Sonntag, Dezember 22, 2024
Mehrkostenforderungen am Bau – Spaltung in zwei Lager?

Das Thema der Nachweisführung bei Mehrkostenforderungen resultierend aus dem »ergänzenden« Werklohnanspruch bei gestörtem Bauablauf nach § 1168 Abs 1 Satz 2 ABGB wird derzeit in der baubetrieblichen sowie juristischen (Bau-)Szene äußerst kontrovers diskutiert. Es haben sich bereits »zwei Lager« gebildet – Verfechter des »Globalnachweises« und Verfechter des »konkreten« Nachweises. Zahlreiche Artikel über dieses Thema säumen derzeit die baurechtliche Landschaft. Viel diskutiert – aber (noch) keine Lösung.

Die erste große Kontroverse ergibt sich schon dadurch, dass Uneinigkeit darüber besteht, worauf die Frage der Nachweisführung (global/konkret) überhaupt bezogen ist – auf den Anspruch dem Grunde nach, auf den Anspruch der Höhe nach, auf beides? Es gibt Stimmen, die eine konkrete Nachweisführung bloß bezogen auf die Höhe der angemessenen Entschädigung, resultierend aus einer Verzögerung aufseiten des Auftraggebers, sehen. Andere Meinungen wiederum erachten eine konkrete Nachweisführung, auch bezogen auf den Grund des Anspruches, für erforderlich. Für Letzteres kommt vor allem aus der Sphäre der Auftragnehmer harsche Kritik.

Gerade im Dunstkreis der Auftragnehmer wird vermehrt eine Beweiserleichterung gewünscht und die Anwendung des Anscheinsbeweises sowohl für den Nachweis des Anspruchs dem Grunde nach (auch für den Eintritt eines Nachteiles als solchem) als auch dem Anspruch der Höhe nach als ausreichend erachtet. Über die Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises als solchen herrscht zwar grundsätzlich Einigkeit, jedoch nicht darüber, in welchem Ausmaß und zum Nachweis welchen Anspruchs (dem Grunde nach/der Höhe nach) dieser heranzuziehen ist. Einigkeit besteht allerdings grundsätzlich darüber, dass der Richter gemäß § 273 ZPO eine Schätzung des Anspruchs der Höhe nach vornehmen kann (muss), wenn jener nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten festgestellt werden kann – dies ist auch in Deutschland gängige Praxis.

Kritische Stimmen zur Einzelnachweisführung /konkreten Nachweisführung sehen vor allem in der Vermischung von baubetrieblichen Zugängen und juristischen Zugängen ein Problem. Verfechter des »Globalnachweises« sind der Ansicht, dass die baubetriebliche Praxis den Begriff des Einzelnachweises ausschließlich zur Ermittlung der Mehrkostenforderung der Höhe nach heranzieht und dieser nicht auf die Ermittlung des Anspruches dem Grunde nach heranzuziehen ist. Diesbezüglich wird starke Kritik von Verfechtern des »konkreten« Nachweises geübt, die, der deutschen Rechtsprechung folgend, auch eine detaillierte Nachweispflicht des Anspruchs dem Grunde nach fordern.

Ein weiterer Meinungsstreit liegt auch in der Uneinigkeit darüber, ob es sich bei dem Anspruch aus § 1168 Abs 1 Satz 2 ABGB um einen Entgeltanspruch auf Basis des ursprünglichen Vertrages handelt oder um einen Schadenersatz(ähnlichen)-Anspruch. Beeinflusst auch von der deutschen Rechtsprechung zu diesem Thema, nach welcher für die haftungsbegründende Kausalität (Haftung dem Grunde nach) eine strenge Nachweispflicht besteht, wird auch über eine Deckung der Anspruchsgrundlage des § 1168 Abs 1 Satz 2 ABGB mit jener des Schadenersatzes sehr kontroversiell diskutiert.

Bis dato gibt es noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung in Österreich, die diesen Meinungsstreit abschließend in eine Richtung lenkt. Aufgrund der hohen Brisanz des Themas wird jedoch wohl in naher Zukunft eine Stellungnahme des OGH diesbezüglich zu erwarten sein. Bis dahin und vermutlich auch noch über eine etwaige OGH Entscheidung hinaus werden uns aber sicher noch viele spannende und hitzige Diskussionen zu diesem brisanten Thema sowohl in der Bauwirtschaft als auch in der Rechtswissenschaft begleiten.

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