Beschäftigung, Artenvielfalt und Wohlstand für eine nachhaltige Wirtschaft waren die zentralen Diskussionsthemen beim»Rohstoff Symposium 2019« am 7. Mai in Wien.
Die Branche und ihre Unternehmen leisten einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft und für die Versorgung mit den wichtigsten mineralischen Ressourcen für die Wirtschaft. Effizienz ist dabei der Schlüssel für beides: für die Umwelt und für den unternehmerischen Erfolg.
Das Forum Rohstoffe hatte am 7. Mai zu einer prominent besetzten Fachveranstaltung ins Palais Niederösterreich eingeladen, der über 150 Interessierte – Branchenvertreter, Wissenschafter, Schüler und Lehrende – folgten. Im Brennpunkt der Vorträge und Gespräche: die Zukunft einer für Mensch, Umwelt und Wirtschaft nachhaltigen Rohstoffgewinnung. Forum-Geschäftsführer Robert Wasserbacher begrüßte Bundesministerin Elisabeth Köstinger vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus und Nationalratsabgeordneten Karlheinz Kopf, Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich.
Bild oben: »Wir brauchen in Österreich ausreichende mineralische Ressourcen, um für die Zukunft gerüstet zu sein«, unterstreicht Elisabeth Köstinger. »Wir sollten wieder mehr regional verfügbare Rohstoffe nutzen, dazu brauchen wir eine Vereinfachung bei den Genehmigungsverfahren«, betont WKO-Generalsekretär Karlheinz Kopf.
Köstinger ging in ihrer Eröffnungsrede auf die Herausforderungen der Rohstoffgewinnung in Österreich hinsichtlich des Bedarfs und der Nutzung mineralischer Rohstoffe ein. Und sie betont die Regionalität und örtliche Verbundenheit der Branche. »Das Forum Rohstoffe und seine Mitglieder sind Pioniere der Nachhaltigkeit. Die Bestrebungen der Branche hinsichtlich kurzer Transportwege und CO2-Reduktionen tragen zum Erreichen der gesetzten Klimaziele Österreichs bei und machen Klimaschutz aktiv angreifbar«, so Köstinger.
Die Gewinnungsstätten der Betriebe würden zudem auch ökologische Aufgaben übernehmen. So sind Steinbrüche, Sand- und Kiesgruben auch für die Biodiversität entscheidend. »Auch der Nachhaltigkeitspreis, der bereits zum vierten Mal vom Forum Rohstoffe vergeben worden ist, zeigt, wie in Österreich mit gutem Beispiel vorangegangen wird«, so die Umweltministerin. Baurohstoffe sind die grundlegenden Elemente, die wir auch für die Gestaltung unserer Zukunft brauchen, so Köstinger weiter. So liefern mineralische Rohstoffe etwa das Fundament für den Ausbau von Windkraftanlagen in Österreich.
Mit dem Beschluss des Ministerrats der Erarbeitung einer integrierten Rohstoffstrategie werden nun erstmalig gemeinsam – Branche, Bundesländer und Bund – die Weichen für die Zukunft gestellt. Mit der integrierten Rohstoffstrategie wird die nachhaltige Versorgung mit Rohstoffen gesichert und der Ausbau einer Kreislaufwirtschaft integriert und ausgebaut – zur besseren Nutzung der Ressourcen in Österreich.
Bild oben: »Die Konjunkturentwicklung hat sich vom Rohstoffinput entkoppelt«, spricht Devin Bicer, Wirtschaftskammer, von einem stabilen Bedarf für mineralische Rohstoffe in Österreich. Alfred Riedl, Gemeindebund, referierte zu den Aufgaben der Bürgermeister.
»Ich bin davon überzeugt, dass eine integrierte Rohstoffstrategie auch den Anforderungen einer modernen Kreislaufwirtschaft gerecht werden kann. Für uns alle muss der sparsame, effiziente Umgang mit nicht-erneuerbaren Rohstoffen ein zentrales Vorhaben sein.« Ziel ist es nun, mit den Ressorts, den Sozialpartnern, der Wissenschaft und den Bundesländern ein Grünbuch dazu bis Ende des Jahres auszuarbeiten. Ebenso sind – um auch die Expertise aus der Praxis einzubinden – die Unternehmen eingeladen, daran mitzuwirken.
Wirtschaftskammer-Generalsekretär Karlheinz Kopf verwies darauf, dass eine wachsende Bevölkerung und ein steigender Wohlstand auch einen erhöhten Bedarf an Rohstoffen – etwa für Wohnraum- und Infrastrukturschaffung – mit sich bringen. Dennoch möchte niemand Rohstoffgewinnung in seiner Nähe haben. »Dieser ›Not in my Backyard‹-Zugang ist allerdings problematisch. Denn gerade bei schweren Rohstoffen ist es besser, die Transportwege kurz zu halten. Wir sollten daher ein entsprechendes Augenmaß bei Genehmigungsverfahren walten lassen«, sagt Kopf.
