Drei Jahre lang stand der Arten- und Lebensraumschutz in Rohstoffgewinnungsbetrieben im Mittelpunkt eines gemeinsamen Projekts von BirdLife und dem Forum mineralische Rohstoffe. An 30 Standorten in Niederösterreich wurden Schutzmaßnahmen umgesetzt. Ausgebildete Naturvermittler stehen für Exkursionen zur Verfügung.
Was zunächst wie ein Widerspruch klingt, ergänzt sich bei näherer Betrachtung ideal: Rohstoffgewinnung und Naturschutz. Steinbrüche, Sand- und Kiesgruben können wertvolle Lebensräume für Pflanzen- und Tierarten sein, die in landwirtschaftlich genutzten Breiten kaum noch zu finden sind.
2016 startete das Forum mineralische Rohstoffe gemeinsam mit BirdLife eine vielbeachtete Kooperation. Im Rahmen des von EU und Land NÖ geförderten Projekts »Arten- und Lebensraumschutz in Rohstoffgewinnungsbetrieben in Niederösterreich« galt es, »Überlebensräume« für bedrohte Fauna und Flora zu schaffen und mit der nachhaltigen Nutzung von Ressourcen in Einklang zu bringen.
Im Frühjahr 2019 fand das Projekt seinen Abschluss. Die erfreuliche Bilanz: In 30 Gewinnungsstätten konnten zum Teil umfassende Schutzmaßnahmen umgesetzt werden. Seltene Arten wie die Watvögel Triel und Flussregenpfeifer, Wandbewohner wie Uhu, Uferschwalbe und Bienenfresser, Trockenheit liebende Pflanzen sowie Eidechsen, Lurche, Schmetterlinge, Libellen, Heuschrecken und Wildbienen haben sich in Abbaustätten angesiedelt.
Diese und viele andere heimische Tiere waren früher sehr verbreitet, ihr Bestand geht jedoch seit Jahren stark zurück. Aufgrund der fortschreitenden Verbauung geht viel Lebensraum rund um die Städte verloren.
Bild oben: Naturvermittler schaffen bei Exkursionen in rohstoffgewinnenden Betrieben Bewusstsein für den Schutz gefährdeter Tiere und Pflanzen.
Durch die Regulierung von Gewässern trocknen Feuchtwiesen aus. Durch die fehlende Dynamik der Flusslandschaften entstehen keine Steilufer mehr, an denen viele Vogelarten ihre Brutplätze hatten. Viele Wiesen verkommen zu »ökologischen Wüsten«, die jegliche Biodiversität vermissen lassen. Oftmals wird gemäht, bevor sich Blüten und Samen bilden – die Blumen verschwinden, Insekten finden keine Nahrung, in weiterer Folge fehlt sie somit auch den Vögeln.
Große Hebelwirkung
BirdLife Österreich ist die nationale Vertretung der 1922 gegründeten Organisation BirdLife International, eines weltweit renommierten Vogelschutz-Netzwerks. »Wir freuen uns, dass wir als Experten herangezogen werden und mit Partnern zusammenarbeiten können, die eine große Hebelwirkung in ihrem Sektor haben«, erklärt Projektkoordinator Christof Kuhn. In der Kooperation mit dem Forum mineralische Rohstoffe sieht er ein positives Signal für das Umwelt- und Verantwortungsbewusstsein der Rohstoffgewinnungsbranche.
Das ambitionierte Projekt wurde in drei Phasen abgewickelt. Zunächst nahmen Ökologen die Kartierung der Gewinnungsstandorte vor. Schutzwürdige, für den jeweiligen Lebensraum typische Tier- und Pflanzenarten wurden ausgewählt und mittels Steckbriefen vorgestellt. Zu Beginn erklärten sich 13 Unternehmen aus der Rohstoffbranche bereit, sich mit 20 Standorten in Nieder-
österreich am Projekt zu beteiligen. Die Begehungen fanden im Sommer und Herbst 2017 statt, wobei einige Maßnahmen bereits geplant und teilweise umgesetzt wurden. Häufig ging es um die Erhaltung und Pflege von Kleingewässern, den Schutz von Uhu-Brutnischen, die Errichtung von Stein- und Sandhaufen, Geröllhalden und Sandsteilwänden und die Anlage von Löss- und Schotterrasen. Wirkungsvolle und leicht zu bewerkstelligende Maßnahmen sind das Entfernen von Gehölzen und das Abschieben von Humus, um magere Trockenstandorte für Reptilien und Insekten zu erhalten.
