Die Finanzkrise hat auch Privatbanken nicht verschont. In der Vermögensverwaltung soll mit neuen Strategien, Transparenz und intensiver Beratung das Vertrauen der Kunden wieder gewonnen werden. Eine Konsolidierung der Branche halten dennoch einige für wahrscheinlich.
Für Christian Ohswald, Leiter von Raiffeisen Private Banking Wien, herrscht »Rock’n’Roll«: »In der Branche sind derzeit signifikante Veränderungen im Gang. Klassische Vermögensverwalter werden sich künftig schwer tun.«
Die in Europa verwalteten Summen schrumpften im vergangenen Jahr deutlich. Die Gewinne aus der Vermögensverwaltung dürften sich seit 2007 bis heuer auf kumulierte sieben Milliarden Euro halbiert haben. Dazu kommt, dass einige Superreiche 40 bis 50 Prozent ihres Vermögens verloren haben. Kleinere und mittlere Anleger schauen inzwischen umso genauer, was eigentlich mit ihrem Geld passiert. Hohe Gebühren werden ebenso hinterfragt wie komplizierte Produkte, die Kunden ohne Wirtschaftsstudium kaum durchschauen können.
Kurskorrektur
Raiffeisen Private Banking hat dem Wunsch der Kunden nach mehr Transparenz Rechnung getragen und die bisherigen fünf Depotkonzepte auf drei reduziert sowie ein zweistufiges »Beratungs-Risikomanagement« eingeführt. Dabei werden die Risikopositionen laufend überwacht, bei Verlusten von minus 20 Prozent (Depotverlust ca. minus vier Prozent) erhält der Finanzberater eine Warnmeldung und kontaktiert den Kunden. Die individuelle Schmerzgrenze des Anlegers wird schon zu Beginn mithilfe eines standardisierten Fragebogens ausgelotet und bei Bedarf nachjustiert. Private-Banking-Leiter Ohswald nennt diese Einschätzung des subjektiven Chancen-Risiko-Empfindens »dynamische Kundenklassifizierung«.
Was man vor allem aus der Finanzkrise gelernt habe: Persönliche Wahrnehmungen können sich ändern. Denn Menschen, die zuvor noch von sich sagten, gerne Risiken in Kauf zu nehmen, entpuppten sich plötzlich als gar nicht mehr risikofreudig, sobald die Kurse abstürzten. »Bankern wird oft abverlangt, Prognosen über künftige Marktentwicklungen abzugeben – das ist Unsinn«, meint Ohswald, »auch ein Bergführer kann nicht mit absoluter Sicherheit sagen, wie in den nächsten drei Tagen das Wetter wird. Aber er ist dafür verantwortlich, dass die Gruppe die richtige Ausrüstung dabei hat. Und bei schönem Wetter wird der Mut etwas größer sein als bei dichtem Nebel.«
Skepsis angebracht
In der ökonomischen Großwetterlage sehen einige Optimisten bereits wieder teilweise den blauen Himmel durchschimmern. Vor allem die Börsen scheinen sich langsam zu erholen – ganz entgegen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, wo sich steigende Arbeitslosenzahlen inzwischen auf Rückgänge bei Konsumausgaben niederschlagen. »Wir haben eine teilweise Abkoppelung der Märkte, die Aktienmärkte zeigen im Gegensatz zur Realwirtschaft einen Aufwärtstrend. Das erste Quartal 2009 verlief bereits deutlich besser als das vierte Quartal 2008«, sagt Thomas Kleinhappl, Leiter des Asset Managements der Wiener Privatbank. »Aber es ist angebracht, nach wie vor zurückhaltend zu agieren.«
Die Wiener Privatbank präferiert deshalb weiterhin eine eher restriktive Strategie, die sich durch gute Performance und geringe Schwankungsbreite in den letzten Monaten bewährt hat. Die rund 11.000 Kunden mit über einer halben Milliarde Euro verwalteten Vermögens konnten fast zur Gänze gehalten werden, viele stockten ihr Depot sogar inzwischen auf. Kleinhappl sieht die konservative Philosophie bestätigt: »Die nachhaltige Sicherung und Mehrung des Vermögens ist aufgrund der Finanzkrise verunsicherter Kunden oberste Prämisse.« Für Kunden, die neben der Vermögenssicherung eine dynamische Veranlagung wünschen, wird ein Nebendepot eingerichtet, in dem es etwas risikofreudiger zur Sache geht.
