Die Bereitschaft der Konsumentinnen und Konsumenten, für nachhaltige Produkte mehr zu bezahlen, ist in den letzten Jahren gestiegen. Allerdings kosten Waren im Bio-Segment im Schnitt 75 bis 85 % mehr als herkömmliche und liegen damit weit über den Preiserwartungen der KundInnen. Eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Kearney belegt diese überhöhten Preisspannen bei ökologischen Produkten und kritisiert Hersteller und Handel.
„Der Grund liegt in einer konventionellen Preisfindung. Würden Markenbesitzer und Händler sich an den tatsächlich anfallenden Kosten orientieren und ihre konventionelle Preisgestaltung überdenken, könnten sie ihren Umsatz steigern und im Wettbewerb punkten“, sagt Carsten Gerhardt, Partner und Nachhaltigkeitsexperte der Managementberatung Kearney.
Die höchsten Aufschläge von bis zu 220 % sind in den Bereichen Mode, Beauty und Healthcare zu finden. Die geringsten Mehrkosten haben Babynahrung und Energie mit rund 20 %. Frische Lebensmittel wie Bio-Tomaten haben meist einen niedrigeren Mehrpreis als verarbeitete Produkte, wie beispielsweise Bio-Dosentomaten. Rund 70 % aller Verbraucherinnen und Verbraucher würden für nachhaltige Produkte bis zu 10 % mehr ausgeben, 15 % sogar 30 %. Jedoch übertreffen die derzeit üblichen Preisaufschläge dieses Einverständnis bei weitem.
Dabei ist die Bereitschaft der VerbraucherInnen, mehr für nachhaltige Produkte zu bezahlen, über alle Regionen, Einkommensniveaus und Kategorien hinweg gewachsen. Akzeptierten 2015 noch 66 % einen moderaten Aufpreis, sind es heute 80 %. „Wir können davon ausgehen, dass ein Nachhaltigkeitsaufschlag von zehn Prozent auf dem Massenmarkt gut angenommen würde“, meint Gerhardt.
Er erklärt die exorbitant hohen Preisaufschläge der nachhaltigen Produkte mit einer konventionellen Preisgestaltung der Markenbesitzer und des Handels. Die wahren Mehrkosten für Nachhaltigkeit fallen am Anfang der Wertschöpfungskette vor allem in der Produktion an. Sie machen aber nur einen geringen Teil des Endpreises aus, oftmals im schmalen Bereich von 10 %. Jenseits der erhöhten Produktionskosten kommen noch Zertifizierungsaufschläge für Ökolabels und Volumenaufschläge hinzu, da nur kleinere Mengen produziert werden.
Die Kosten für Zertifizierungen sind mit ca. 5 % der Aufschläge relativ niedrig. Der größte Anteil des geforderten Mehrpreises entfällt dagegen auf umgelegte Allgemeinkosten sowie auf Branding und die relativen Gewinnmargen der Markenbesitzer sowie Groß- und Einzelhändler. Der größte Mehrpreis für Nachhaltigkeit stammt demzufolge aus Schritten, die gar keinen oder nur sehr geringen Einfluss auf die Nachhaltigkeit haben, während der Teil der Wertschöpfung, der den größten Einfluss auf die Nachhaltigkeit der Artikel hat, in der Regel die Produktion, den geringsten Anteil an den Endproduktkosten hat.
„Markenbesitzer wie auch die Händler entlang der Wertschöpfungskette könnten die Aufschläge für nachhaltige Produkte so berechnen, dass sie von mehr Verbrauchern akzeptiert werden“, appelliert Kearney-Partner Gerhardt. „Mit zehn Prozent Preisaufschlag wären die Mehrkosten für eine nachhaltige Produktion abgedeckt und der Endpreis würde sich nicht wie heute vervielfältigen. Davon profitierten nicht nur die Kundinnen, Kunden und Unternehmen, sondern auch die Umwelt.“