Hans-Werner Frömmel, Bundesinnungsmeister Bau, spricht im Interview über das neue Berufsbild des Baumeisters und die wichtigsten Paradigmenwechsel in den letzten zwei Jahrzehnten. Außerdem erklärt er, warum er sich von der Kritik des Vizekanzlers an der Sozialpartnerschaft nicht angesprochen fühlt und warum die Stimmung unter den heimischen Bauunternehmungen eigentlich ganz gut ist.
(+) plus: Der Report Verlag feiert heuer seinen 20. Geburtstag. Kann man den Beruf des Baumeisters 1996 mit dem Baumeister von heute noch vergleichen?
Hans-Werner Frömmel: Es gibt natürlich neue Bauweisen, Baumethoden sowie erhöhte Anforderungen die Energieeffizienz und Ökologie betreffend. Die größte Veränderung betrifft aber sicher die Flexibilität und Mobilität der Unternehmen. Die Zeiten, in denen der Baumeister seine Geschäfte unmittelbar rund um seinen Standort gemacht hat, sind heute zumindest für mittlere Betriebe definitiv vorbei. Man muss sich heute die Arbeit in einem Umkreis von 100 bis 200 Kilometern suchen und kann nicht mehr darauf warten, dass die Arbeit zu einem kommt. Der Baumeister heute muss viel flexibler und wendiger sein als früher.
(+) plus: Wie groß war der Widerstand, sich diesen Anforderungen auch zu stellen?
Frömmel: Das kann ich nicht in Prozenten sagen. Bei dem einen ist es früher gegangen, bei anderen hat es länger gedauert. Ich erinnere mich an einem Fall, wo ich einen Auftrag in Graz hatte, der sich etwas verzögert hat und dann terminlich mit anderen Aufträgen kollidierte. Also hab ich einen befreundeten Bauunternehmer in der Obersteiermark kontaktiert, ob er den Auftrag nicht übernehmen möchte. Das war ein solider Auftrag zu einem guten Preis, an dem wir beide verdienen hätten können. Aber die 30 bis 40 Minuten Anfahrt waren ihm zu lange. Und das, obwohl seine Auslastung damals nicht die beste war. Heute weiß ich, dass er sogar in Wien baut. Also auch er hat sich gewandelt (lacht).
Was sich auch gewandelt hat, ist die sogenannte Stammklientel. Früher erhielt man viele Aufträge, weil die Auftraggeber einfach ein gewisses Vertrauen hatten. Heute läuft alles über Ausschreibungen und das persönliche Vertrauen spielt eine untergeordnete Rolle. Da zählte dann nur der Preis. Deshalb bin ich sehr froh, dass wir durch die jüngst verabschiedete Novelle des Vergaberechts zumindest im öffentlichen Bereich diesen Billigstbietern und Preistreibern einen Riegel vorschieben konnten. Das hat allen geschadet, auch den Auftraggebern, die oft eine schlechtere Qualität erhalten haben.
(+) plus: Inwieweit ist die Arbeit des Baumeisters komplexer und anspruchsvoller geworden?
Frömmel: Die Arbeit ist durch den technischen Fortschritt deutlich komplexer und anspruchsvoller geworden. Aber leider haben wir trotzdem immer noch ein Imageproblem. Der Maurer heute ist ja längst nicht mehr der Maurer von früher, der Ziegel schlichtet und Zementsackerl schleppt. Heute muss der Maurer nicht nur ein guter Handwerker sein, sondern fast schon ein kleiner Bautechniker. Er muss Pläne lesen können, mit allen möglichen technischen Hilfsgeräten umgehen können und sich im Zeitmanagement auskennen. Damit hat sich das Berufsbild des Maurers, aber auch in weiterer Folge des Poliers und des Bautechnikers komplett geändert.
(+) plus: Was waren die wichtigsten Meilensteine bzw. Paradigmenwechseln der Branche?
Frömmel: Da muss man auf jeden Fall die Energieeffizienz nennen. Da hat sich enorm viel getan. Dazu kommen die Themen Ökologie und Nachhaltigkeit. Es haben zwar alle erkannt, dass es an diesen Themen kein Vorbeikommen gibt, aber natürlich haben nicht alle gleich von Anfang darauf gesetzt. Das ist ähnlich wie jetzt beim Thema Building Information Modeling (3D-Modell-basierter Prozess für Planung, Entwurf, Ausführung und Verwaltung von Bauwerken; Anm.d.Red.). Das wird auch unvermeidlich kommen und die Bauindustrie ist da auch schon sehr weit. Im Gewerbebereich gibt es ein paar Vorreiter, aber auch viele, die noch abwarten.
(+) plus: Aktuell wird viel über die Sozialpartnerschaft diskutiert. Während in anderen Branchen viel gestritten wird, zeigen sich die Bausozialpartner meistens recht harmonisch. Können Sie die Kritik von Vizekanzler Mitterlehner trotzdem verstehen?