Limitiertes Risiko
Das Bankhaus Sal. Oppenheim, seit seiner Gründung 1789 bereits in siebter Generation in Familienbesitz, vertraut auf den Oppenheim Total Return-Ansatz, eine Strategie, »die sich im Katastrophenjahr 2008 einmal mehr exzellent bewährt hat«, so Vorstandsmitglied Harald Friedrich. Das maximale Rückschlagspotenzial der Veranlagung wird damit limitiert, die Chance zu einem vorsichtigen Wiedereinstieg und einer Aktienaufbaustrategie mit Sicherheitsnetz bleibt aber gewahrt.
Waren im Herbst/Winter 2008 noch Staatsanleihen sehr attraktiv, zieht Friedrich nun Corporate Bonds vor: »Die extrem hohe Renditedifferenz von Unternehmensanleihen sehr guter Bonität zu Staatsanleihen bietet interessante Einstiegsniveaus.« Aus Gründen der Risikostreuung und der aktiven Überwachung rät der Oppenheim-Vorstand allerdings zu einem Investment im Rahmen eines Fonds.
Weitere Empfehlungen: internationale Blue Chips mit solider Bilanz und stabilem Cashflow, Teilschutzzertifikate (Protect Bonus), z.B. auf den EuroStoxx50 mit rund 20 Prozent Bonusrendite über die Laufzeit, sowie – für sehr konservative Anleger – kapitalgarantierte Indexzertifikate. Bei allem Augenmerk auf die Sicherheit muss der Zugriff auf einen Teil des Vermögens aber immer möglich sein: »Trotz der nunmehr unattraktiven Zinsen am Geldmarkt sollte noch ein Liquiditätspolster gehalten werden«, meint Friedrich.
Reale Werte
In der Regel steht im Private Banking die Erhaltung der Vermögenswerte im Vordergrund. Das bedeutet in der momentanen Marktsituation, »so diversifiziert wie möglich aufgestellt« zu sein und »die Assetklassen entsprechend zu gewichten«, so Thomas Kleinhappl von der Wiener Privatbank: keine Futures und Optionen, Minimierung der Zertifikate und Hedgefonds, dafür Festgeldveranlagungen, Rentenfonds, Wandelschuldverschreibungen und Unternehmensanleihen.
»Verstärkter Nachfrage erfreuen sich in Zeiten instabiler Finanzmärkte auch Gold und Immobilien«, sagt der Asset-Management-Experte. Reale Werte sind historisch als klare Gewinner aus der Krise hervorgegangen. Deshalb kommt auch die Wiener Privatbank diesbezüglich den Kundenwünschen entgegen. Ein Projekt mit Vorsorgewohnungen im 16. Bezirk in Wien wurde heuer bereits erfolgreich abgeschlossen, ein weiteres mit 65 Wohnungen im 6. Bezirk befindet sich in Planung. Auch Raiffeisen Wien hat heuer schon 80 Vorsorgewohnungen innerhalb kürzester Zeit verkauft.
Sollten die in Immobilien gebundenen Mittel – aus welchem Grund auch immer – rasch benötigt werden, könnte es jedoch problematisch werden. Diese Form der Geldanlage muss deshalb gut überlegt sein, denn ein plötzlicher Notverkauf bringt fast immer einen Wertverlust mit sich. Ähnliches gilt für Gold, das lediglich als Absicherung des Portfolios seine Berechtigung hat, als alleinige Form der Vermögensanlage aber ungeeignet ist, da es keine Zinsen abwirft und stark mit der jeweiligen Wirtschaftsentwicklung und dem Dollarkurs korreliert.
Dem Kundenwunsch wird dennoch, wenn auch mit Vorbehalten, entsprochen: »Goldbarren sind nicht die intelligenteste Art der Vorsorge, aber die Leute mögen das«, so Raiffeisen-PB-Chef Ohswald.