2018 konnten weitere Betriebe für die Kartierung gewonnen werden. Bei Bedarf wurden Lösungen mit Behördenvertretern auf Landesebene gesucht. BirdLife und das Forum mineralische Rohstoffe unterstützten die teilnehmenden Unternehmen betreffend Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit. Der Bereich Umweltbildung stand im Mittelpunkt der dritten Phase. In Workshops wurden sogenannte »Naturvermittler« ausgebildet, die sich intensiv mit der Bedeutung von Steinbrüchen, Sand- und Kiesgruben als Sekundärhabitate auseinandersetzen.
Diese Fachleute stehen ab sofort für Exkursionen zur Verfügung, um Interessierten die Hintergründe des Themas Rohstoffgewinnung näherzubringen. Bei Besuchen von Abbaustätten können sie das Tätigkeitsfeld rohstoffgewinnender Betriebe sowie die
geologischen und ökologischen Gesichtspunkte dieses speziellen Lebensraums kennenlernen.
Koexistenz möglich
Die Renaturierungsmaßnahmen erfolgen zum Teil in bereits stillgelegten Lagerstätten. Bewährt hat sich jedoch ein umfassendes Konzept, das bereits mit der Bewilligung oder Erweiterung des Abbaus zu laufen beginnt. Der Betrieb in den Gewinnungsstätten stört die Tierwelt nämlich nur bedingt. Viele Tiere sind an Veränderungen ihres Reviers gewöhnt und passen sich an die betrieblichen Aktivitäten an. Zur Nahrungssuche fliegen Vögel und Insekten beispielsweise andere Stellen an, die weniger frequentiert sind. Achten die betroffenen Unternehmen darauf, ist eine Koexistenz durchaus möglich. Nester, in denen gebrütet wird, können beispielsweise durch Absperrbänder gekennzeichnet und für die wenigen Wochen Brutzeit von Baggern und Lkw umfahren werden.
Einige Unternehmen nahmen das Projekt zum Anlass für ein umfassendes Naturschutzkonzept. Die Rohrdorfer Gruppe, österreichischer Marktführer bei Transportbeton und Gesteinskörnungen, unternahm mit BirdLife Österreich besondere Anstrengungen, um die Ansiedelung von Wildvögeln auf den Firmenarealen zu fördern. Im Kieswerk Nussdorf ob der Traisen wird im Unterlauf des Flusses bereits seit Jahrzehnten Kies im Nassabbauverfahren gewonnen. Im Umfeld befinden sich mehrere »Landschaftsteiche«, die aus ehemaligen Abbaufeldern entstanden.
Nach einer ersten Begehung von Rohrdorfer-Geschäftsführer Bernd Wanivenhaus führte Werkleiter Martin Zündl mit den
Zoologen Werner Weißmair und Martin Pollheimer eine sorgfältige Kartierung und Erhebung der vorgefundenen Arten durch. Besondere Aufmerksamkeit galt dem Flussregenpfeifer, der – bei uns leider kaum mehr vorhandene – Schotterflächen am Rand von Flüssen bevorzugt. In Österreich findet er heute vor allem in Schottergruben geeignete Brutbedingungen vor. Er ist flexibel und gut an sich wandelnde Umgebungen, wie es Flusslandschaften früher waren, angepasst und brütet seine als Kies getarnten Eier auf vegetationslosen Schotterflächen aus. Wird eine Kiesbank durch Hochwasserereignisse als Brutplatz ungeeignet, sucht er sich in der Umgebung eine neue Kiesbank.
In Abstimmung mit den Behörden wurden Maßnahmen entwickelt, wie der Flussregenpfeifer langfristig auf den firmeneigenen Grundstücken im Steinfeld langfristig eine neue Heimat finden kann. Noch im Sommer 2017 liefen die Arbeiten an, bei Kontrollgängen im Herbst zeigten sich bereits anfängliche Erfolge.