Mit der Rückkehr aus Urlaub und Homeoffice steigt die Infektionsgefahr. Umweltmediziner Hans-Peter Hutter erklärt, wie Unternehmen ihre MitarbeiterInnen und GeschäftspartnerInnen schützen können.
(+) plus: Welche Vorkehrungen können Unternehmen treffen?
Hans-Peter Hutter: Es hängt ganz davon ab, ob es sich um einen produzierenden Betrieb, ein Geschäft oder ein Bürogebäude handelt, ob die MitarbeiterInnen im Freien oder in einem Innenraum arbeiten. Als vorteilhaft hat sich eine zeitliche Staffelung beim Kommen und Gehen erwiesen – diese Flexibilisierung reduziert auch die Spitzenzeiten in öffentlichen Verkehrsmitteln. Viele Unternehmen teilen die MitarbeiterInnen in Gruppen, die in Schichten oder an unterschiedlichen Tagen arbeiten. Im Fall einer Quarantäne fällt dann nur eine Gruppe aus, nicht aber die gesamte Belegschaft.
Für Besprechungen sollte unbedingt ein Raum gewählt werden, der hinsichtlich Abstandsregel und Belüftung geeignet ist. Früher hat man sich über die Luftqualität viel zu wenig Gedanken gemacht, das Thema wurde immer etwas belächelt. Dabei ist es für die Unternehmen eine Win-win-Situation – die Performance sinkt deutlich, wenn die Luftqualität suboptimal, also etwa zu trocken und stickig ist, und die MitarbeiterInnen sind häufiger im Krankenstand. Bei mechanischen Lüftungsanlagen, die gut gewartet sind, ist die Luftqualität oft besser als in Büros, wo man selbst regelmäßig das Fenster öffnen muss.
(+) plus: Welche Verhaltensregeln sollten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einhalten?
Hutter: Die Verhaltensregeln sind überall gleich: Abstand halten, Hände waschen, lüften. Auch das Tragen einer Maske, vor allem in Gängen oder Aufzügen, ist durchaus zumutbar. Mit einer Verkühlung sollte niemand arbeiten gehen. Hier braucht es mehr Bewusstsein und auch ein klares Prozedere – etwa Checklisten – seitens der ArbeitgeberInnen. Fieber und Veränderungen oder Verlust des Geschmacks- und Geruchssinns deuten jedenfalls auf eine Sars-CoV2-Infektion hin.
(+) plus: Sollte Homeoffice – soweit es möglich ist – beibehalten werden?
Hutter: Das wäre natürlich ideal, muss aber je nach Arbeitsplatz unterschiedlich entschieden werden. Es wird kreative Lösungen geben müssen. Vielen Menschen kommt die Möglichkeit, zu Hause zu arbeiten, sehr entgegen, weil sie die öffentlichen Verkehrsmittel meiden können oder sich lange Fahrzeiten ersparen. Andere hingegen vermissen den direkten persönlichen, sozialen Kontakt.
(+) plus: Welche Maßnahmen empfehlen Sie in Großraumbüros?
Hutter: Können die nötigen Abstände nicht eingehalten werden, gibt es die Möglichkeit der Abschirmung, etwa durch Plexiglasschilde oder flexible Trennwände. Besonders wichtig ist hier konsequente Lüftung: Winzige, potenziell infektiöse Teilchen schweben noch lange in der Luft. Diese müssen rasch hinaus befördert werden. Ein Vorteil: Die Rückverfolgung der Kontaktpersonen ist in Großraumbüros zwar einfacher – man weiß ja genau, wer neben wem sitzt. Im schlimmsten Fall stehen aber alle unter Quarantäne.
(+) plus: Muss auf Tagungen, Seminare und andere Indoor-Veranstaltungen noch länger verzichtet werden?
Hutter: Das ist immer abhängig von Präventionskonzepten und deren Umsetzbarkeit vor Ort sowie natürlich von der aktuellen Pandemie-Dynamik. Zunächst sollte man sich aber die Frage stellen, ob es unbedingt notwendig ist, diese Veranstaltung gerade jetzt durchzuführen oder ob eine Verschiebung ins nächste Halbjahr oder Jahr möglich ist. MitarbeiterInnen und BesucherInnen könnten sich gerade bei solchen Anlässen anstecken – Stichwort Clusterbildung – und damit eine Quelle für Infektionen außerhalb des Betriebes werden. Unternehmen tragen hier Verantwortung in größerem Kontext.
Zur Person
Hans-Peter Hutter studierte Landschaftsökologie und Landschaftsplanung an der Universität für Bodenkultur sowie Medizin an der Universität Wien. Er absolvierte die Facharztausbildung für Hygiene und Mikrobiologie und war mehrere Jahre als Physikatsarzt am Institut für Umweltmedizin der Stadt Wien tätig. 2015 übernahm Hutter die stellvertretende Leitung der Abteilung für Umwelthygiene und Umweltmedizin am Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Risikoabschätzungen und Forschungen zu gesundheitlichen Auswirkungen von Umwelteinflüssen und Umweltchemikalien.