In der Abwägung aller Interessen – auch jener der unmittelbaren Umgebung – sollten vorhandene, regionale Abbaumöglichkeiten vor Ort genützt werden können. Die Bau- und Rohstoffbranche zähle jedenfalls zu den regionalen Nahversorgern unserer Gesellschaft. Sie stillt mit ihren Produkten die steigenden Grundbedürfnisse nach leistbarem Wohnraum und Infrastruktur. Die angekündigte integrierte Rohstoffstrategie impliziert für Kopf nicht nur »das Aufarbeiten einer Bedarfssituation«, sondern auch die »Kommunikation zur Bevölkerung, um Akzeptanz für dieses Thema zu schaffen«.
Bild oben: Thilo Juchem, UEPG, empfiehlt Unternehmen, die Öffentlichkeit zu informieren. Ronald Blab, TU Wien, lieferte Vorschläge für eine Anpassung des Kraftfahrgesetzes zur Optimierung von Rohstoff-Fuhren.
Umwelt und Wirtschaft müssen nicht im Widerspruch stehen – im Gegenteil. Viele Vertreter der Rohstoffbranche stammen aus kleineren und mittleren Unternehmen. Durch die Kenntnis der regionalen Strukturen, der Verbundenheit mit der Region und auch der Verankerung vor Ort in der Bevölkerung haben die Unternehmen direkte, kurze Kontaktwege zu den Menschen.
250.000 Arbeitsplätze sind direkt oder indirekt mit der Rohstoffbranche verbunden. »Über 100 Millionen Tonnen Sand, Kies, Naturstein und Industrieminerale – davon 80 % in der Bauwirtschaft eingesetzt – auch diese Informationen müssen im Rahmen der Rohstoffstrategie der Öffentlichkeit kommuniziert werden.«
Devin Bicer, wirtschaftspolitische Abteilung in der Wirtschaftskammer, zeigte anschließend die wirtschaftlichen und demografischen Entwicklungen im Kontext von Rohstoffen auf. Vor allem das Bevölkerungswachstum in Asien und Afrika werde in den kommenden Jahrzehnten für Umbrüche mit »gewaltigen Investitionen in diesen Wirtschaftsräumen« und für eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse sorgen.
Während die Bevölkerung Europas in den nächsten 20 Jahren um rund 17 Millionen auf 722 Millionen Menschen schrumpfen wird, bleibt der Bevölkerungsstand in Österreich stabil. Bereits heute leben global mehr Menschen in Städten als am Land. Die Urbanisierung werde sich weiter verstärken und entsprechende Rohstoffe benötigen. Dennoch hat sich die wirtschaftliche Entwicklung vom Rohstoffinput entkoppelt. Pro erwirtschaftetem Euro in Österreich sind immer weniger Rohstoffe nötig. Die deutliche Mehrheit des Mineralienverbrauchs im Inland wird durch den Abbau in heimischen Lagerstätten gedeckt. Nur ein kleiner Teil wird derzeit importiert.
Bild oben: Robert Holnsteiner, BMNT, präsentierte Branchenzahlen aus dem Montansektor. »Wir müssen unser Verhältnis zu den Stoffen in der Natur völlig neu denken«, plädiert Eva Horn, Universität Wien.
Lothar Benzel vom Industrieverband Stein und Erden Baden-Württemberg ging auf die Rohstofflage in der Bodenseeregion, insbesondere in Vorarlberg ein. Der Baurohstoffbedarf im westlichsten Bundesland beträgt rund vier Millionen Tonnen jährlich und entspricht damit gut zehn Tonnen pro Einwohner. Die regionale Gewinnung beträgt allerdings nur rund 2,75 Mio. Tonnen, mit dem Bereich Baugrubenaushub kommen weitere 0,75 Mio. Tonnen hinzu. Durch eine fehlende Rohstoffsicherung und schleppende Genehmigungsverfahren droht Vorarlberg ein gewaltiger Engpass. Einer Studie des Landes Vorarlberg zufolge kann die Branche ohne Neugenehmigungen mit nur noch 755.000 Tonnen Fördermengen in zehn Jahren rechnen.
»Gleichzeitig soll ein Hochwasserschutzprojekt installiert werden, das Wasserbausteine in sehr großen Mengen erfordert. Bedarf und Angebot passen eigentlich nicht zusammen«, so Benzel. Automatisch verlassen kann sich die Vorarlberger Bauwirtschaft auf den Ausgleich in der Region beileibe nicht: In Baden-Württemberg und Bayern regt sich der Widerstand der Bevölkerung gegen Abbaustätten und längere Transportwege. Durch die ohnehin schon geringe Zahl an Abbaustätten wird das kleinräumig geprägte Wegenetz der Region belastet. Die Branche bemüht sich nun um eine Versachlichung einer Diskussion. Benzel empfiehlt den Unternehmen, stets frühzeitig Vorhaben und Genehmigungsverfahren nach außen zu kommunizieren.
