Die letzte österreichische Rohstoffstrategie datiert aus dem Jahr 2012 und ist bis heute nicht in allen Bundesländern umgesetzt. Um unter den veränderten ökologischen Rahmenbedingungen die nachhaltige Gewinnung und Nutzung von mineralischen Rohstoffen zu sichern, braucht es einen nationalen Schulterschluss.
Jährlich werden in Österreich rund 100 Millionen Tonnen Sand, Kies, Schotter & Co verarbeitet. Zum Einsatz kommen sie für die Schaffung wichtiger Infrastruktur, die Erhaltung von Straßen und den Bau von Häusern. Andere Minerale werden in der Industrie z.B. für die Herstellung von Kunststoffen, Lacken und Pharmazeutika verwendet. Die Verfügbarkeit von Rohstoffen erscheint vielen als selbstverständlich, tatsächlich wird der Zugang zu Lagerstätten und die Gewinnung von Baurohstoffen immer schwieriger. Verbindliche Rahmenbedingungen und klare Regelungen durch die Raumordnung könnten Unternehmen und Anrainern gleichermaßen Sicherheit geben.
In den Jahren 2002 bis 2010 wurden vom Wirtschaftsministerium im Österreichische Rohstoffplan detaillierte Grundlagen und Auswertungen zur Mineralrohstoffversorgung erarbeitet und anschließend den Bundesländern überantwortet. Diese sind gemäß der Bundesverfassung für Raumordnung zuständig und sollten auf Basis des Rohstoffplans die konfliktfreie Gewinnung mineralischer Rohstoffe gewährleisten. Der Zugang zu den örtlichen Lagerstätten wäre somit langfristig garantiert und die nötigen Rohstoffe für die nachfolgenden Generationen gesichert. Leider erwies es sich offenbar als unmöglich, die neun unterschiedlichen Raumordnungsgesetze nach diesem Masterplan zu adaptieren. Bis heute verfolgt jedes Bundesland eine eigene Strategie – nicht immer mit zufriedenstellenden Ergebnissen.
Bild: Franz Maier, Energie- und Umweltagentur NÖ: »Es gibt im Naturschutzbereich weniger Konflikte mit NGOs und Anrainern als vor 20 Jahren.«
Im Frühjahr 2019 kündigte Elisabeth Köstinger, damalige Ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, bis zum Jahresende die Erarbeitung einer »Integrierten Rohstoffstrategie« an, in die Sozialpartner, Interessenvertretungen, Wissenschaft, Länder und andere relevante Zielgruppen eingebunden werden sollten. Die Neuausrichtung der Strategie folgt der Wertschöpfungskette und berücksichtigt die Themen Ressourceneffizienz, Forschung & Innovation sowie einen institutionalisierten Dialog zwischen den Stakeholdern. Im Zuge der innenpolitischen Turbulenzen und daraus folgenden Neuwahlen sind die diesbezüglichen Pläne verzögert.
Rückhalt für Entscheidungen
Mineralische Rohstoffe wie Sand, Kies und Naturstein sind für die nächsten Jahrzehnte in ausreichendem Maß vorhanden. Österreich kann seinen Bedarf an Baurohstoffen zu 100 Prozent aus heimischen Lagerstätten abdecken. An diese heranzukommen, ist freilich manchmal problematisch. Mitunter konkurrieren unterschiedliche Interessenten um die Nutzung eines Gebietes. So wurde beispielsweise in Mönchhof im Burgenland ein Windpark errichtet – unter dem Areal lagern jedoch wertvolle mineralische Rohstoffe, deren Abbau vor der Errichtung des Windparks durchaus sinnvoll und lohnend gewesen wäre. Laut Analyse der Geologischen Bundesanstalt (GBA) ist das quarzhältige Material für die Zementherstellung geeignet.
