Sonntag, Dezember 22, 2024
Auf einer langen Reise
Fotos: iStock, Brother/Alexander von Merzljak

Augmented and Virtual Realities – erweiterte, angereicherte und künstliche Wirklichkeiten – befinden sich am Beginn einer langen Reise. Brother hat seinen Rucksack gepackt. Mit dem AirScouter sind die ersten Schritte zum Gipfel bereits gesetzt. Viele Höhenmeter folgen noch.

An einem heißen Sommertag lud Brother in Wien zu einem für das Unternehmen heißen Thema: Augmented Reality, AR. »60 Prozent des Brother-Geschäftes umfassen Printing Solutions. Drucker und Kopiergeräte für das Business sind unsere Stärke«, betont Helmut Pfeifenberger, Geschäftsführer von Brother Österreich. Das Druckergeschäft sei sehr erfreulich und ergiebig. Es stelle sich aber die Frage, wie Brother im reifen Markt bestehen will. Allein von Print lässt es sich auf Dauer nicht leben. Zwischen 2016 und 2017 sanken die verkauften Stückzahlen am Gesamtmarkt um zehn Prozent, beim Umsatz wurde ein Minus von neun Prozent verzeichnet. »Ausgleich kann durch neue Geschäftsbereiche geschaffen werden«, erklärt Pfeifenberger den Anspruch von Brother an AR.

Augmented and Virtual Realities (VR) stehen für erweiterte, angereicherte und künstliche Wirklichkeiten. Der AirScouter, der bereits in seiner dritten Generation angeboten wird, stellt für Brother ein wesentliches Zukunftsprodukt dar.

Virtuelle Geschäftswelt
Rückblick: 2008 hat Brother den Prototypen des AirScouters vorgestellt, 2012 kam das erste Modell auf den Markt: eine klassische Datenbrille mit Brillengestell und Datenprojektionseinheit. 2016 folgte ein Head Mounted Display mit Stirnband, das das Videobild direkt vor das Auge des Trägers projiziert. 2018 liegt nun die dritte Generation vor, basierend auf einem einfachen Plug & Play über die HDMI-Schnittstelle. Der AirScouter kann je nach Bedarf in verschiedene Richtungen geklappt werden. »Wireless wäre eine weitere Option. Dafür sind aber zusätzliche Batterien erforderlich, die das Brillengestell nicht zulässt bzw. einen unangenehmen Tragekomfort darstellen.«


Leben in AR und VR
In der Donaumarina stellte Alexander von Merzljak die Systeme Augmented und Virtual Realities vor. »Diese stehen für erweiterte, angereicherte und künstliche Wirklichkeiten und sind der Schlüssel für völlig neue Erlebniswelten.« Die Bedeutung von AR und VR für diesen umfassenden Wandel in Industrie, Handel, Wirtschaft und Logis­tik ist kaum hoch genug einzuschätzen. Die damit verbundenen Technologien sind Eckpfeiler für die vierte industrielle Revolution. Die Datenbrille ist vor allem für industrielle Anwendungen gedacht. In der Produktion lassen sich Fertigungsprozesse verbessern, an Montagebändern werden den Nutzern alle benötigten Arbeitsschritte direkt ins Sichtfeld eingeblendet.

Großes Potenzial bietet AR auch bei der Drohnensteuerung. Die Möglichkeit, die Hände frei zu bewegen, ist auch ein Vorteil für die Medizin. Bei der Bildübertragung werden OP-Daten mit Röntgenbildern und Daten des Patienten-Monitorings überlagert. Alexan­der von Merzljak, Autor des im August erschienenen Fachbuchs »Interfacing New Realities – Wie uns Augmented Reality durch die Digitale Welt lotst«, verweist auch auf Operationen, die transkontinental übertragen werden, auf Trainings und Schulungen von Ärzten in entlegenen Gebieten. »Das Einzige, was Ärzte dafür brauchen, ist ein gutes Netz und ein qualitativ hochwertiges Handy.« Bereits praktizierender ARler ist Shahi Ahmed von Medical Realities, der medizinisches Personal auch in den entlegensten Gegenden der Welt ausbildet. Dafür setzt er auf Oculus Rift und Google Glass.


