Was bedeutet es wirklich, in einer digitalisierten Welt zu leben und zu wirtschaften? Das Zukunftsinstitut geht in einem Sammelband dieser Frage nach und liefert eine umfassende Anleitung zur »Digitalen Erleuchtung«.
Das Thema Digitalisierung geistert durch Medien, Tagungen und Meetings – meist ein untrügliches Indiz dafür, dass ein Hype seinen Höhepunkt erreicht. Hoffnungen und Ängste sind im Paket mit dabei. Um die Möglichkeiten der Digitalisierung zu erkennen und nutzen zu können, braucht es aber ein grundlegendes Verständnis über die Funktionsweisen des Digitalen.
Eine Art Navigator durch die vernetzte Welt legt nun das Zukunftsinstitut vor. Zehn Autorinnen und Autoren beschreiben in ihren Beiträgen den Prozess, der zur »digitalen Erleuchtung« führt. Ihrer Meinung nach beruht der nötige Bewusstseinswandel auf sechs digitalen Mindsets – jene Kompetenzen, die Menschen und Unternehmen fit machen: Cyber-Humanismus, Wissens-Navigation, Multi-Logik, Vertrauens-Vermittlung, Muster-Seismografie und Kybern-Ethik.
0/1-Entscheidung
Harry Gatterer spürt dem Wesen der Digitalisierung nach, die immer eine 0/1-Entscheidung ist; entzifferbar durch einen Code, die »Instanz der Digitalisierungswirkung«. Die ungeheure Vielzahl der Möglichkeiten, aus denen via Code eine konkrete Entscheidung getroffen werden kann, erzeuge im Alltag stets Komplexität, analysiert Gatterer: »Sei es beim Einchecken in Flugzeuge, beim Bezahlen an Supermarktkassen, beim Einhalten des Sicherheitsabstands auf Autobahnen etc. Im Grunde wäre es einfacher aufzuzählen, was noch nicht digitalisiert ist.« Digitale Prozesse entfesseln aber zusätzlich eine Dimension der Unberechenbarkeit. Vorhersagen zum Verhalten von Systemen, zum Beispiel innerhalb eines Unternehmens, sind nur begrenzt oder gar nicht möglich: »Pop-up als Dauerzustand«.
Matthias Horx, Christoph Kappes und Alexa Clay räumen mit »digitalem Denk-Gerümpel« auf und entlarven digitale Mythen, etwa die überzogenen Erwartungen hinsichtlich künstlicher Intelligenz oder die Auswüchse der Start-up-Kultur. Der Soziologe Dirk Baecker erklärt aus systemtheoretischer Perspektive, warum Digitalisierung einen »Überschusssinn« erzeugt, der unsere Gesellschaft strukturell und kulturell überfordert.
Mentaler Reboot
Diese Erkenntnisse münden in ein Modell, das die Phänomene der Digitalisierung begreifbar und für die Praxis anwendbar macht. Christian Schuldt leitet »von Verblendung zu Erleuchtung« und warnt vor raschen Shortcuts: »Jede vermeintliche Abkürzung macht den Weg hin zu echter Erkenntnis und Veränderung paradoxerweise nur noch länger und beschwerlicher. Denn es geht eben nicht darum, ein paar weitere Buzzwords aufzuschnappen und die digitale Hysterie noch weiter anzufeuern.«
Die blinde Fixierung auf Wachstum verstelle den Blick für die tieferen Werte und Potenziale der digitalen Revolution. Schuldt rät zu einem »mentalen Reboot«, um zukunftsweisende Führungs- und Unternehmenskulturen – im Einklang von Mensch und Maschine – zu entwickeln. Und was kommt danach? Der Abschnitt Postdigitalisierung öffnet den Blick in ein Szenario des »Next Internet« vor dem Hintergrund zukunftsweisender Entwicklungen wie der Blockchain-Technologie.
Info: Die Studie »Digitale Erleuchtung. Alles wird gut« (Hg. Christian Schuldt) ist beim Zukunftsinstitut (www.zukunftsinstitut.de) erhältlich.