Frömmel: Ich fühle mich als Bau-Sozialpartner in dieser Causa gar nicht angesprochen. Im Gegenteil: So wie wir die Sozialpartnerschaft leben, ist das vorbildhaft. Das wird auch der Vizekanzler so sehen, der ja vor allem die Art des Mit- oder Gegeneinanders kritisiert hat. Das war in der Bauwirtschaft früher ja nicht anders. Vor 20 Jahren haben die KV-Verhandlungen an einen Kampf in der Arena erinnert. Da sind wir uns gegenübergesessen und dann sind die Fetzen geflogen. Da hat sich viel geändert. Mit dem Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft Bau-Holz, Josef Muchitsch, verbinden mich nicht nur eine lange gemeinsame Geschichte, sondern auch viel Verständnis für die Bedürfnisse und Möglichkeiten der anderen Seite. Es ist ja auch kein Zufall, dass wir Initiativen wie etwa »Faire Vergaben« gemeinsam ins Leben gerufen haben. Unsere KV-Verhandlungen sind auch keine Show. Da wird in Vorgesprächen ausgelotet, was möglich ist. Die eigentlichen KV-Verhandlungen für zwei Jahre haben dann beim letzten Mal gerade einmal zweieinhalb Stunden gedauert.
(+) plus: Nach der Regierungsumbildung war viel von einer neuen Gesprächskultur und einem neuen Regierungsstil zu hören. Spüren Ihre Mitgliedsunternehmen eine gewisse Aufbruchsstimmung im Land? Steigt die Investitionsbereitschaft wieder?
Frömmel: Dafür ist es noch zu früh. Ich glaube aber, dass der neue Kanzler gegenüber dem Vorgänger mehr Wirtschaftskompetenz mitbringt und das durch seine vorangegangene Tätigkeit auch schon bewiesen hat. Das Wichtigste wird aber jetzt sein, die dringend nötigen Reformen anzugehen.
Das werde ich auch in unserem Bereich demnächst mit der Gewerkschaft angehen. Dass das Bauen so teuer ist, liegt ja nicht daran, dass der Maurer so teuer ist, sondern weil die Rahmenbedingungen teuer sind. Aus meiner eigenen persönlichen Erfahrung kann ich Ihnen erzähle, dass bei kleinen Bauvorhaben von der Planung bis zur Umsetzung oft sechs Jahre vergehen. In Oberösterreich habe ich gemeinsam mit zwei weiteren Investoren etwa vor zwölf Jahren einen Grund gekauft und erst im letzten Jahr konnten wir die definitive Baubewilligung erlangen. Das kostet Geld.
Der Aufwand für ein Bauvorhaben steigt immer weiter. Der nächste Schritt, um das Bauen leistbarer zu machen, muss sein, die Anzahl der nötigen Gutachten zu reduzieren. Ich hab erst kürzlich für ein benötigtes Schallschutzgutachten drei Gutachter gebraucht, weil der Beamtin die ersten Gutachten nicht ausreichten.
(+) plus: Wie würden Sie aktuell die Stimmung bei Ihren Mitgliedsunternehmen beschreiben?
Frömmel: Die Stimmung ist im Moment nicht so schlecht. Arbeit ist vorhanden, Sorge bereitet die Margensituation, weil vieles heute unterpreisig angeboten wird. Da gibt es jetzt Hoffnung, dass durch Regelungen wie die Schwellenwerteverordnung oder das neue Bundesvergabegesetz der Wettbewerb fairer wird und damit auch wieder auskömmliche Preise erzielt werden können.
Deshalb ist es auch so wichtig, dass mit dem neuen Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz auch der private Auftraggeber haftet, wenn er ein ausländisches Unternehmen beschäftigt.
(+) plus: Effizienzsteigerung, BIM, Digitalisierung, Lohn- und Sozialdumping, Pleitewellen – die Branche sieht sich mit vielen ernsten Themen konfrontiert. Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen?
Frömmel: Vor allem gegen die Pleitewellen muss ich mich wehren. Denn das Problem ist, dass unter Baupleiten alles fällt – da zählen auch die Trockenbauer und Estrichverleger dazu. Auch Bauträger, die manchmal bewusst Betrugskonstruktionen sind und nur Anzahlungen einkassieren und sich dann absetzen, zählen dazu. Es fällt aber zurück auf die Bauwirtschaft und damit auch die Baumeister. Das ist schon ein enormer Imageverlust. Durch solche Vorkommnisse gerät eine ganze Branche völlig zu Unrecht ins schiefe Licht.
(+) plus: Dann ziehe ich die Pleitewellen zurück. Wo sehen Sie sonst die größten Herausforderungen für die Branche?
Frömmel: Ganz wesentlich wird die Umstellung in Richtung Digitalisierung und Flexibilisierung. Vor allem im organisatorischen und technischen Ausbau gibt es noch viele notwendige Anpassungen. Eine weitere große Herausforderung betrifft den Nachwuchs. Daran arbeiten wir schon sehr hart, da muss aber noch mehr geschehen.