Ziviltechniker geben Auskunft über erwartete Umsatzeinbußen und Auswirkungen auf laufende Bauprojekte.
Die Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen hat innerhalb der Berufsgruppe der Architekten und Zivilingenieure eine Umfrage durchgeführt, um aus der Corona-Krise resultierende Engpässe und Probleme der Büros und ihrer Mitarbeiter zu identifizieren. Schwerpunkte der Umfrage sind die Auswirkungen der Krise auf die wirtschaftliche Situation der Unternehmen, die Ausführung von laufenden und zukünftigen Projekten sowie die Arbeitssituation im Unternehmen und auf der Baustelle.
Die Umfrage wurde in kürzester Zeit von etwas mehr als 1000 ZT beantwortet. Knapp mehr als die Hälfte davon sind dem Bereich Architektur, die andere dem Zivilingenieurwesen zuzuordnen.
Rudolf Kolbe, Präsident der ZT-Bundeskammer: „Eine Schlüsselqualifikation der ZiviltechnikerInnen ist, dass sie im Dienste des Allgemeinwohls Lösungen auch in schwierigsten Situationen entwickeln. Das Ergebnis unserer Umfrage und
die enorm hohe Teilnehmerzahl zeigt das Engagement unserer Mitglieder.“
Starke Arbeitgeber
Trotz erwarteter Umsatzeinbußen durch die Corona-Krise, die 79% der Antwortenden erwarten, ist wohl eines der erfreulichsten Signale, dass Kündigungen bisher sehr selten als Maßnahme ergriffen (7%) wurden und etwa nur 22% diese für die Zukunft, aber in Abhängigkeit von der Dauer der Krise, erwägen.
Als Gründe hierfür werden häufig angegeben, dass die Akquise von neuen Aufträgen derzeit schwerer durchführbar sei. Außerdem komme es vermehrt zur Einstellung von geplanten Projekten durch Kunden. 31% geben an, dass ihr Unternehmen von Kurzarbeit betroffen ist, 23% erwägen die Beantragung von Kurzarbeit.
Weniger betroffen als andere?
Ein vorsichtig positives Signal: 80% der Rückmeldenden halten eine Liquiditätssicherung des Unternehmens aktuell für nicht erforderlich. Einen starken Rückgang der Aufträge erwarten 66% durch private Auftraggeber, 46% durch öffentliche Auftraggeber.
Bei 29% haben private Auftraggeber und bei 9% öffentliche Auftraggeber angekündigt, offene Honorare nicht innerhalb des sonst üblichen Zeitraums zu begleichen.
Aus den Kommentaren zu diesem Punkt geht aber gleichzeitig hervor, dass die Zuversicht betreffend die Liquidität des Unternehmens sehr wohl davon abhängt, wie lange die Krise noch andauert.
Bild: „Technische Berufe, wie jene der Planerinnen und Planer, sind Mangel-Berufe. Daher versuchen unsere KollegInnen auch in Krisensituationen alles, um ihren MitarbeiterInnen den Arbeitsplatz zu erhalten. Die Umfrage zeigt aber auch deutlich, dass Ziviltechnikerinnen und Ziviltechniker auf die Zahlungspünktlichkeit ihrer Auftraggeber, im Speziellen der öffentlichen Hand, angewiesen sind“, warnt Bundeskammerpräsident Kolbe.
Verzögerung durch geringe Digitalisierung?
In der Zusammenarbeit mit Gemeinden und Behörden führt eine längere Bearbeitungsdauer bei 76% (betreffend Behörden), bzw. 70% (betreffend Gemeinden) zu Projektbehinderungen – z.B. durch Verzögerung bei Bescheiderstellungen, Verhandlungen, Projektbearbeitungen oder Gutachten durch Amtssachverständige.
Die ZT-Kammer sieht hier Handlungsbedarf: „Aufgrund der teilweise noch fehlenden Digitalisierung laufen die Projekte hier holpriger als es sein müsste“, skizziert Kolbe das Problem.
Die Digitalisierungsbestrebungen seitens der Kammer und der Behörden der letzten Jahre, so Kolbe, waren ein erster Schritt in die richtige Richtung. Jetzt haben wir eine Krise, die den Ruf nach Digitalisierung verstärkt: Kontaktlose Kommunikation, die aber dennoch Rechtssicherheit bieten muss, ist wichtiger denn je.
„Für mich ergibt sich daraus der klare Auftrag, die digitale Kommunikation zwischen ZT und Behörden noch mehr zu forcieren, als wir es bisher schon getan haben. Ziel muss es sein, dass ein Umschalten auf digitale Kommunikationswege keine Projektverzögerungen herbeiführt “, kündigt Kolbe an.
Die Kammer kann hier bereits auf Erfahrungen aufbauen: Gemeinsam mit dem Bundesland Kärnten hat sie vergangenes Jahr eine neuartige Anwendung ins Leben gerufen. Diese ermöglicht es Behördenverfahren digital zu beantragen und passgenaue Datenpakete direkt in den ‚Elektronischen Akt‘ (ELAK) der jeweiligen Behörde einzuspeisen. „Dieses Pilotprojekt wird uns den nötigen Vorsprung verschaffen, um zukünftigen Krisen gelassener entgegenblicken zu können“, ist sich Kolbe sicher.