»Die Bedeutung von landeseigener Rohstoffgewinnung für eine nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung ist in der Öffentlichkeit nicht ausreichend präsent«, betont Robert Supper, GBA-Vizedirektor. »Hier ist Aufklärung notwendig, um politischen Entscheidungsträgern den Rückhalt in der Bevölkerung für ihre Entscheidungen zu geben. Denn: Mineralische Rohstoffe sind ein schutzwürdiges Gut.«
Die Bewilligung neuer sowie die Erweiterung bestehender Abbaustätten und Aufbereitungsanlagen sorgt mancherorts für Unmut bei der örtlichen Bevölkerung. Die Genehmigungsverfahren und die Prüfung der Umweltaspekte ziehen sich meist sehr lange hin – ein teures und aufwendiges Unterfangen für die Unternehmen. Die Kosten für ein UVP-Verfahren schlagen sich mit mindestens 500.000 Euro zu Buche. Mitunter wird länger verhandelt, als letztlich die Gewinnung der Rohstoffe dauert. Um die Belastung so gering wie möglich zu halten, werden kleinräumige Lagerstätten und kurze Transportwege angestrebt.
Bild oben: Karlheinz Kopf, WKO: »Wir sollten ein entsprechendes Augenmaß bei Genehmigungsverfahren walten lassen.«
Mittels moderner Technologien erfolgt die Gewinnung der Rohstoffe effizienter denn je. Die wirtschaftliche Bedeutung und die regionale Versorgung mit Baurohstoffen kommen in der öffentlichen Diskussion jedoch oftmals zu kurz. »Die nachhaltige Sicherung von Rohstoffen ist ein Thema, das alle betrifft«, betont Robert Wasserbacher, Geschäftsführer des Forums mineralische Rohstoffe.
Wie zahlreiche, mit dem Nachhaltigkeitspreis prämierte Projekte zeigen, ist eine Koexistenz von Natur und Wirtschaft durchaus möglich. In stillgelegten Rohstoffgewinnungsstätten entstehen Lebensräume mit hoher Artenvielfalt. Auch die Rohstoffbranche hat dazugelernt und nimmt ihre gesellschaftlichen Verpflichtung zum Umwelt- und Klimaschutz ernst. Wo bereits im Vorfeld aktiv die Kommunikation mit der Bevölkerung gesucht wird, sind die Widerstände erfahrungsgemäß gering. Kooperationen mit Vertretern von NGOs und Bürgerinitiativen stellen die umweltverträgliche Gewinnung und Verarbeitung der Rohstoffe sicher. Wie Franz Maier von der Energie- und Umweltagentur Niederösterreich bestätigt, hat sich das Verhältnis deutlich entspannt: »Es gibt im Naturschutzbereich wesentlich weniger Konflikte mit NGOs und Anrainern als vor 20 Jahren.«
Veränderte Vorzeichen
Ist die regionale Versorgung nicht mehr gewährleistet, müssen die Rohstoffe aus dem benachbarten Ausland bezogen werden. Neben dem Schaden für die heimische Wirtschaft fallen zudem höhere Transportkosten an, die sich letztlich auf die Baustoffpreise niederschlagen – von der stärkeren CO2-Belastung einmal abgesehen.
Allein in Wien entstehen gegenwärtig rund 10.000 neue Wohneinheiten jährlich, um den starken Bevölkerungszuwachs zu bewältigen. Die Bundeshauptstadt zählt damit in puncto Bautätigkeit zu den europäischen Spitzenreitern. Zusätzlich wird intensiv in die städtische Infrastruktur investiert. Die dafür benötigten Baurohstoffe stammen großteils aus Niederösterreich und dem Burgenland. Darüber hinaus ist Österreich als EU-Mitgliedsstaat der Rohstoffinitiative der Europäischen Kommission verpflichtet. Auch diese sieht eine möglichst dauerhafte Versorgung mit Rohstoffen aus regionalen Quellen vor.
