Über 85.000 Flüchtlinge haben 2015 laut Angaben des Roten Kreuzes um Asyl in Österreich angesucht. Die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt wird eine der zentralen Herausforderungen für die heimische Wirtschaft im Jahr 2016.
Die Mehrheit von Österreichs Mittelstandsunternehmen steht Flüchtlingen als potenziellen Mitarbeitern – unabhängig ob diese Asylwerber oder Asylberechtigte sind – positiv gegenüber: Drei von vier Mittelstandsunternehmen (76%) würden diese grundsätzlich einstellen, 41 Prozent sogar ohne Vorbehalte. Insgesamt sind damit mehr als 31.000 mittelständische Betriebe in Österreich bereit, Flüchtlinge in ihrem Betrieb anzustellen. Nur jedes vierte mittelständische Unternehmen (24%) würde (eher) keine Flüchtlinge einstellen.
Das sind Ergebnisse des aktuellen Mittelstandsbarometers der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY. Für die Studie wurden insgesamt 900 mittelständische Unternehmen in Österreich im Dezember 2015 telefonisch befragt.
Helmut Maukner, Country Managing Partner von EY Österreich: „Österreichs Mittelstandsunternehmen spielen bei der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt eine zentrale Rolle. Die überwiegende Mehrheit der Mittelstandsunternehmen würde grundsätzlich Flüchtlinge anstellen. Aktuell gibt mehr als die Hälfte (58%) der Mittelstandsunternehmen an, Schwierigkeiten bei der Suche nach geeigneten Fachkräften zu haben, die Hälfte muss deshalb Umsatzeinbußen in Kauf nehmen. Viele Unternehmen sehen die gestiegene Zuwanderung deshalb auch als Chance, Fachkräfte zu finden.“
Besonders groß sind die Jobchancen in der Industrie: Dort würden 82 Prozent der Betriebe Flüchtlinge einstellen. Generell ist die Einstellungsbereitschaft in großen Unternehmen stärker ausgeprägt: 85 Prozent der Großunternehmen (mehr als 100 Millionen Euro Umsatz) würden Flüchtlinge beschäftigen, bei kleineren Unternehmen (bis 30 Millionen Euro Umsatz) sind es nur 72 Prozent. Am ehesten würden Mittelstandsunternehmen in Oberösterreich (84%) Flüchtlinge einstellen, gefolgt von Vorarlberg (83%) und Wien (79%).
Mangelnde Sprachkenntnisse und bürokratischer Aufwand größte Hindernisse
Als größte Hürde bei der Einstellung von Flüchtlingen nennen die meisten Mittelstandsunternehmen (76%) keine oder mangelnde Sprachkenntnisse. Viele mittelständische Unternehmen schrecken auch gesetzliche und bürokratische Hürden ab: 47 Prozent nennen den hohen bürokratischen Aufwand bei der Einstellung von Flüchtlingen als Hindernis. Jeweils 45 Prozent sehen die unklare Gesetzeslage während laufender Asylverfahren, mangelnde Qualifikation und fehlende Planungssicherheit, etwa durch die Gefahr der Abschiebung, als Problem.
„Der Wille, Flüchtlinge anzustellen, ist bei den österreichischen Mittelstandsunternehmen stark ausgeprägt und weit verbreitet. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration am heimischen Arbeitsmarkt sind positiv. Allerdings scheitert die Einstellung von Flüchtlingen momentan noch häufig an bürokratischen Hürden und mitunter unklaren arbeitsrechtlichen Regelungen. Es müssen dringend Rahmenbedingungen geschaffen werden, die gerade mittelständischen Unternehmen größere Planungssicherheit geben“, so Helmut Maukner.
Negative Auswirkungen durch gestiegene Zuwanderung erwartet
Obwohl die überwiegende Mehrheit der mittelständischen Unternehmen Flüchtlinge anstellen würde, bereiten ihnen die Auswirkungen der gestiegenen Zuwanderung auf die wirtschaftliche Entwicklung in Österreich Sorge. Rund jedes dritte Mittelstandsunternehmen (36%) geht davon aus, dass sich die Zuwanderung „eher“ oder „sehr negativ“ auf die zukünftige Entwicklung der österreichischen Wirtschaft auswirken wird. Nur ein Viertel (25%) rechnet mit positiven Folgen.
Dazu Helmut Maukner: „Obwohl viele Mittelstandsunternehmen die gestiegene Zuwanderung vor allem als Chance sehen, Fachkräfte für den eigenen Betrieb zu finden, gehen sie eher von negativen Folgen für das Wirtschaftssystem in Österreich aus. Die schwache Konjunkturentwicklung bereitet ihnen ebenso Sorgen wie die angespannte Situation am Arbeitsmarkt. Das schürt bei vielen Mittelstandsunternehmen Zweifel, ob die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt bei der derzeitigen Wirtschaftslage erfolgreich bewältigt werden kann.“
Mittelstandsunternehmen fordern „Talentecheck“
Großteils einig sind sich die österreichischen Mittelstandsunternehmen darin, dass ein strukturierter „Talentecheck“ die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt erleichtern würde: Mehr als drei Viertel (77%) sprechen sich dafür aus, dass Abschlüsse und Kompetenzen bereits frühzeitig erfasst werden sollen, um gezielt Fachkräfte zu finden. Gegen diese Maßnahme spricht sich nicht einmal jeder Vierte aus. Am stärksten befürworten Mittelstandsunternehmen aus Industrie (79%) und Bau/Energie (78%) einen „Talentecheck“.
Gesteuerte Zuwanderung polarisiert
Trotz der grundsätzlich positiven Einstellung zu Flüchtlingen als Arbeitnehmer sind die Mittelstandsunternehmen bei der Frage, ob eine gesteuerte Zuwanderung nach Österreich zur Minderung des Fachkräftemangels Sinn macht, gespalten: Nur die knappe Mehrheit (55%) spricht sich für diese Strategie aus. Mittelstandsunternehmen in Wien (64%) befürworten eine gesteuerte Zuwanderung am stärksten, gefolgt von der Steiermark (58%) und Oberösterreich (56%). Am kritischsten sind Mittelstandsunternehmen im Burgenland (49%), in Tirol (50%) und in Kärnten (52%).