Hydrogeothermale Wärme wurde in Österreich bislang hauptsächlich balneologisch – als direkte Warmwassernutzung in Thermalbädern – genutzt. Wien Energie startet nun das Forschungsprojekt GeoTief – mit dem Ziel, das Wiener Fernwärmenetz erneuerbarer zu gestalten.
»Neben der Dekarbonisierung des Stromsystems braucht es die CO2-Reduktion im Wärmemarkt«, leitet Michael Strebl, Geschäftsführer der Wien Energie, die Vorstellung des Projekts GeoTief Wien in der Seestadt Aspern ein. In Wien entfallen 40 % des Energiebedarfs auf die Wärmebereitstellung. Das Wiener Fernwärmenetz bietet beste Bedingungen für die CO2-Reduktion, denn dafür ist lediglich der Tausch der Energiequelle zu erneuerbar nötig. Aktuell sind Kraftwärmekopplung, Müllverbrennung und Industrieabwärme die Energiequellen. Bedeutendes Potenzial als erneuerbare Wärmequelle bietet das Medium Geothermie. Für Theresia Vogel, Geschäftsführerin Klima- und Energiefonds, bildet Geothermie einen zentralen Baustein der Wärmewende.
Forschungsprojekt
Bild oben: Der Drei-Tonnen-Metallkörper der Vibro-Trucks erzeugt entlang einer Messlinie mit der hydraulisch betriebenen Bodenplatte Schwingungen bis 6.000 Meter Tiefe. Die reflektierten Impulse werden von bis zu 20.000 Geophonen aufgezeichnet, sie erfolgen alle zwei Millisekunden. Daraus ergeben sich laut OMV Rohdaten von etlichen 100 TB.
Weltweit steigt die Erdwärmenutzung kontinuierlich bei Wärmeerzeugung und Stromproduktion. Neben Reykjavik, Island, wo nahezu 90 % aller Gebäude bereits geothermisch versorgt werden, sind weitere Vorzeigebeispiele auch München und Paris. In Österreich hat Geothermie für die Warmwasserbereitung dagegen bis auf einige Ausnahmeprojekte noch einen sehr geringen Stellenwert. Geologische Studien gehen nun davon aus, dass der Raum Wien und Umgebung durch seine Kalkstruktur über beträchtliches Potenzial aus tiefer Erdwärme verfügt. Wien Energie startet daher mit Partnern das Forschungsprojekt GeoTief Wien, das sich der Suche nach Heißwasserquellen zur energetischen Nutzung widmet. Dazu stellt Wien Energie fünf Millionen Euro aus dem internen Forschungsbudget bereit. Förderung erhält GeoTief Wien auch im Rahmen des Energieforschungsprogramms 2017 des Klima- und Energiefonds.
Bild oben: Für die Datenausarbeitung geht das GeoTief Wien-Team nach Großbritannien. »Die Rechenleistung gibt es auch bei uns, aber es braucht entsprechende Datenverarbeitungsprogramme«, betont Christian Prodinger, OMV-Projektleiter für Seismikmessung.
Über sechs bis acht Wochen werden Gebiete im Ausmaß von 175 km² im 2., 11. und 22. Wiener Bezirk sowie im angrenzenden Niederösterreich vermessen. Impulsfahrzeuge senden Schwingungen bis 6.000 Meter Tiefe. Je nach Gesteinsschicht trifft laut Christian Prodinger, Projektleiter Seismik bei der OMV, eine typische Reflektion die oberirdischen Sensoren. Daraus lässt sich ein präzises geologisches 3D-Modell des Untergrunds erstellen. Um die Messzeiten kurz zu halten, sind vier Messflotten mit je drei Fahrzeugen gleichzeitig unterwegs. Kritikern, die an den Fehlschlag 2005 in Aspern erinnern, erklärt Projektpartner OMV, dass heute eine völlig andere Technik zur Verfügung steht. »2005 hatte die beste digitale Fotokamera ein halbes Megapixel. Heute sind auch für den Privatgebrauch 20 bis 30 Megapixel Standard«, vergleicht Geschäftsführer Reinhard Oswald und nennt ein ähnliches Vermessungsprojekt vom Frühjahr 2018 im Weinviertel: »Gegenüber 2013 waren wir viermal schneller und effizienter. Es braucht keine Kabelstränge mehr, alles läuft wireless.« Die Bevölkerung habe positiv auf das Projekt reagiert. Positiv erleben alle Teilnehmer auch die Arbeit eines Impulsfahrzeuges – als angenehme, dezente Fußmassage. Einige Meter entfernt sind die Schwingungen bereits nicht mehr spürbar – ausschlaggebend für den Gebäudesektor.
Wärme aus der Tiefe
Je tiefer man in das Innere der Erde vordringt, desto wärmer wird es. Die Temperatur nimmt um rund 3 °C pro 100 Metern Tiefe zu. Bei der hydrothermalen Geothermie werden bei einer Bohrung wasserführende Gesteinsschichten im tiefen Untergrund direkt erschlossen. Das im Gestein enthaltene Thermalwasser wird aus oft mehreren tausend Metern Tiefe an die Oberfläche gefördert. Dort wird mit einem Wärmetauscher dem Heißwasser die Wärmeenergie entzogen und etwa in ein Fernwärmenetz gespeist. Über eine zweite Bohrung wird das abgekühlte Wasser wieder zurück in die Tiefe geleitet. Mit der Rückführung des abgekühlten Wassers entsteht ein erneuerbarer Energiekreislauf – die Wärme aus der Tiefe ist praktisch unerschöpflich.