Sonntag, Juli 21, 2024

Energieeffizienz ist das Thema des Jahres. Gebäude, Anlagen und Prozesse müssen nun per Gesetz intelligent und energiesparend nachgerüstet und gestaltet ­werden.

Die Europäische Union und ihr Mitglied Österreich haben in Energiefragen viel vor. Das Energieeffizienzgesetz sieht vor, bis zum Jahr 2020 den Endenergiebedarf um 1,125 % zu reduzieren. Diese Einsparung soll von den Energieversorgern, den Haushalten, dem Bund und großen Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern - oder einem Umsatz von mehr als 50 Mio. Euro oder einer Bilanzsumme größer 43 Mio. Euro - erzielt werden. Die Unternehmen sind verpflichtet, alle vier Jahre Energieaudits durchzuführen oder energiebezogene Managementsysteme einzuführen. Kleinere und mittlere Unternehmen können Energieeffizienzmaßnahmen freiwillig umsetzen und melden. Es ist eine Frage des Klimaschutzes und auch der politischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit, die in Europa generell in der Energiedebatte angestrebt wird. Damit entsteht aber auch neues Geschäft.

»Das Energieeffizienz-Paket ist ein Meilenstein in der österreichischen Energiepolitik«, bezieht Bank-Austria-Vorstand Helmut Bernkopf Stellung. Er weiß sein Institut als »verlässlichen Finanzpartner der Wirtschaft« und möchte den Unternehmen bei den wirtschaftlichen Herausforderungen helfen. »Unser extra für diesen Zweck geschnürtes Energieeffizienz-Paket ist ressourcenschonend für die Umwelt und die Unternehmen und reicht von umfangreicher Förderberatung bis hin zur maßgeschneiderten Entwicklung eines idealen Finanzierungsmix.« Darüber hinaus stellt die Bank eine Finanzsoftware zur Verfügung, mit der die Effekte von Energieeinsparungsmaßnahmen besser geplant werden können.

Vom Facility-Management zum ­Audit

»Wir beraten und setzen Maßnahmen zu Energieeffizienz im Gebäudebereich um. Über Einspar-Contracting-Modelle werden über einen definierten Zeitraum die geleisteten Investitionen refinanziert«, bekräftigt auch Martina Jochmann, Geschäftsführer-in des Energie- und Facility-Management-Spezialisten Energiecomfort. Sie beschreibt eine Angebotspalette, die je nach Unternehmen angepasst wird – bis an die Stelle, an der der Unternehmenskunde überhaupt kein Geld für Investments in die Hand nehmen muss. »Oft führt bereits die Optimierung bestehender Systeme und die Sensibilisierung der Nutzer zu erheblichen Einsparungen«, verrät Jochmann. Fast jedes Gebäude – auch Neubauten – biete Potenzial für Optimierungen. Mit dem Start des Energieeffizienzgesetzes hat auch die Wiener-Stadtwerke-Tochter begonnen, Unternehmen bei der Zertifizierung des Energiemanagements und der Durchführung von Energieaudits zu begleiten. »Viele Unternehmen nehmen sich in einem ersten Schritt die gesetzliche Mindestanforderung eines Audits vor. Aus diesen Erkenntnissen lassen sich dann aber weitere Maßnahmen ableiten.« 

Die Energiecomfort zielt besonders auf ihre Kunden im Facility-Management-Bereich, die nun auch Beratung zur Energieeffizienz benötigen. »Wir kennen ja die Gebäude sehr gut und wissen, welche Maßnahmen besonders greifen.«

Versorger in der Bredouille

Die Energieerzeuger stellt das Gesetz indes vor weitaus größere Herausforderungen. Eine aktuelle Deloitte-Studie zeigt, dass hier noch viele Fragen offen sind. Energieversorger und Unternehmen stehen in Sachen Energieeffizienz zwar in den Startlöchern, befürchten aber Fehlinvestitionen und Zusatzkosten aufgrund des teilweise noch unklaren rechtlichen Rahmens. Derzeit gehen die Energieversorgungsunternehmen (EVU) bei der laut Gesetz vorgeschriebenen Einsparung von 0,6 % ihrer Energielieferungen nur von einer Zielerreichung von 65 % aus. Mögliche Chancen durch die Etablierung neuer Rendite- und Geschäftsmodelle werden laut Deloitte derzeit vom Markt noch nicht wahrgenommen.