Beeinträchtigung von Projekten
72% geben an, dass ihre Arbeiten aufgrund aktueller Baustopps der Auftraggeber oder der ausführenden Unternehmen (69%) nicht fortgesetzt werden. Zu Vertragskündigungen seitens der Auftraggeber sei es jedoch nur bei 9% gekommen.
Pönalforderungen (4%) und Schadensersatzforderungen seitens der Auftraggeber wurden bisher nur bei unter 3% der Betriebe gestellt.
Bei 70% kam es zu einer Verschiebung des Projektbeginns durch Auftraggeber. Auftragsverzögerungen würden zudem häufig (77%) durch die eingeschränkte Erreichbarkeit von EntscheidungsträgerInnen entstehen. 65% sehen Lieferengpässe bei ausführenden Unternehmen als Grund für Projektbehinderungen.
33% geben an, dass ausführende Unternehmen Mehrkostenforderungen angemeldet haben. Probleme und Projektverzögerungen entstehen laut den Mitgliedern der ZT-Kammern aufgrund der schwierigen Durchführung interdisziplinärer Planungsprozesse und laufendem Informationsaustausch (62%) sowie notwendiger Arbeitsschritte, wie Kolloquien, Jurysitzungen oder Vor-Ort-Besichtigungen (70%). Zu verminderter Arbeitsleistung im eigenen ZT-Büro durch Personalmangel oder Personalkapazitäten komme es bei 45%.
Arbeitssituation und Hygienemaßnahmen
Die Einhaltung des Sicherheitsabstands von einem Meter sowie die notwendigen Hygienemaßnahmen am Arbeitsplatz, also in den Büros, einzuhalten hält die überwiegende Mehrheit für unproblematisch. Die notwendige IT-Infrastruktur für Online Meetings und Videokonferenzen sehen 85% als jederzeit gegeben. 77% geben an, ihren Mitarbeitern die notwendige IT-Hardware auch im Home-Office zur Verfügung stellen zu können. Den Koordinationsaufwand innerhalb des ZT-Büros durch die Umstellung auf Home-Office sehen 71% als erhöht an. 77% geben an, dass die Produktivität der Arbeitsleistung innerhalb des ZT-Büros durch die Umstellung auf Home-Office vermindert ist. 66% sehen einen Effektivitätsgewinn dadurch, dass viele Meetings virtuell abgehalten werden können.
Know-how zur Verfügung
Staatlich befugte und beeidete Ziviltechniker sind natürliche Personen, die freiberuflich auf ingenieur- oder naturwissenschaftlichen Fachgebieten tätig sind. Da Ziviltechniker zu keiner ausführenden Tätigkeit berechtigt sind, orientieren sich ihre geistigen und kreativen Leistungen ausschließlich an der bestmöglichen Planung für die Auftraggeber und deren optimaler Beratung. Sie decken ein weites Betätigungsfeld ab: von der Architektur, über technische Chemie, Maschinenbau, Kulturtechnik und Wasserwirtschaft, Bauwesen, IT, Umwelttechnik sowie Vermessungswesen bis hin zur Raumplanung.
Im Zuge einer offenen Frage, haben wir um Rückmeldung gebeten, welchen Beitrag ZT für das Gemeinwohl leisten können, um die Covid-19-Krise und deren Auswirkungen gemeinsam zu meistern.
Dabei ist sich ein Großteil derer, die geantwortet haben einig: Sie erachten die gesetzten Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des Virus als richtig und wichtig und möchten diese vollends unterstützen. Als gutes Beispiel wollen hier viele fungieren und so viele Mitarbeiter wie möglich halten.
Viele sehen auch einen besonders wichtigen Beitrag darin, den sicheren Betrieb auf Baustellen zu überwachen und somit dafür Sorge zu tragen, dass die Bauwirtschaft nicht völlig zum Erliegen kommt.
Etliche Kommentare behandeln den Wunsch der Ziviltechniker, ihr Know-how zur Verfügung stellen zu wollen. Konkrete Beispiele waren die Hilfestellung bei provisorischen Adaptierungen von Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen (z. B. Adaptierungen von KH-Bereichen als provisorische Intensivstationen) für die Aufnahme von COVID-19-Patienten oder auch bei der Verbesserung von Infrastruktur wie 5G, Lichtleiterkabel, usw. damit Home-Office auch in Krisenzeiten funktionieren kann.
Die abgegebenen Kommentare der Teilnehmer zeigen auf, dass die ZT vor allem der öffentlichen Hand, wie Bund, Ländern und Gemeinden mit ihrem Wissen betreffend die Fortsetzung von aktuellen Projekten gerade in der Krise unter die Arme greifen wollen.
„Die Wiederbelebung des Bausektors als eine der Säulen unserer Wirtschaft ist ein wichtiger Schritt, um den wirtschaftlichen Schaden der Krise so gering als möglich zu halten. Die Umfrage hat deutlich gezeigt, dass die ZiviltechnikerInnen bereit sind, das Ihrige dazu beizutragen“, betont Kolbe.