Warum Rabattaktionen oft nichts bringen, Preisschwellen dagegen sehr viel, erklärt Preisexperte Roman Kmenta.
(+) plus: Welches Gewicht hat der Preis im Vergleich zu anderen Produktmerkmalen?
Roman Kmenta: Im Vergleich zu anderen Produktmerkmalen ist der Preis nicht die Nr. 1. Kriterien wie Sortiment, Erreichbarkeit, Parkplatz oder Freundlichkeit der Mitarbeiter spielen eine größere Rolle. Wenn ich der Billigste sein kann, macht es durchaus Sinn, den Preis an vorderste Front zu stellen. Discounter machen das sehr professionell. Die meisten können es allerdings nicht. Sie bieten Rabatte, die nichts bringen, und können sich das im Grunde gar nicht leisten. Ein Autohandelsbetrieb verzeichnet oft nur 0 bis 2 % Gewinn vor Steuern. Jeder Prozentpunkt des Preises ist deshalb unglaublich wichtig, denn nur ein Prozent weniger Rabatt bedeutet für viele eine Verdopplung des Gewinns.
(+) plus: Werden Preisreduktionen gleich stark wie Preiserhöhungen wahrgenommen?
Kmenta: Unternehmen sprechen über Reduktionen laut und viel, während über Erhöhungen Stillschweigen bewahrt wird. Bei Produkten des täglichen Bedarfs haben wir fixe Preise im Kopf und nehmen wir jede Kommastelle wahr. Bei Produkten, die wir selten kaufen, ist das weniger ausgeprägt.
Wir sparen aber generell lieber als aufzuzahlen, wie eine Studie ergab: Die Probanden konnten zwischen zwei Varianten wählen. Wenn man den Preis von 100 Euro bar bezahlte, wurden fünf Euro Rabatt abgezogen. In der zweiten Testvariante betrug der Preis 95 Euro, bei Zahlung mit Kreditkarte wäre ein Aufpreis von fünf Euro fällig. Die erste Möglichkeit mit der vermeintlichen Ersparnis wurde deutlich besser aufgenommen, obwohl das Ergebnis rechnerisch dasselbe war.
(+) plus: Welche Rolle spielen Preisschwellen mit den 99er-Preisen?
Kmenta: Sie sind vor allem für Unternehmer relevant, weil man nahe an Preisschwellen herangehen kann, ohne etwas zu riskieren. Ob etwas 9,90 oder 9,99 Euro kostet, macht für die Konsumenten keinen Unterschied. Für einen Handelsbetrieb bedeutet das aber möglicherweise die doppelte Gewinnspanne. Im Online-Geschäft sind Schwellen aus technischer Sicht extrem wichtig. Wenn ein maximaler Preis in eine Suchmaschine eingegeben wird, taucht ein Produkt, das knapp über dieser Schwelle angeboten wird, nicht auf. Im Zweifelsfall sollte man also darunter bleiben.
Der Preis sendet jedoch auch eine Botschaft: 199 Euro wird immer mit »billig« oder »Aktion« assoziiert, während 200 Euro von Selbstbewusstsein zeugt und den Qualitätsaspekt verstärkt. Nach dem Motto: Das Produkt hat seinen Wert. Der Hersteller hat es nicht notwendig, sich auf diese 99er-Spielchen einzulassen.
(+) plus: Gilt der Preis auch als Qualitätsfaktor?
Kmenta: Ja definitiv, und zwar wenn der Kunde wenig oder nichts über das Produkt weiß. Ich bringe dazu gerne das Beispiel eines Mannes, der seiner Frau eine Strumpfhose mitbringen soll – mit den einzigen Informationen »schwarz« und »Größe 36«. Die Palette geht bei diesem Produkt von drei, vier Euro bis zu 200 Euro oder mehr. Er wird höchstwahrscheinlich nicht zu der Strumpfhose um 3,90 Euro greifen. Ich teste das bei meinen Vorträgen ab: Die meisten zeigen bei 15 Euro bis etwa 19,90 auf, da fühlt man sich auf der sicheren Seite. In unseren Köpfen ist gespeichert: Was nichts kostet, ist nichts wert. Der Preis mutiert hier zum Qualitätsmerkmal.
(+) plus: Geht das emotionale Kauferlebnis beim Onlinehandel verloren?
Kmenta: Im stationären Handel habe ich natürlich mehr Möglichkeiten, mit Emotionen zu spielen – Gerüche, das Ambiente, menschliche Interaktion. Geht man in eine Nespresso-Filiale, könnte man meinen, dort werden Brillanten verkauft. Kein Mensch würde Kaffee in dieser Qualität um 70 Euro pro Kilo im Supermarkt kaufen. Aber dort, verpackt in kleinen Alukapseln, geht das. Der Einzelhandel könnte diese emotionale Ebene viel mehr nutzen, wobei sich das in den nächsten Jahren relativieren wird, weil wir noch viel mehr in virtuellen Geschäften einkaufen werden. Irgendwann wird man den Unterschied nicht mehr merken.
(+) plus: Sind Kunden heute weniger loyal als früher?
Kmenta: Heute schauen Kunden vor den Augen des Verkäufers auf Geizhals.at oder ein anderes Portal und sagen: Dort bekomme ich das aber um 50 Euro billiger. Das ist schon hart. Hier kann man nur mit Beratung und Verkaufsgeschick punkten. Der Einzelhändler hat den Kunden schon da und damit die Chance, das Geschäft abzuschließen. Viel mehr geht kaum. Diese Chance wird aber oft nicht genutzt. Ich wollte mir vorige Woche ein Auto kaufen und sah einen interessanten Gebrauchtwagen. Der Verkäufer empfahl mir, die Daten im Internet selbst nachzuschauen, und gab mir seine Karte. Ich sollte mich melden, wenn ich mich entschieden hätte. Gekauft habe ich schließlich bei einem anderen Händler.