Bei den geplanten Maßnahmen zeigen sich laut Studie teilweise starke Divergenzen zwischen den EVU und den anderen Unternehmen: Knapp 80 % der Versorger setzen auf Energieeffizienzberatung, aber nur 55 % der Unternehmen planen, diese in Anspruch zu nehmen. Größere Übereinstimmung bei EVU und Unternehmen herrscht in Bezug auf die Planung von Maßnahmen bei Heizung und Kühlung sowie bei der Optimierung der Beleuchtung.

Wenn auch die fehlende Rechtsbasis tatsächlich ein Problem darstellt, wäre aus Sicht von Deloitte ein Perspektivenwechsel nötig. »Das Energieeffizienzgesetz bedeutet mehr als nur die Umsetzung einer EU-Richtlinie«, betont Gerhard Marterbauer, Partner und Leiter Energy & Resources bei Deloitte Österreich. »Es kann eine echte Chance für den Standort Österreich sein, wenn es gelingt, Energieeffizienz als Rendite- und Geschäftsmodell ‚made in Austria’ zu etablieren«, so Marterbauer.

Maßnahmen für Haushalte und ­Industrie

Der Verbund will in einer Marktoffensive auf unterschiedlichen Ebenen die gesetzlichen Ziele erreichen. Smarte Steuerungslösungen sollen dafür sorgen, dass Energie nicht mehr verschwendet wird. Mit dem »tado° Thermostat«, einem Produkt eines gleichnamigen Münchner Startups, kann die Heizung in Haushalten automatisiert über eine App gesteuert werden. Das soll bis zu 31 % der Heizkosten sparen. Für Eigenheime bietet der Verbund maßgeschneiderte Pakete: Mit der Kombination aus Photovoltaik-Anlage plus Batteriespeicher und Wärmepumpe wird selbsterzeugte Energie effizienter und günstiger genutzt. Und ein neues Joint-Venture, die Verbund Getec Energiecontracting GmbH, wurde in einer Partnerschaft mit dem deutschen Energiecontracter Getec heat & power AG aus der Taufe gehoben. Schließlich soll auch in einem »Eco-Net« mit Industriepartnern wie Andritz, Magna oder Schirnhofer das Effizienzthema im Netzwerk angegangen werden. Die Initiative hat das gemeinsam abgestimmte Ziel, einer Verdopplung bis Verdreifachung der Energieeffizienz im Vergleich zum Industriedurchschnitt zu erzielen.


Energie­effienz­gesetz in ­Österreich

Das Energieeffizienz­gesetz ist mit 1.1.2015 in Österreich in Kraft getreten. Bis dato gibt es aber keine rechtssicheren objektiv gültigen Bewertungskriterien für Effizienzmaßnahmen. Das Gesetz verpflichtet Energielieferanten dazu, bis 2020 jährlich einen Einsparungsnachweis im Ausmaß von 0,6 % ihrer Energielieferung zu erbringen. Überwacht werden soll dies von einer Monitoring-Stelle, die vor kurzem der Österreichischen Energieagentur zuge-sprochen wurde. Derzeit feilen die Gremien an den Maßnahmenkatalogen für die Bereiche Unternehmen und Haushalte. Beispiele für erfolgreiche Effizienzmaßnahmen, mit der die Energiewirtschaft großteils bereits Erfahrung hat, sind unter anderem Wärmepumpenförderung, Photovoltaik, Gerätetausch­aktionen, Heizungsoptimierung, Smart-Home-Anwendungen und Öffentlichkeitsarbeit zur Bewusstseinsbildung in Effizienzfragen. 

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