Moderne Technologien haben unser Leben deutlich beschleunigt. Spezielle Tools und Apps helfen aber auch, Termine und Aufgaben wieder besser in den Griff zu bekommen, meint Unternehmensberaterin Corinna Ladinig.
(+) plus: Was sind die größten »Zeitdiebe«?
Corinna Ladinig: Auf jeden Fall die E-Mail-Flut. Dabei gibt es viele wirksame Tipps, um Mails effizienter zu gestalten. Ein weiterer großer Zeitdieb ist das Telefon, weil man eingehende Anrufe ja nicht steuern kann. Manchmal sind es auch Kolleginnen und Kollegen, die vorbeikommen, nur tratschen wollen oder schnell etwas fragen. Wenn ich einen sehr intensiven Tagesplan habe, empfinde ich das alles als Störung. Manchmal fällt auch der Chef oder die Chefin darunter: Wenn die etwas ad hoc brauchen, hat das zumeist Vorrang und bringt die eigene Ordnung durcheinander. In internationalen Konzernen, die über die ganze Welt verstreut Niederlassungen haben, wird die Koordination von Terminen durch die Zeitverschiebung zusätzlich erschwert.
(+) plus: Wie kann man lernen, Prioritäten zu setzen?
Ladinig: Ich empfehle meinen Klienten, eine Matrix anzulegen: Was stiehlt mir meine Zeit? Und kann ich etwas dagegen tun oder nicht? Dem Chef könnte man Vorschläge für bessere Arbeitsstrukturen machen. Bei Kundenanrufen gibt es vielleicht die Möglichkeit, zu bestimmten Zeiten auf eine Box umzuschalten oder zu Kollegen umzuleiten, damit man in einem Konferenzraum konzentriert arbeiten kann.
Um Prioritäten setzen zu können, muss ich mich aber zuerst mit den Zielen auseinandersetzen. Menschen, die ständig im Stress sind, haben meist nur die Zeitkomponente im Kopf. Das führt dazu, dass sie sich verzetteln und nicht zu den Dingen kommen, die sie wirklich weiterbringen. Ich berücksichtige darüber hinaus die persönliche Typologie. Perfektionisten bereiten sich lang und gut vor, sie wollen immer alles 150-prozentig machen und verlieren dadurch Zeit. Und es gibt Menschen, die sich überhaupt nicht oder nur unter Zeitdruck vorbereiten und ebenfalls in Stress geraten. Jeder ist anders gestrickt.
(+) plus: Ist das Delegieren von Aufgaben eine Lösung?
Ladinig: Viele Führungskräfte sagen, bevor sie etwas erklärt haben, sind sie schon selbst damit fertig. Das stimmt, aber dann haben sie nie jemanden, der Aufgaben übernehmen kann. Ich muss mir dafür einmal Zeit nehmen und das gut organisieren. Bei einem größeren Projekt oder einer Präsentation wäre es wichtig, die Person sorgfältig auszuwählen und vorher alles zu besprechen. Man muss als Führungskraft vertrauen können, aber auch loslassen.
"Wenn Kundentermine so knapp eingeteilt sind, dass ich mich nicht mehr auf den nächsten Gesprächspartner einstellen kann, wird es wirklich ineffizient." |
(+) plus: Sind To-do-Listen für alle Menschen sinnvoll?
Ladinig: Chaotische Menschen lehnen Listen ab, aber sie lieben Tools und über diese Schiene kann ich sie erwischen. Für Einkaufslisten und Erinnerungszeichen wie »Remember the milk« oder andere Apps sind technikaffine Menschen sehr empfänglich. Auch Buntes wirkt gut, zum Beispiel bunte Aktenreiter oder Zwischenblätter – aber bitte keine Post-its, das würde ich im Zeitmanagement nicht empfehlen. Wenn unorganisierte Menschen in einer Führungsfunktion sind, brauchen sie eine Assistenz, die Struktur in ihre Arbeit hineinbringt und in regelmäßigen Briefings die wichtigsten Punkte bespricht. Dann können sie in ihrem kreativ-chaotischen Bereich bleiben.
(+) plus: Soll man Freiräume fix einplanen?
Ladinig: Zwischen 20 und 40 % eines Tages sollte man als Puffer einbauen. Einer der Zeitdiebe ist nämlich, sich zu verschätzen. Manchmal ist einem gar nicht bewusst, warum man ständig so gehetzt ist. Das kann ja verschiedene Gründe haben: Verlockungen von außen, die man interessant findet, aber auch Personalmangel oder Wegzeiten, die nicht berücksichtigt werden. Das ist das magische Denken – alles wird sich schon irgendwie ausgehen. Beamen ist aber leider noch nicht möglich. Wenn Kundentermine so knapp eingeteilt sind, dass ich mich nicht mehr auf den nächsten Gesprächspartner einstellen kann, wird es wirklich ineffizient.
(+) plus: Wie lässt es sich schaffen, dass Familie und Freunde nicht zu kurz kommen?
Ladinig: Wie die beruflichen Termine sollte auch der private Bereich analysiert werden: Wie gestalte ich meine Freizeit, habe ich Zeit für Hobbys und Regenerationsphasen? Treffe ich überhaupt noch Freunde? Wenn da nichts übrig bleibt, ist das ein Warnsignal. Diese privaten Termine kann man ja durchaus in geschützter Ansicht in den Firmenkalender eintragen. Außerdem: Handys haben auch einen Ausschaltknopf!
(+) plus: Ist Zeitmanagement eigentlich Selbstmanagement?
Ladinig: Im Prinzip ja. Man kann mit Systemen unterstützen, aber in Bereichen mit individueller Gestaltung sieht man, dass es den einen leichter, den anderen schwerer fällt. Manche Menschen hoffen auf ein Wundermittel, das gibt es aber nicht. Man muss sich selbst als Gestalter seiner Welt begreifen, nicht immer als Opfer. Es gibt keine Wunderpille und alles ist gut.