Maria Tagwerker-Sturm, Innovationsmanagerin bei Umdasch Group Ventures, erklärt im Interview, warum der Innovationshub der Umdasch Group AG auf 3D-Druck und Betonfertigteile setzt und dennoch keine Konkurrenz zur Doka ist. Außerdem spricht sie über zukünftige Innovationsschwerpunkte und worin sich die Umdasch Group Ventures von den Entwicklungszentren anderer Unternehmen unterscheidet.
Report: Die Umdasch Group Ventures ist der Innovationshub der Umdasch Group. Was genau kann man sich darunter vorstellen?
Maria Tagwerker-Sturm: Wir sind die dritte Tochter der Umdasch Gruppe, eine Schwester der Doka. Das führt oft zu Irritationen, weil das Unternehmen anfänglich Doka Ventures geheißen hat. Es ist natürlich schön für uns, mit der Doka in Verbindung gebracht zu werden, weil es eine starke Marke ist, aber das Tätigkeitsfeld der Umdasch Ventures geht weit über das der Doka hinaus.
Report: Wie genau sieht dieses Tätigkeitsfeld aus?
Tagwerker-Sturm: Wir entwickeln Innovationen für den gesamten Bauprozess und den Retailbereich. Retail deswegen, weil die zweite Umdasch-Tochter, The Store Makers, im Ladenbau aktiv ist.
Report: Wo liegen die Schwerpunkte im Baubereich?
Tagwerker-Sturm: Im Baubereich machen wir alles außer Schalung, das ist die Kernkompetenz der Doka. Wir beschäftigen uns mit neuen Themen, die Potenzial für neue Geschäftsfelder versprechen und global anwendbar sind.
Report: Von welchen Themenbereichen versprechen Sie sich am meisten?
Tagwerker-Sturm: Wir arbeiten an einigen vielversprechenden Innovationen. Aber nicht alles ist bereits für die Öffentlichkeit bestimmt (lacht). Zwei aktuelle Projekte, über die ich auch schon sprechen kann, betreffen den 3D-Druck und die mobile Fertigungsfabrik Neulandt 3P, die wir eben in Amstetten errichtet haben.
Diese Fabrik kann überall aufgestellt werden, um Betonfertigteile zu produzieren. Das ermöglicht eine Massenfertigung von Low-Cost-Häusern, und zwar nicht zu Lasten der Qualität, sondern durch eine Optimierung der Prozesse.
Report: Damit begeben Sie sich aber in direkte Konkurrenz zur Ortbetontechnik?
Tagwerker-Sturm: Wir sehen das nicht als Konkurrenz, sondern vielmehr als logische Ergänzung. Das gilt auch für den 3D-Druck. Da ergeben sich völlig neue Synergien. Die Baubranche ist riesig, da ist Platz für viele verschiedene Technologien und so stellen wir uns breiter auf.
Report: Es gibt in Österreich viele Betonfertigteilhersteller. Sehen Sie sich selbst als neuen Mitbewerber in diesem Feld?
Tagwerker-Sturm: Nicht unbedingt. Wir spezialisieren uns mit unserer Fertigteilfabrik auf leistbares Wohnen, vor allen in Schwellenländer. Es geht um die Massenfertigung von Low Cost Häusern mit einem hohem Vorfertigungsgrad.
Report: Ab welcher Größenordnung rechnet sich eine derartige Fabrik?
Tagwerker-Sturm: An die 1000 Häuser können por Jahr und Fabrik errichtet werden. Wir haben aber auch schon Interessenten, die von 3000 und mehr Häusern sprechen.
Report: Welche konkreten Anwendungsgebiete sehen Sie für den 3D-Druck?
Tagwerker-Sturm: Überall dort, wo es schnell gehen muss, etwa nach Naturkatastrophen. Mit 3D-Druck kann ein Rohbau in 24 Stunden errichtet werden. Aber auch für architektonisch komplexe Formen ist der 3D-Druck ideal.
Report: Wie praxisrelevant sind diese beiden Bereiche schon heute?
Tagwerker-Sturm: Beim 3D-Druck befinden wir uns noch in der finalen Prototypenphase, aber wir sehen schon jetzt, dass es funktioniert und wir bald in die Fertigung gehen können. Spätestens in der zweiten Jahreshälfte 2019 sollte es so weit sein. Einen Schritt weiter sind wir bei der mobilen Fertigungsfabrik, die wir vor wenigen Tagen im Rahmen eines Open House potenziellen Kunden und Interessenten vorgestellt haben. Den Prototypen kann man bereits verwenden und verkaufen.
Daran sieht man auch, dass wir unsere Innovationen nicht nur für den konzerninternen Gebrauch entwickeln. Wir wollen diese Produkte und Lösungen vermieten oder verkaufen und langfristig selbst mit den neuen Geschäftsmodellen in den Markt einsteigen.
