Karl Sagmeister, Country Manager von Schneider Electric, spricht über die derzeit wachsenden großen Entwicklungsbereiche Internet of Things, Home Automation und Elektromobilität.
Zur Person: Karl Sagmeister leitet seit Juli 2017 das österreichische Geschäft des französischen Technologiekonzerns Schneider Electric. Er war bereits von 2001 bis 2007 in unterschiedlichen Managementpositionen bei dem Spezialisten für Energiemanagement und Automatisierung tätig und kehrte 2016 zurück, um das Partner-Geschäft im Unternehmen zu leiten. Sagmeister hat eine höhere technische Lehranstalt für Elektrotechnik sowie den Lehrgang für Marketing und Verkauf absolviert, sowie ein Masterstudium zum General Management.
(+) plus: Welche Themen bestimmten derzeit technische Entwicklungen in der Industrie? Welche Bereiche deckt Schneider Electric ab?
Karl Sagmeister: Wir sehen die drei Megatrends Urbanisierung, Digitalisierung und einen extrem steigenden Energiebedarf. Technologiegetrieben wir das Ganze vom »Internet of Things« und den gesellschaftlichen Entwicklungen dazu. Lösungen zu all diesen Herausforderungen im Gebäude-, Industrie und Infrastrukturbereich können auf unserer EcoStruxure-Plattform bündeln. Man kann sich das wie einen Weihnachtsbaum vorstellen, der mit vielen Kugeln geschmückt wird. Jeder kann mit seinen Ideen dazu beitragen.
EcoStruxure bildet den Rahmen für Prozesse im Gebäude – das kann ein einzelnes Wohn- oder Bürogebäude sein, ein Universitätscampus mit vielen Objekten oder auch ein Immobilienportfolio eines Investors. Im Bereich IT geht es wieder um Produkte rund um Energiemanagement für Datacenter – für große Rechenzentren oder kleinere Serverräume bei den Unternehmen. Im Industriebereich adressieren wir zum einen Prozessmanagement, etwa für die Zementindustrie und Metallindustrie, wo die Gestehung eines Produktes einen hohen Energieanteil erfordert. Zum anderen sind hier Maschinen das Thema: Wie kommunizieren Maschinenteile untereinander? Wie können wir mit Daten bereits im Vorfeld einen notwendigen Wartungseinsatz prognostizieren, noch bevor es zu einem Stillstand kommt?
Und im Netzbereich haben wir den Prosumer, der mit einer kleinen Photovoltaikanlage am Hausdach selbst Strom erzeugt und diesen vielleicht auch gleich ins eigene Elektroauto speist. Diese Kunden bauen etwas auf, was bislang den Netzbetreibern vorbehalten war: ihr eigenes, kleines Stromnetz mit Erzeugung, Verteilung und Verbrauchern. In solchen Microgrids, wie wir es nennen, braucht es entsprechende Produkte und Software, die Energie auf Haushaltsebene zu managen.
Energieversorgungsunternehmen werden künftig Tage erleben, an denen aufgrund guter Windverhältnisse oder Sonneneinstrahlung im einzelnen Gebieten überhaupt keine Energie aus Großkraftwerken mehr benötigt wird. Wir bieten dazu alles an: von der Technik für das Smart-Home bis hin zur kompletten Netzsteuerung.
(+) plus: Wie sieht denn das Zusammenspiel mit der Hardware und Software anderer Hersteller aus?
Sagmeister: Unsere Plattform ist offen für die Anbindung von Produkten und Lösungen anderer Hersteller. Ähnlich dem Smartphone-Betriebssystem Android ist rund um EcoStruxure bereits eine weltweite Entwicklergemeinschaft entstanden, die an Anwendungen arbeitet. Die Bibliotheken und Zahl der Apps dazu jedenfalls wachsen rasant.
(+) plus: Dennoch befindet sich der Markt für Home Automation in einer Phase des Wildwuchses. Dies bedeutet aber Qualitätsunterschiede bei der Zuverlässigkeit und auch Sicherheit von Systemen.
Sagmeister: Dieses Problem sehen wir ebenfalls. Wir sehen auch viele Unternehmen hier agieren, die aus völlig anderen Bereichen kommen und wenig Erfahrung mit Sensorik und Automatisierung haben. Nehmen Sie nur als Beispiel Amazon mit Alexa, das den Hebel einer immens großen Nutzerbasis hat. Über Sprachsteuerung das Licht im Wohnzimmer ein- und auszuschalten ist in der technischen Umsetzung allerdings schon etwas komplexer. Langsam kristallisieren sich nun auch aufgrund von Partnerschaften mit der IT-Industrie Standards für die Kommunikation und Automatisierung im Smart-Home-Bereich heraus. Das kann der Funkstandard ZigBee sein, den auch wir forcieren, oder andere. Hier steht die hundertprozentige Konsolidierung des Marktes noch aus.
(+) plus: Braucht es künftig überhaupt noch Verkabelung in Gebäuden oder wird ohnehin alles drahtlos kommunizieren?
Sagmeister: Ich kann dazu noch keine endgültige Prognose abgeben. Persönlich glaube ich, dass es künftig schon stark in Richtung Funktechnik gehen wird. Warum sollte man in einem Haus einen zusätzlichen Draht einziehen, wenn schon vieles über Funk gemacht werden kann? Klarerweise gibt es dann Hersteller, die bereits viel in drahtgebundene Bus-Systeme investiert haben. Wir bieten ja ebenfalls KNX-Systeme an. Hier wirken einfach unterschiedlichen Kräfte, wie bei jedem Thema im Bereich Energie und Energieeffizienz.
