Die Energiewirtschaft kämpft mit niedrigen Strompreisen, schwankenden Netzlasten durch die Erneuerbaren und generell ungewissen Aussichten. Die Unternehmen sind trotzdem zuversichtlich, ihren Weg in der sich immer schneller drehenden Welt zu finden – und suchen Partnerschaften mit Start-ups.
Es gibt ihn sehr klar, den Wunsch nach mehr Autonomie in der Energieversorgung. Das Beratungsunternehmen Deloitte befragte in der Studie »Der österreichische Energiekunde 2020« 1.000 Konsumenten zu ihren Bedürfnissen und Erwartungen im Energiebereich. Das Ergebnis: 75 % wollen 2020 ihren Strom selbst erzeugen. »Das ist ein Trend, der nicht mehr aufzuhalten ist«, bekennt Horst Ebner, Vorstand des Energieversorgungsunternehmens Salzburg AG, anlässlich des Branchentreffs EPCON 2016 im Frühjahr in Wien.
»Wir sehen das nicht negativ, sondern wollen dieses Bedürfnis proaktiv nutzen, auch um unsere Bindung zu unseren Kunden zu stärken.« Die Salzburger sind 2015 mit einer 100-Dächer-Initiative gestartet, auf privaten Hausdächern wurden Photovoltaikanlagen mit Größen von 3 kWpeak errichtet. Den erzeugten Solarstrom verbrauchen die Hausbesitzer selbst. Der Überschuss wird in das Stromnetz eingespeist. Für die Nutzung der Anlage zahlen die Teilnehmer zwölf Jahre lang eine monatliche Rate. Danach werden sie alleiniger Eigentümer der Photovoltaikanlage. Die letzten Anlagen dieser Tranche werden in diesem Herbst montiert.
Bild oben: Horst Ebner, Salzburg AG: »Sehen den Wandel zum Dienstleistungsgeschäft und dezentraler Energieerzeugung.«
»Wir sind überzeugt: Der Wandel geschieht weiterhin in Richtung Dienstleistungsgeschäft und dezentrale Energieerzeugung – vor Ort, direkt beim Kunden«, sagt Ebner. Auch urbane Regionen mit den Zinshäusern würden ein Riesenpotenzial haben. Hinzu kommen Themen wie Energiespeicher und Elektromobilität. Viele Menschen interessieren sich für eine grüne Zukunft, auch wenn manche Schlüsseltechnologie von der Marktreife noch etwas entfernt scheint. »Wenn wir das Geschäft nicht machen, tut es ein anderer«, ist Ebners nüchterne Conclusio. Er sieht auch die Energiewirtschaft von dem »digitalen Strudel, der schon viele andere Sparten erfasst hat«, betroffen. Proaktiv zu sein, das Dienstleistungsgeschäft auszubauen, sind für Ebner die Rezepte.
Prosumer im Elektroauto
Als wesentlichen Hebel für die Anbindung des Prosumers – Konsumenten und Produzenten in einer Person respektive einem Haushalt – wird der intelligente Stromzähler gesehen. Die Netzbetreiber rollen gesetzlich dazu verpflichtet nach und nach Smart Meter bei ihren Kunden aus. Die neue Zählergeneration ist eine von vielen Komponenten einer intelligent steuerbaren Netzinfrastruktur. Beispielsweise Elektroautos sind Verbraucher, die künftig je nach Dringlichkeit oder Tarifvorteil gesteuert werden könnten. Manche Haushalte werden daran interessiert sein, ihr Fahrzeug dann aufzuladen, wenn Erneuerbare wie Windkraft oder Photovoltaik gerade besonders kräftig einspeisen. Für die Netzbetreiber wiederum entstehen neuen Spielräume für die Verbrauchssteuerung.
