Sonntag, Juli 21, 2024
"Offen für Neues"
Foto: Sberbank Europe /Schedl

Finanzgeschäfte werden immer häufiger online abgewickelt. Filialen haben dennoch ihre Berechtigung, meint Sonja Sarközi, CEO Sberbank Europe. Datensicherheit hat höchste Priorität.

(+) plus: Laut der aktuellen »Open Banking«-Studie von A.T. Kearney würden 41 % der Österreicherinnen und Österreicher ihre Finanzdaten mit einem Drittanbieter teilen, wenn so ihre Steuern oder Sozialleistungen automatisch verwaltet werden könnten. Jeder Dritte würde auch Gas-, Strom- und Mobilfunkrechnungen auf diesem Weg abwickeln. Könnte tatsächlich so die Bank der Zukunft aussehen?

Sonja Sarközi: Menschen sind heute mobil, vernetzt und nahezu ständig online. Wir buchen Reisen im Internet, bestellen unsere Bücher übers Smartphone und reservieren online einen Tisch in unserem Lieblingsrestaurant. Klarerweise wollen wir auch unsere Bankgeschäfte online erledigen, egal wann und wo. Die Bank der Zukunft wird Kundenbedürfnisse abdecken, die über das traditionelle Banking hinausgehen. Kundenerwartungen zu antizipieren und darauf aufbauend klar verständliche und online buchbare Produkte anzubieten, ist einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren für die Zukunft.

(+) plus: Sie kommen aus dem Retailgeschäft und haben die Direktbank easybank aufgebaut. Sind Filialen in der heutigen Zeit völlig überflüssig?

Sarközi: Filialen spielen nach wie vor eine große Rolle. Es kommt auf den richtigen Mix zwischen digitalem Angebot und Filialpräsenz an. Kunden, die eine persönliche Beratung suchen, werden nach wie vor unsere Filialen aufsuchen können.
Jene, die ihre Bankgeschäfte lieber online erledigen, können unsere Produkte und Services online erhalten. Wir wollen in unseren Märkten eine ausgewogene Kombination aus digitalen und stationären Angeboten anbieten.

(+) plus: Sehen Sie die zurzeit aufstrebenden Fintechs als ernsthafte Konkurrenz zu traditionellen Banken?

Sarközi: Fintechs haben meist den Vorteil, nicht denselben regulatorischen Vorgaben unterworfen zu sein und sie haben keine über Jahre aufgebauten, oft bürokratischen internen Strukturen. Dadurch sind sie flexibler und oft schneller, wenn es darum geht, neue Services auf den Markt zu bringen. Andererseits muss das wertvolle Kundenvertrauen erst gewonnen werden. Das ist jahrelange Aufbauarbeit, wo klassische Banken den Fintechs einiges voraushaben.

(+) plus: Sie waren selbst vier Jahre als Trainerin im Ausbildungszentrum der Bawag tätig. Welche Kompetenzen müssen Bankangestellte heute mitbringen?

Sarközi: Flexibilität, Ausdauer und eine große Portion Neugier sind essenziell. Wir leben und arbeiten heute in einem sich ständig ändernden Umfeld. Da kommt es darauf an, offen für Neues zu sein. Es ist wichtig, eine Kultur des »Wir denken alles neu« anstatt des »Wir haben das immer schon so gemacht« zu leben und zu verinnerlichen.

(+) plus: Ein wesentlicher Aspekt der Digitalisierung ist die Sicherheit sensibler Daten. Wie kann dieses Problem gelöst werden?

Sarközi: Für Banken hat Datensicherheit die höchste Priorität. Unser russischer Mutterkonzern hat hier eine internationale Vorreiterrolle. Vergangenen Sommer wurde einer der weltweit größten Cybersecurity-Kongresse in Moskau von der Sberbank organisiert. Es ging dabei um Erfahrungsaustausch und Kooperation bei der Reduktion von Cyber-Risiken. Als größte russische Bank hat die Sberbank auf diesem Gebiet ein enormes Know-how, von dem wir auch in Europa als Bank profitieren.

(+) plus: Eine Frau an der Spitze einer Bank ist noch immer eher ungewöhnlich. Waren oder sind Sie häufig mit Skepsis konfrontiert?

Sarközi: Im Laufe meiner Karriere wurde mir immer sehr viel Respekt entgegen gebracht, weil für mich ausschließlich die Leistung und nicht das Geschlecht im Vordergrund stand. Aber am Beginn musste ich erst einmal alle von der zukunftsträchtigen Idee einer Direktbank überzeugen. Das hatte weniger damit zu tun, dass ich eine Frau bin, sondern mehr mit dem Aufbrechen lange bestehender Strukturen in der Finanzdienstleistungsbranche.

In der Sberbank Europe – in acht Ländern Zentral- und Osteuropas vertreten – sind heute bereits ein Viertel der Vorstände weiblich. In Österreich sind fast ein Drittel unserer Führungskräfte Frauen, Tendenz steigend.

Ich sehe einen positiven Trend in der gesamten Branche in Richtung Vielfalt. Dies gilt in Bezug auf das Geschlecht, aber auch für den sozialen Hintergrund, die Herkunft und das Alter. Denn Vielfalt ist der Schlüssel zu Innovation und Veränderung und somit zum Erfolg.

(+) plus: Gibt es trotz der internationalen Ausrichtung der Sberbank Europe und der starken Bindung zur Konzernmutter in Russland eine gemeinsame Unternehmenskultur?

Sarközi: Auf jeden Fall. Egal ob in Russ-land, Österreich oder Tschechien, wir orientieren uns in den mehr als 20 Ländern, in denen die Sberbank Gruppe präsent ist, an denselben Leitlinien: Kundenorientierung, Teamgeist und Leadership.

(+) plus: Was bedeutet Leadership für Sie? Wie viel Gestaltungsfreiraum bleibt
Ihnen?

Sarközi: Leadership bedeutet für mich, eine Vision zu haben und sie mit Enthusiasmus, Teamgeist und Motivation umzusetzen und damit andere mit Begeisterung anzustecken. Das setzt klare Zielvorgaben voraus und eine offene Kommunikation über den jeweiligen Stand der Zielerreichung. Das leben wir in allen Gesellschaften der Sberbank Europe.


Zur Person

Sonja Sarközi, Jahrgang 1967, trat 1987 in die Bawag P.S.K.-Gruppe ein. 1996 entwickelte die Wienerin  maßgeblich das Konzept für die Direktbank-Tochter easybank mit und übernahm 1997 als Prokuristin die operative Leitung der easybank AG. 2001 wurde die Österreicherin in den easybank-Vorstand berufen, 2011 erfolgte die Ernennung zur Vorstandsvorsitzenden. Zudem bekleidete sie Aufsichtsratsmandate in der Bawag Bank CZ und der PayLife Bank.

Im August 2017 wechselte Sonja Sarközi als Chief Retail Banking Officer zur Sberbank Europe und wurde am 1. Juli 2018 als CEO bestellt.

Die mehrheitlich staatliche Sberbank Russia hatte 2012 die Volksbank International übernommen und zur Sberbank Europe umgebaut. Die Bank mit Sitz in Wien ist in acht Märkten Mittel- und Osteuropas mit 191 Filialen und mehr als 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitar-beitern vertreten. Als Aufsichtsratsvorsitzender fungiert Siegfried Wolf.

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