Sonntag, Dezember 22, 2024
"Jedes Kundenbindungsprogramm kann auf einer Blockchain abgebildet werden"
Foto: Gabriela Koch

Die Digital-Expertin Anita Posch ist Autorin eines im März erschienenen Ratgebers für Neueinsteiger. Im Gespräch mit dem Report erläutert Sie, warum Kryptowährungen und die Blockchain auch für Unternehmen und Kundenbindungsprogramme passen.

Report: Wo sehen Sie die Faszination an Kryptowährungen? Warum sind Bitcoin & Co. auch für Unternehmen interessant?

Anita Posch: Es gibt mehrere Aspekte, die Kryptowährungen so interessant und spannend machen. Es ist das erste Mal, dass die Charakteristika einer Bargeldzahlung direkt umgelegt werden können in die digitale Welt. Das heißt, wer mit Bitcoin bezahlt tut das genauso sicher und 'persönlich' wie bei einer Barzahlung, aber ohne Vermittler. Das war bisher nicht möglich. Um Zahlungen sicherzustellen, brauchte man bisher eine Bank und andere Zahlungsdienstleister zum Beispiel PayPal oder Kreditkartenunternehmen. Mit Kryptowährungen ist man also nicht auf Bankdienstleistungen angewiesen, sondern kann ohne Zugangsbeschränkung ein 'Konto eröffnen'. Das ist für einige Milliarden Menschen weltweit eine wichtige Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten. Im Falle des Bitcoin ist die Geldmengenpolitik in die Software miteingebaut. Es werden maximal 21 Millionen Bitcoin erzeugt werden. Kein Staat, kein Machthaber und somit keine Bank kann Geld, das nicht gedeckt ist, drucken. Dadurch sind Hyperinflationen wie man sie aus Zimbabwe oder Argentinien kennt, nicht möglich.

Für Unternehmen interessant sind die Annahme von Kryptowährungen als Zahlungsmittel im Online-Shopping und die weitaus raschere Abwicklung von internationalen Zahlungen zu - bei großen Beträgen - viel geringeren Kosten als derzeit. Die Volatilität des Bitcoin kann durch den Einsatz von Zahlungsdienstleistern, die das Kursrisiko übernehmen, abgefangen werden. Oder man tauscht die erhaltenen Bitcoin gar nicht in Euro um, sondern verwendet sie für weitere Zahlungen.

Ich gehe davon aus, dass in Zukunft viele verschiedene Währungen neben dem Euro existieren werden. Zum Beispiel regionale Währungen wie der Tel Aviv Schekel, die die lokale Wirtschaft beleben oder Token, also Wertmarken, die man für bestimmte Tätigkeiten bekommt - zum Beispiel der SolarCoin, der einen Anreiz zum Ausbau von Solarenergie bietet. Jedes Kundenbindungsprogramm kann auf einer Blockchain abgebildet werden. Statt Loyalty Points könnte es dann etwa einen Billa-Coin geben, mit dem man bei allen beteiligten Unternehmen einkaufen kann. Die Anwendungsmöglichkeiten von Blockchains und deren Coins sind also vielfältig.

Report: Worauf sollte man bei einem Kauf von Kryptowährungen prinzipiell beachten, um auch etwas Risiko zu minimieren?

Posch: Das Wichtigste ist, dass man sich mit der Thematik befasst und selbst den privaten Schlüssel für die Coins besitzt. Es gibt zahlreiche Online-Wechselbörsen, bei denen man Coins kauft, diese aber von der Börse verwaltet werden. Das kann zu Problemen führen, falls die Börsen gehacked werden oder aus irgendwelchen Gründen schließen. Der Kryptomarkt zieht leider sehr viele Menschen an, die schlechte Absichten haben und die Unwissenheit anderer ausnutzen. Es werden zum Beispiel Coins erfunden, die gar nicht existieren, oder es wird per Pump-and-Dump ein Hype erzeugt. Die Leute kaufen da aufgrund der steigenden Preise, die Initiatoren verkaufen rechtzeitig und sind mit dem Geld über alle Berge.

Ein aktueller Fall, der die Gerichte beschäftigen wird ist Optioment. Außerdem gibt es viele Multi-Level-Marketing Anbieter, die Coins verkaufen. Hier muss man zuerst eine Art "Marketing-Paket" kaufen, um einsteigen zu können, und in der Folge muss man seine Freunde und Verwandten dazu bringen, auch Coins zu kaufen. Finger weg von solchen Angeboten. Man kann Kryptowährungen selbst kaufen und das ist auch eine der Intentionen von Bitcoin: privates Geld zu sein, ohne staatlichen Zugriff. Was nicht bedeutet, dass Gewinne auf Kryptowährungen nicht zu versteuern sind. Es ist ein immer wiederkehrendes Missverständnis, dass Bitcoin anonym ist. Vielmehr ist es pseudoym. Die Bitcoin-Blockchain ist öffentlich einzusehen und Zahlungen können nachverfolgt werden.

Report: Warnung von Finanzinstituten, der Verbot von ICOs in einigen Staaten - Kryptowährungen treffen auf starken Gegenwind. Steht nicht auch einfach noch eine Regulierung dieses Marktes aus? Ganz ohne geregelten Marktmechanismen wird es auf Dauer nicht funktionieren - oder?

Posch:
Ja, im Moment herrscht starker Gegenwind. Das zeigt sich auch im Kurs, der seit Ende Dezember 2017 stark gefallen ist. Es gibt zu viele Unsicherheiten. Einerseits sind dies Betrügereien und andererseits ist die Frage offen, wie sich Kryptowährungen durchsetzen werden. Deshalb ist es gut, wenn die Länder Regulierungen einführen. Diese sollen KonsumentInnen so weit wie möglich vor Betrug schützen und gleichzeitig nicht allzu eng sein, damit wirtschaftliche Innovation möglich bleibt. Das Verbot von Facebook, Google und Twitter in Bezug auf Werbung für Kryptoprodukte ist grundsätzlich eine gute Idee, aber leider völlig überzogen. Denn es werden nicht nur Anzeigen für Betrugsmodelle verbannt, sondern zum Beispiel auch mein Buch, das sich genau gegen Betrug richtet oder andere Initiativen gegen Scams.

Report: Wenn Sie in eine Währung - krypto oder herkömmliche - groß investieren könnten, welche wäre das zur Zeit?

Posch: Meine Empfehlung ist, sich zuerst mit der Bitcoin-Blockchain und ihrer Funktionsweise zu beschäftigen. Dann kann man die Seriosität und möglichen Chancen anderer Kryptocoins besser einschätzen. Persönlich würde ich Bitcoin wählen, es hat immer noch die meiste Verbreitung, wurde noch nie gehacked und hat bereits einige Krypto-Winter überlebt.


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Über die Autorin
Seit über 20 Jahren ist Anita Posch im Bereich digitaler Innovationen erfolgreich tätig. Im Februar 2018 erhielt sie von Top-Speaker und Bestseller-Autor Hermann Scherer den gleichnamigen Academy Award beim internationalen Speaker-Slam in München. Als Unternehmerin gründete sie bereits 2006 eine online Plattform für Coworking-Spaces sowie einen E-Commerce Marktplatz für über 60 Design- und Handwerksbetriebe.
Als Bereichsleiterin bei der KTM Sportmotorcycle GmbH und als Beraterin der Woom GmbH war sie maßgeblich am Aufbau neuer Verkaufskanäle über das Internet beteiligt.

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