Report: Können Sie zumindest andeuten, in welche weiteren Richtungen aktuell gearbeitet und geforscht wird?
Tagwerker-Sturm: Ein wesentlicher Themenkomplex ist die Digitalisierung der Baustelle. Da geht es vor allem um das Management der Teams, des Materials und der Prozesse auf den Baustellen mit Hilfe von Sensorik.
Report: Beim Thema Sensorik denkt man natürlich gleich an Concremote, das Diagnosetool für den richtigen Zeitpunkt zum Ausschalen?
Tagwerker-Sturm: Das ist richtig. Concremote ist einzigartig, es misst die Betonaushärtung für den optimalen Ausschalzeitpunkt. Aber – so viel kann ich sagen – auf der Baustelle gibt es noch viel mehr zu digitalisieren, um die Produktivität zu steigern
Report: Bleiben alle diese Entwicklungen auch langfristig unter dem Dach der Umdasch Group Ventures?
Tagwerker-Sturm: Die Ventures hat den Auftrag der Innovation. Für die Verwertung dieser Innovationen werden eigene Töchterunternehmen gegründet. Das ist aktuell in den Bereichen Fertigungsfabrik und Digitalisierung der Fall. Es gibt auch das Szenario, dass Innovationen in die bestehenden Divisionen integriert werden.
Report: Gibt es Kooperationen mit Universitäten, Forschungseinrichtungen oder anderen Unternehmen?
Tagwerker-Sturm: Wir arbeiten natürlich eng mit der Doka zusammen. Ohne der Doka würde es auch den Prototyp der Fabrik nicht geben. In jedem Projekt arbeiten wir mit externen Partnern zusammen. Universitäre Kooperationen haben sich bei uns für langfristige Forschungsthemen bewährt. Bei vielen Themen sind wir sehr anwendungsorientiert und bringen in wenigen Monaten Prototypen in das Feld. Den Prototypen der Fabrik haben wir in weniger als acht Monaten realisiert. Dazu holen wir uns Partner aus der Praxis an Bord. Die Zusammenarbeit mit Universitäten ist vor allem dann sinnvoll, wenn es um längerfristigere Kooperationen und Grundlagenforschung geht.
Report: Ein Blick in die Zukunft: Mit welchen Themen werden Sie sich in zwei, drei Jahren vermutlich beschäftigen?
Tagwerker-Sturm: Das Thema Digitalisierung wird uns ständig begleiten, speziell in Verbindung mit Sensorik und Internet der Dinge. Und zwar sowohl im Retail- als auch im Baubereich. Auch BIM spielt natürlich eine Rolle. Wir haben einen eigenen BIM-Manager, der das Thema für alle Projekte aufbereitet.
Report: Was unterscheidet die Umdasch Ventures von Entwicklungseinrichtungen anderer Unternehmen?
Tagwerker-Sturm: Das Besondere ist, dass wir ein eigenes Unternehmen sind und damit deutlich größere Freiräume und kurze Entscheidungswege haben. Ich komme selbst aus dem Innovationsmanagement und habe mich viel mit diesen Themen beschäftigt. Deshalb weiß ich, dass disruptive Innovation nur so funktionieren kann.
Denn sonst gilt immer »dringlich« vor »wichtig«, dominiert immer das Tagesgeschäft, müssen Fehler und Risiken minimiert werden. Das ist Gift für echte Innovationen, denn da müssen Risiken eingegangen werden.
Fertigteilfabrik Neulandt 3P
Das Projekt Neulandt 3P ist die erste erfolgreiche Entwicklung der Umdasch Group Ventures, die den Sprung von der Theorie in die Praxis geschafft hat. Dabei handelt es sich um eine mobile Feldfabrik zur Herstellung von Betonfertigteilen, die eine hohe Produktivität und optimierte Arbeitsabläufe garantieren soll. Die Fabrik wird mit der gesamten integrierten Infrastruktur wie etwa einem Kran mit ca. 40 Containern zur Baustelle transportiert und ist nach rund vier Wochen Montage betriebsbereit.
Die verwendete Schmetterlingstechnologie ermöglicht die Durchführung der Schalungstätigkeiten an vorgelagerten Arbeitsplätzen. Dadurch kann die Produktivität der Batterieschalung maßgeblich gesteigert werden. Schmetterlinge sind faltbare Schalungskonstruktionen, welche eine einfache und schnelle Belegung mit Bewehrung und Installationseinbauten in ergonomischer Arbeitsposition gewährleisten. Die Fertigteile können projektspezifisch innerhalb der Dimension von 6.8m x 2.9m variieren. Die Fertigteildicken sind variabel von 7cm bis 20cm.