Lösung für Verbrauchersteuerung
Der Strombedarf eines E-Autos mit 15.000 km Jahreslaufleistung entspricht dem eines Einfamilienhauses. Je mehr Elektroautos auf Europas Straßen fahren, desto stärker wächst der Bedarf an Strom-Ladestellen. Gemeinsam mit dem österreichischen Start-up Enio bietet T-Systems eine Lösung, die Engpässe verhindern soll. Mit SIM-Karten ausgestattete Ladesäulen ermöglichen ein intelligentes Energie- und Lastmanagement. Die jeweiligen Ladestellen sind mit einem von T-Systems betriebenen Backend-System verbunden. Ladestellen, Backend und Energiebetreiber tauschen kontinuierlich Daten aus, wie die aktuelle Stromauslastung im Netz, die Anzahl der angedockten E-Fahrzeuge und deren Ladestatus.
Bild oben: Klaus Neuhäuser, BET: »Einfach auch Ideen in den Unternehmen fördern.«
Die E-Mobility-Lösung ermöglicht zudem das günstige Errichten des elektrischen Teils der E-Ladeinfrastruktur. Bisher mussten dicke Kupferkabel zu den Ladesäulen verlegt werden, um höhere Lasten zu ermöglichen. Dank des Lastmanagements reicht eine günstigere Infrastruktur aus. Ladestellenbetreiber wie Hausgemeinschaften, sparen damit einen großen Teil des teuren Materials.
Infrastruktur und Hydrant
Schauplatzwechsel nach Oberösterreich: Um die Datenvernetzung in einer anderen Infrastruktur, der Wasserversorgung, geht es in einem aktuellen Projekt der Energie AG. Gemeinsam mit dem Start-up wasserkarte.info wird moderne Technik für die Suche nach dem nächsten Hydranten geboten. Die gleichnamige App erfasst Lage und Zustand von Hydranten und dient als mobile Informationsdrehscheibe.
Über Tablets und Smartphones werden Feuerwehren und Dienstleister direkt zu den Hydrantenstandorten gelotst. »Wir beschreiten mit Augmented Reality, einer virtuellen Navigation am Smartphone-Display, absolutes Neuland und bringen Feuerwehren und Dienstleister an die technologische Weltspitze«, sagt Gabriel Freinbichler, App-Erfinder und Geschäftsführer der wasserkarte.info GmbH. »Mittels Augmented Reality werden in das Kamerabild des Smartphones Navigations-Informationen eingeblendet, die in Echtzeit anzeigen, in welcher Richtung und Entfernung der nächste Hydrant zu finden ist«, erklärt Freinbichler. Insgesamt sind in Österreich, Deutschland und Italien bereits 200.000 Hydranten in der Plattform erfasst, die laufend aktualisiert und bearbeitet wird.
Warum die Energie AG gemeinsame Sache mit Freinbichler macht? »Als Wasserversorger beschäftigen wir uns schon sehr lange mit der Dokumentation des Netzes und unserer Anlagen«, verrät Christian Hasenleithner, Geschäftsführer der Wasser-Gruppe der Energie AG Oberösterreich. »Mit dieser Plattform sind die Informationen über unsere Infrastruktur nicht nur in den Köpfen einiger Mitarbeiter, sondern auch für nachfolgende Generationen und Anwendungen gespeichert.« Der Experte will die Plattform auch in Tschechien und Slowenien ausrollen. »Die App ist einfach sehr praktisch. Wir sind kommunaler Dienstleister für viele Gemeinden und setzten sie selbst bei der Wartung unserer Infrastruktur ein.«
Idee statt Business-Case
Die Diskussion zu den Folgen der Digitalisierung beschäftigt die Branche stark. »Unternehmen sollten sich nicht die Frage stellen, wo sie wohl in zehn Jahren stehen werden«, relativiert Klaus Neuhäuser, B E T Büro für Energiewirtschaft und technische Planung, »sie sollten sich vielmehr überlegen, wohin sie sich aus eigener Kraft entwickeln wollen.« Er rät, sich nicht im Wandel in der Transformation des Geschäfts zu verzetteln, sondern stets das festgelegte Ziel vor Augen zu haben. Gerade Unternehmen in der Energiewirtschaft würden sich aufgrund historisch gewachsener Strukturen und bislang in Jahrzehnten gemessenen Planungsräumen bei Innovationen oft schwertun. Es müssen aber nicht gleich immer Geschäftsmodelle über Bord geworfen werden, so Neuhäuser. »Es zählen auch einfache, gute Ideen, die in den Unternehmen gefördert werden können.«