Robert Holnsteiner, Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, Sektion VI – Energie und Bergbau, ging auf den Baurohstoffbedarf und den weiteren Zeitplan der Ausarbeitung der integrierten Rohstoffstrategie ein. Für einen Meter Autobahn werden in etwa 33 Tonnen mineralische Rohstoffe benötigt. Für jeden Meter einer Brückenkonstruktion sind bis zu 85 Tonnen erforderlich, für hochrangige Straßen acht Tonnen, Gemeindestraßen und Güterwege fünf Tonnen, bis hin zu den Gehsteigen, die in etwa eine Tonne pro Meter konsumieren. Ein Einfamilienhaus benötigt durchschnittlich 440 Tonnen. In den etwa 1,7 Mio. Gebäuden in Österreich stecken 790 Mio. Tonnen mineralische Rohstoffe – eine durchaus beachtliche Zahl.
Bild oben: Für Gábor Wichmann (li.), BirdLife, stehen Umwelt und Wirtschaft nicht im Widerspruch. Simon Hartl, Viadonau, sieht den Transportweg Donau weiter ausbaufähig.
Ronald Blab, Dekan für Bauingenieurwesen an der Technischen Universität Wien, präsentierte eine Untersuchung des Instituts für Verkehrswissenschaften zu optimalen Straßentransporten von mineralischen Rohstoffen, Erzeugnissen und Baumaterialien in Bezug auf Gesamtgewichte. Fazit: Ein höherer Beladungsgrad und Gesamtgewicht, als derzeit vom Kraftfahrgesetz geregelt, würde Straßen geringfügig stärker belasten, insgesamt aber die durchschnittlichen Fahrleistungen und damit auch Emissionen stark reduzieren. Blab rechnete Effizienzen für zwei Szenarien – eine zehn- und eine zwanzigprozentige Erhöhung des Gesamtgewichts – vor, mit dem Ergebnis: Die Fahrleistungen würden bei der Zehn-Prozent-Erhöhung um 10,2 % respektive 67,5 Mio. km reduziert werden können.
Das geringere Transportaufkommen würde eine klimafreundliche Reduktion des Dieselverbrauchs von 10,7 Mio. Liter jährlich bedeuten. Bei Fahrzeugen mit schweren Aufbauten wie Kran, Greifer oder Kipper bedeutet die Erhöhung eine Ersparnis von immerhin noch 22,8 Mio. km jährlich. Der Clou: Für eine Erhöhung des zulässigen Gesamtgewichts um zehn Prozent müssten lediglich Sonderbestimmungen, die seit vielen Jahren für den Milchtransport und den Transport von Rundholz gelten, auf die Rohstoffbranche ausgeweitet werden.
Bild: Christian Haeser (li.), MIRO, bittet um sachliche Diskussion bei Genehmigungsverfahren.
Wie werden natürliche Materialien wie Sand, Holz oder Erdöl zu Rohstoffen? Und wie werden aus diesen Rohstoffen Ressourcen, die unsere wirtschaftliche und technologische Entwicklung ermöglichen? Eva Horn, Universität Wien, beschäftigte sich in ihrem Vortrag »Nachhaltigkeit im Anthropozän« mit grundsätzlichen Fragen zu Rohstoffen und Ressourcen – und welche Rolle diese heute in diesem vom Menschen geprägten Zeitalter spielen. »Im Anthropozän, wo der Mensch zu einer planetarisch wirksamen Kraft geworden ist, müssen wir unser Verhältnis zu den Stoffen in der Natur völlig neu denken«, warnt Horn vor Kipppunkten, die unsere Welt unumkehrbar verändern werden.
Forums-Vorstandsvorsitzende Ursula Huber-Wilhelm, Geschäftsführerin Welser Kieswerke Treul, argumentiert für vom Menschen gemachte Gewinnungsstätten auch aus ökologischer Sicht. »Eine renaturierte Sandgrube bietet oft einen wesentlich höheren Artenreichtum als die ursprüngliche Landschaft – wenn zuvor monokulturelle Landwirtschaft betrieben wurde. Auf unseren höherwertigen Flächen sind Wildbienen und viele andere Insekten oder auch wieder der Bienenfresser und in Steinbrüchen Uhus zu finden. Wir stehen an der Schwelle einer massiven Veränderung des Weltklimas, können aber noch reagieren. Ich rufe jedenfalls alle auf, einen Beitrag zu leisten. Auch unsere Branche hat die Möglichkeit dazu.«
Ein Podiumstalk schloss den spannenden Veranstaltungstag zu den Herausforderungen Raumordnung und Raumplanung für Bund, Land und Gemeinden ab. Alfred Riedl, Präsident des Gemeindebundes, Thilo Juchem, Präsident der UEPG European Aggregates Association, Christian Haeser, Geschäftsführer des deutschen Bundesverbandes mineralische Rohstoffe MIRO, BirdLife-Geschäftsführer Gábor Wichmann und Simon Hartl, Teamleitung Transportentwicklung von Viadonau, diskutierten die Sicherung von Rohstofflagerflächen aus europäischer Sicht und wie Rohstoffgewinnungsbetriebe und Gemeinden den Versorgungsauftrag im Einklang mit Natur und Anrainern erfüllen können.