Konsolidierungswelle
Raiffeisen Private Banking wurde von »Elite-Report« und Handelsblatt 2009 zum zweiten Mal in die »Elite der Vermögensverwalter« gewählt. Diese Auszeichnung erreichten von insgesamt 348 getesteten Vermögensverwaltern und Privatbanken in Deutschland, Schweiz, Liechtenstein und Österreich nur 51 Häuser.
Besonders positiv bewertete die Jury, dass Raiffeisen die individuelle Vermögensverwaltung bereits ab 150.000 Euro anbietet. In diesem kleinvolumigen Segment sieht Christian Ohswald bereits leichte Erholung der Finanzmarktlage, für Klienten mit größerem Vermögen erwartet er »diese Normalisierung definitiv nicht innerhalb der nächsten drei Jahre«.
Das auf die Verwaltung sehr großer Vermögen spezialisierte Bankhaus Sal. Oppenheim erwartet, dass sich die »Tendenz zur Stabilisierung der Weltwirtschaft auf niedrigem Niveau« fortsetzt. Die traditionsreiche Privatbank kann »eine Historie in der Bewältigung von Krisenzeiten« aufweisen, so Vorstand Harald Friedrich. »Mit unserer konservativen Grundhaltung werden wir in diesen Zeiten als sicherer Hafen wahrgenommen.«
So konnten die »Verwerfungen an den Kapitalmärkten« im »letzten, sehr schwierigen Jahr« Anleger wie Banker nur wenig erschüttern: Die Zahl der Kunden stieg in Österreich und den ausländischen Standorten um rund zehn Prozent, der Neugeldzufluss um sieben Prozent netto. Trotzdem ist der Sturm in der Branche nur vorübergehend abgeflaut. Mit heftigem Gegenwind muss weiterhin gerechnet werden. Wie Sal. Oppenheim-Vorstand Friedrich, der für das Jahr 2009 von einer Marktkonsolidierung im Bereich der Vermögensverwaltung ausgeht, ist auch Raiffeisen-PB-Chef Ohswald von bevorstehenden Umwälzungen überzeugt. »Selbstkritische Reflexion« sei deshalb auch in den Privatbanken höchst an der Zeit. »Wie jede Krise wird auch diese dazu führen, dass einige Anbieter vom Markt verschwinden, andere aber gestärkt daraus hervorgehen«, meint Ohswald.
Hintergrund: Private Banking
Vermögensverwaltung (engl. Asset Management) war früher fast ausschließlich Privatbanken vorbehalten, die ihre Klientel unter den Reichen sowie Stiftungen fanden. Seit einigen Jahren wird diese ehemals elitäre Dienstleistung aber zunehmend auch von Investmentbanken, Sparkassen und Versicherungen für den betuchteren Mittelstand angeboten. Musste man bisher über ein doch beträchtliches Vermögen verfügen, ist man bei einigen Anbietern heute schon mit 100.000 Euro und darunter dabei. Eine wirklich individuelle Vermögensverwaltung, bei der das Veranlagungsvolumen von einem eigenen Berater betreut wird, spielt es allerdings erst von 300.000 Euro aufwärts. Für weniger Wohlhabende gibt es lediglich eine standardisierte Vermögensverwaltung, bei der man sich für eine bestimmte Risikoklasse entscheidet und alles weitere dem Berater überlässt.
Der persönliche Betreuer legt zunächst mit dem Kunden die Veranlagungsziele, Ertragserwartungen und die Risikotoleranz anhand seiner spezifischen Lebensplanung und Wünsche fest. Gemäß dieser Determinanten werden die Struktur und Ausrichtung des Portfolios gestaltet. Die Kunst der Vermögensverwaltung liegt nun darin, einen optimalen Mix aus Aktien, Renten, Immobilien und Liquidität zu finden, um das Vermögen langfristig zu sichern und möglichst zu vermehren. Regelmäßige Informationen durch den Betreuer sind selbstverständlich. Nachjustierungen des Portfolios, insbesondere bei einschneidenden Veränderungen der Finanzmarktlage, aber auch bei Änderung der persönlichen Anlageziele sollten jederzeit möglich sein.