zu erwarten“, analysiert Doris Ritzberger-Grünwald, Direktorin der Hauptabteilung Volkswirtschaft in der Oesterreichischen Nationalbank. „Die Produktion von Waren aus Papier und Pappe ist im Shutdown nicht in gleichem Ausmaß geschrumpft wie jene der Gesamtindustrie. Auch der Beschäftigungsrückgang war unterdurchschnittlich.“
Mit rund 8.800 Beschäftigten ist der Personalstand im ersten Halbjahr nahezu gleichgeblieben. Bei den Lehrlingen verzeichnete die Branche sogar beachtliche Zuwächse, im Beruf Verpackungstechnik gar um 43 %. Die zunehmende Automatisierung und Digitalisierung schlägt sich auch in der Ausbildung nieder. So wandelte sich die handwerklich geprägte Lehre „BuchbinderIn“ zum Lehrberuf „Buchbindetechnik und Postpresstechnologie“. Arnold Tautermann-Bichler, Geschäftsführer der DPI Gruppe, kennt die neuen Trends: „Ein Papierverarbeiter aus den 90er-Jahren hat nicht mehr viel gemeinsam mit einem Propak-Dienstleister im Jahr 2020. Die Digitalisierung ist in vollem Gange. Das Spektrum reicht von digitaler Drucktechnologie bis zu mobilen Applikationen und individueller Softwareentwicklung. Unternehmen wie Mitarbeiter müssen sich darauf einstellen, dass Mensch und Maschine zusammenwirken. Und dafür brauchen wir SpezialistInnen!“