Wie sich zeigt, spießt es sich in der Praxis seltener am Naturschutz als vielmehr an adäquaten Verkehrslösungen. Mit diesem Problem hat nicht nur die Rohstoffbranche zu kämpfen. Nahezu alle größeren Industriestandorte und Infrastrukturprojekte – ob Windräder, Mobilfunkmasten oder Einkaufszentren – müssen mit massiver Ablehnung der Bevölkerung rechnen. »Dieser ›Not in my backyard‹-Zugang ist problematisch, denn gerade bei schweren Rohstoffen ist es besser, die Transportwege kurz zu halten«, verweist Karlheinz Kopf, Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich, auf den stetig steigenden Bedarf an Rohstoffen. »Wir sollten daher ein entsprechendes Augenmaß bei Genehmigungsverfahren walten lassen.«
Die unterschiedlichen Entscheidungskompetenzen von Gemeinde, Land und Bund sind dabei nicht gerade hilfreich. In einigen Bereichen widersprechen die Verordnungen einander, rechtskräftige Bescheide werden mitunter aufgehoben und zusätzliche Gutachten angefordert. Selbst die Sicherung des Zugangs zu einer Abbaustätte ist noch keine Garantie für die Verfügbarkeit über das Grundstück. Hinzu kommt der eklatante Mangel an Amtssachverständigen.
Das Forum mineralische Rohstoffe hat als Interessenvertretung von 120 Rohstoffgewinnungsbetrieben Österreichs fünf zentrale Herausforderungen definiert: Verfahrenssicherheit, Lagerstättenschutz, Rohstoffbedarf, Gesetzgebung und Versorgungssicherheit. Vor allem Letztere könnte langfristig gefährdet sein, da die Umwidmung bzw. anderweitige Verwendung von Lagerstätten durch den Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz auf Gemeindeebene erfolgen kann, ohne die bundesstaatliche Strategie zu berücksichtigen. Politische und lokale Interessen sollten jedoch zugunsten einer übergreifenden Rohstoffsicherung hintanstehen.
Datenbestände vernetzt
Versiegelte Flächen sind auch in Deutschland ein vieldiskutiertes Thema. Die Versorgung mit mineralischen Rohstoffen wurde dort wie in Norwegen und Schweden in die Hände weniger Großunternehmen gelegt. Österreich verfolgt den Ansatz der regionalen Versorgung aus kleinräumigen Lagerstätten. In der Regel werden die Flächen nur temporär beansprucht und erfahren durch umfassende Renaturierungsmaßnahmen sogar eine Aufwertung. Da mit jeder Gewinnung mineralischer Rohstoffen jedoch Eingriffe in die Erdoberfläche und Natur verbunden sind, ergeben sich zwangsläufig gegensätzliche Nutzungs- und Rechtsansprüche, die dringend einer Klärung bedürfen.
Während auf politischer Ebene noch einige Hürden zu überwinden sind, hat in Wissenschaft und Wirtschaft bereits ein neues Zeitalter begonnen. Unternehmen sind bestrebt, die Gewinnung und Verarbeitung der Rohstoffe durch neue Methoden effizienter und umweltverträglicher zu gestalten.
Wissenschaftliche Einrichtungen liefern das dafür nötige Know-how. Technische Hochschulen treiben Digitalisierung und Automatisierung in der Branche in Hinblick auf Industrie 4.0 voran. Im Zuge eines dreijährigen Projekts aktualisierten und erweiterten Forscherinnen und Forscher der Geologischen Bundesanstalt das bestehende interaktive Rohstoffinformationssystem IRIS, um ein zukunftsorientiertes Instrumentarium für die Rohstoffvorsorge Österreichs zur Verfügung zu stellen. Die natürlichen Vorkommen von Kiesen, Sanden, Tonen und Natursteinen wurden nach geologischen Kriterien in Bezirke eingeteilt und beschrieben.
Zudem erfolgte ein Abgleich der Datenbestände der Bundes- und Landesdienststellen, um eine Verknüpfung und Harmonisierung der österreichweiten Datenebenen zu ermöglichen. Über die Webseite der GBA sind alle Informationen frei zugänglich. In Ergänzung zum Rohstoffplan wäre also eine praktikable Basis längst vorhanden – allein der Wille zur Umsetzung fehlt bisher.