Samstag, Dezember 21, 2024
Bau 2030

Was die Bauindustrie von der Gaming-Industrie und Massive Multiplayer Online Role-Playing Games wie »World of Warcraft« lernen kann. Von der perfekten Organisation aller Beteiligten über die Darstellung komplexer Informationen bis zur Gamification.

Ein Gastkommentar von Michael Dell.

Die Digitalisierung stellt die Baubranche vor die größten technologischen Veränderungen seit der Einführung von Baumaschinen. Dabei geht es in erster Linie um die (drastische) Reduktion der Baukosten sowie die Erhöhung von Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Dokumentation. Wer sich nicht rechtzeitig mit diesen Veränderungen auseinandersetzt, wird es schwierig haben – gleichzeitig fehlen uns die Fachkräfte für diese Änderungen, nicht zuletzt deswegen, weil es kaum relevante und fachlich rasch umsetzbare Aus- und Weiterbildungsangebote gibt.

Als Begründung, warum technologische Entwicklungen am Bau oft langsamer umgesetzt werden als in anderen Branchen, wo z.B. Industrie 4.0 längst »gegessen« ist, wird oft die hohe Komplexität der Branche genannt, wo viele Gewerke zusammenarbeiten müssen und gleichzeitig oft unterschiedliche Ziele von Architekten, Planern, Ausführenden, Bauherren, Betreibern und Nutzern unter einen Hut gebracht werden müssen. Oft wird argumentiert, dass dies weder durch BIM noch durch irgendeine andere Softwareunterstützung gelöst werden kann. Hier möchte ich vehement widersprechen!

Vorbild MMORPG

Sehen wir uns doch einmal an, was Gamern, Computerspielern, heute bereits problemlos gelingt. Da organisieren sich mehrere 1000 Spieler in der virtuellen Welt in MMORPGs (Massive Multiplayer Online Role-Playing Games, Massen-Mehrspieler-Online-Rollenspielen), die über die ganze Welt verteilt sind, um bestens koordiniert eine Aktion gegen ein paar tausend andere Spieler einer anderen Gilde oder eines anderen Clans durchzuführen. Dabei haben die unterschiedlichen Charaktere unterschiedliche Stärken, Schwächen und Zielsetzungen und müssen bestimmte Aktionen zuerst durchgeführt werden und andere später, um erfolgreich sein zu können.

Wenn sich ein paar tausend Gamer so organisieren können, warum fällt es uns auf der Großbaustelle noch immer so schwer? Weil wir veraltete Technologien benutzen – WhatsApp Gruppen sind da meist schon das Modernste, was eingesetzt wird. Meist wird per Telefon 1:1 kommuniziert, der ausgedruckte Plan wird mit Bleistift und Kugelschreiber beschrieben und Transparenz und Nachvollziehbarkeit sind – gelinde gesagt – verbesserungswürdig.

Methoden der AR (Augmented Reality) werden in naher Zukunft die virtuelle Welt des Planes mit der realen Welt auf der Baustelle verbinden – man wird virtuell hinter die Mauern schauen oder Objekte im IST mit dem SOLL abgleichen können. Diese Darstellung ist 3D-CAD Programmen kaum möglich, da die Geschwindigkeit nicht ausreicht. Das Übersetzen aus 3D-CAD in Gaming-Engines ist daher heute eine vielfach gelebte Praxis. AR auf der Baustelle kommt aber eher nicht über Brillen oder Smart Helmets, sondern für Handy oder Tablet. Warum? Weil in einer frühen Bauphase, wo der Lift noch nicht funktioniert, kaum jemand freiwillig einen schweren Rucksack mit ein paar Kilogramm Gaming Notebook zu Fuß in den 43. Stock tragen wird, um dort mittels AR etwas anzusehen.

Weitere Anleihen aus der Spiele-Industrie betreffen z.B. die Darstellungsmöglichkeiten von komplexen Informationen oder die Bewegung in virtuellen Räumen. Die punktgenaue Verortung von Gegenständen und Informationen im dreidimensionalen Raum ist in der Spielewelt seit langem gelöst, stellt uns aber etwa bei der plangetreuen Verortung von Informationen am Bau immer noch vor Herausforderungen. Hier können wir von den Spielentwicklern lernen, sie in die Entwicklung von BIM-Lösungen und Plug-Ins der nächsten Generation integrieren – eine Kooperation, die sicher nicht einfach ist, weil unterschiedliche Sprachen gesprochen werden, aber eine Zusammenarbeit, die große Entwicklungssprünge erwarten lässt.

Schließlich ist noch die Gamification, also die Anwendung spiel-typischer Elemente in einem spielfremden Kontext, zu nennen. Dazu gehören etwa Erfahrungspunkte, High-Score-Tabellen, Fortschrittsbalken, Statistiken oder virtuelle Auszeichnungen, die die Motivation steigern sollen und die Transparenz erhöhen.

Mehr Offenheit

Alles in allem: Auf die Branche kommen eine Reihe von interessanten Entwicklungen zu. Sie wird sich öffnen müssen, um diese Entwicklungen zuzulassen und sicherstellen, dass dadurch das alltägliche Leben auf der Baustelle auch wirklich erleichtert wird. Die höhere Transparenz und Nachvollziehbarkeit wird heute sicherlich nicht von allen als wünschenswert gesehen, wird aber in Summe zur Qualitätsverbesserung, Kostenreduktion und Minimierung von Streitfällen führen. Es bleibt spannend!

www.warp-innovation.com

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