(+) plus: Konventionelle Technologien und eingesessene Hersteller befinden sich im Wettbewerb mit aufstrebenden neuen Akteuren.
Sagmeister: Das sehen wir ja auch bei Kohle- und Atomkraft in Europa oder in der Automobilindustrie. Man kann hier auch politisch lenken, wie man das in Deutschland mit dem Atomausstieg gesehen hat. Trotzdem muss das eine Volkswirtschaft auch stemmen können.
(+) plus: Seit wann engagiert sich Schneider Electric beim Thema Elektromobilität?
Sagmeister: Wir hatten schon früh in dieses Thema investiert. Schneider Electric hatte ein Produktportfolio für Ladeinfrastruktur und Softwarelösungen dazu. Wir hatten dann aber erkannt, dass in den ersten Jahren bei vielen Autoherstellern E-Mobility eher für PR als für konkrete Geschäftsmodelle gesehen wurde. Erst Tesla begann dann, einen Massenmarkt zu entwickeln.
Heute steckt Elektromobilität zwar immer noch in den Kinderschuhen, es zeichnet sich aber klarer ab, dass die Regierungen weltweit bereit sind, politisch zu steuern und dafür Geld in die Hand zu nehmen. Auch die deutsche Automobilindustrie wird in zwei Jahren mit einem vernünftigen, breiten Modellangebot den Massenmarkt adressieren. Also arbeiten auch wir an einer Reaktivierung und Überarbeitung unseres Portfolios.
(+) plus: Was bieten Sie konkret dazu?
Sagmeister: Schneider Electric liefert konventionelle Ladetechnik mit Ladesäulen für die drei gängigen globalen Steckerstandards – für die eigene Garage zuhause, für Wallboxen in Mehrfamilienhäusern bis hin zu vandalensicheren Lösungen mit unterschiedlichen Abrechnungsmodulen für den öffentlichen und halböffentlichen Bereich – Tiefgaragen oder Parkplätze bei Einkaufszentren etwa.
Wir sind bereits auch in großen Ladeinfrastruktur-Projekten in Frankreich und in Deutschland als Partner an Bord. Und wir liefern natürlich auch Lösungen und unser Know-how zum Energie- und Netzmanagement.
(+) plus: Technisch gesehen – was sind die größten Herausforderungen in der Errichtung von Ladeinfrastruktur auch in Österreich?
Sagmeister: Mittlerweile gibt es eine klare Trennung von Produkten und Services zwischen der Langsamladung für quasi jeden zuhause in einem Leistungsbereich von 20 bis 22 kW. Die Plug-in-Technologie kommt bei Ladezeiten von mehreren Stunden mit Wechselspannung aus. Dann aber gibt es auch die Herausforderung der Schnellladung, wo wir uns aufgrund der nötigen Verlustreduktion im Gleichspannungsbereich bewegen. Das bringt auch eine Renaissance des Gleichstroms im Endkundenbereich. Dies birgt wiederum technische Anforderungen an die Ladeschnittstellen – Ladesäule oder Ladepad für die Induktivladung – und wirkt sich auch auf die Elektroinstallation dahinter aus.
Der klassische Verteiler im Einzelfamilienhaus mit Schutzgeräten und vielleicht ein paar Steuergeräten ist nicht darauf ausgelegt, plötzlich Gleichspannungsanteile zurückzubekommen. Bei einem FI-Schutzschalter, der sich im gleichen Netz wie eine Schnellladestation befindet, haben Sie ein Problem: Er erkennt auftretende Fehler nicht mehr, da die Gleichspannung negative Einflüsse auf die magnetische Balance des FI-Schutzschalter-Kerns hat. In der Fachsprache heißt das: Der Schalter wird unsensibel. Er löst nicht mehr bei 30 Milliampere Ableitstrom aus, wie es die Norm vorschreibt, sondern erst bei deutlich höheren Fehlerströmen. Das kann zur Gefährdung von Menschen und Anlagen führen.
Auf Ebene des lokalen Verteilnetzes wiederum stehen die Netzbetreiber vor plötzlichen Leistungsspitzen, wenn im Speckgürtel einer Stadt in fünf Garagen am Stück in einer Straße gleichzeitig geladen wird. Wer das nicht automatisiert aussteuern kann, muss seine Infrastruktur teuer nachrüsten. Und das wird wohl jeder versuchen, zu vermeiden.
(+) plus: Gerade im Speckgürtel werden sich Haushalte ihren Strom wohl zum Teil selbst erzeugen können und damit auch das Netz entlasten.
Sagmeister: Ja, aber die Netzbetreiber haben derzeit rechtlich keine andere Möglichkeit, als Haushalte mit einem Kupferkabel in der Dicke der erwarteten Maximalleistung anzubinden. Es kann schon sein, dass zunehmend in Eigenerzeugung investiert wird. Bis dahin wird es aber große Lücken geben. Weder Elektroautos noch andere Hausspeicher sind derzeit Teil eines Energiemanagementsystems vor Ort.
Wir sind sehr daran interessiert, all das zu lösen. Ich meine, in der Infrastruktur passiert noch viel mehr als bei den Ladestationen.