Bild: In der Medizin kann Augmented Reality überlebensentscheidend sein. Bei der Vorbereitung des Spitals auf die Behandlung von noch in Überstellung befindlichen Unfallopfern ist eine Zeitersparnis bis zu einer Dreiviertelstunde erzielbar. OPs können transkontinental übertragen, in ihnen kann assistiert werden, mit AR sind Schulungen und Trainings von Ärzten in entlegenen Gebieten möglich.

Dem Einsatz virtueller Werkzeuge werden speziell im Transportwesen oder besser in der Logistik die schnellsten und größten Erfolgsaussichten ausgestellt. Der blühende Internet-Handel verlangt nach umfangreichen Warenlagern, deren Beschickung und Leerung möglichst schnell vonstatten gehen muss. Der traditionelle Aufbau eines solchen Lagers mit einer festen Platzzuordnung ist diesen Anforderungen nicht gewachsen. Durch seine Digitalisierung entsteht eine völlig andere Organisation und Infrastruktur.

Auch Rettungsdienst und Katastrophenschutz profitieren von AR. Als lebenswichtig bezeichnet von Merzljak AR für die Landwirtschaft, Stichwort automatisiertes, 24/7 »Farming 4.0«, und für den Naturschutz, hier in Form multispektraler Kamerasysteme für die Ermittlung wichtiger Boden- und Kontaminationsdaten großer Industriebrachen, Baugründen und z.B. Natur- und Wasser-Schutzgebieten.

BIM, das Building Information Modeling, profitiert ebenso in Form digitaler Zusammenführung von Bauplanung, Bau-ERP sowie Projektplanung und -Koordinierung der unterschiedlichen Baubeteiligten und Gewerke. IKEA nutzt AR auf seinem Weg vom Möbel- zum Einrichtungshaus. In England werden bereits virtuell geplante Häuser gebaut.

Bildung und Entertainment stellen weitere Bereiche dar, in denen AR seine lebensbereichernden Funktionen beweisen kann, etwa durch animierte Schulbücher. Abgesehen von den Kostenvorteilen punktet AR mit der Individualisierung der Produkte, wodurch Unternehmen den direkten Zugang zum Kunden erhalten. VR kann auch zur Angstbewältigung eingesetzt werden. Wer Redeangst vor großem Publikum hat, kann auf einer virtuellen Bühne mit zahlreichen Besuchern seine Rede üben und auch seine eigene Präsentation einbinden.

Ausblick
Forschungseinrichtungen und die Hightech-Industrie arbeiten weltweit schon seit Jahrzehnten intensiv an AR und VR. »Es ist nicht erstaunlich, wenn Hersteller wie Bro­ther, Microsoft, Google, Epson, Samsung, HTC, Oculus Rift und andere ihre Geschäftsfelder erweitern oder ihr bestehendes Smartphone-Geschäft absichern möchten«, betont von Merzljak. Intelligente Brillen bedienen aber erst einen kleinen Markt. Meistens werden sie in ambitionierten Industrieprojekten eingesetzt. »Was fehlt, ist die Anbindung an die große Welt des World Wide Web.«

Erst wenn die wahrgenommenen Gegenstände mit anderen verlinkt sind, echtes Hyperlinking vorliegt, wird sich Augmented Reality breit durchsetzen. Nur 5G, das nächs­te mobile Telekommunikationssystem, wird genügend Performance besitzen, um beinahe verzögerungsfrei die Datenmengen zufriedenstellend verarbeiten zu können. Außerdem müssten die Preise weiter sinken.


Hintergrund: Übergang von der realen zur virtuellen Welt
Augmented Reality (AR) bedeutet, dass die reale Welt mit virtuellen Inhalten wie Texten, Grafiken, Animationen, Videos, statischen oder bewegten 3D-Objekten angereichert wird. Bücher und Schulungsunterlagen lassen sich damit zum Leben erwecken. Augmented Virtuality (AV) ergänzt die künstliche Welt mit Elementen aus der Wirklichkeit. Bei Virtual Reality (VR) taucht der Benutzer schließlich in eine komplett neue, computergenerierte Welt ein. Es gibt 360-Grad-Bilder, 360-Grad-Videos, komplett erstellte 3D-Welten. Die reale Umwelt wird nicht mehr wahrgenommen.

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