"Post von Prinzen" war gestern. Wenn Cyberkriminelle persönlich werden: Die Zahl hochpersonalisierter Phishing-Angriffe nimmt rapide zu, warnt Wieland Alge, Vice President & General Manager EMEA, Barracuda Networks.
Vermutlich hat fast jeder bereits fantasievolle E-Mails von Geschäftsleuten oder unfassbar reichen Prinzen aus fernen Ländern erhalten, die exorbitante Geldbeträge in Aussicht stellen – im Gegenzug für eine finanzielle Vorleistung von ein paar tausend Euro. Inzwischen gehen die meisten Anwender routiniert mit solchen Betrugsmaschen um. Doch es gibt wesentlich ausgefeiltere Tricks, denn Cyberkriminelle werden immer persönlicher.
Viele Phishing-Versuche sind auf den ersten Blick leicht zu erkennen, weil sie fettgedruckte Betreffzeilen, Rechtschreibfehler oder fragwürdige Anhänge enthalten, die deutliche Warnkennzeichen sind. Jedoch verzeichnet sich mittlerweile eine rapide Zunahme personalisierter Angriffe, die äußerst schwer zu erkennen sind, vor allem für Nutzer, denen nicht bewusst ist, wie hochentwickelt Phishing-Versuche heute sein können.
Für E-Mails ist beispielsweise Office 365 ein noch relativ neues Tool mit einem großen und stetig wachsenden Anwenderstamm, und Kriminelle nutzen diese Anwendung deshalb vermehrt als Einfallstor für Angriffe. Betrachtet man untenstehendes Beispiel, wirkt die Nachricht selbst nicht verdächtig. Es scheint, dass Microsoft den Nutzer darauf aufmerksam macht, dass er sein Office 365-E-Mail-Konto reaktivieren muss:
Zwar gibt es ein Warnzeichen, jedoch sehr subtil: Es wird darauf hingewiesen, dass das Konto des Benutzers "gesperrt wurde", was keine typische Aktion von Office 365-Konten ist. Leider würden die meisten ungeschulten Nutzer dennoch in die Falle tappen.
Die oben gezeigte Phishing-Attacke zielt darauf ab, Benutzernamen und Passwort zu erschleichen. Gelingt dies dem Angreifer, gibt es verschiedene Bedrohungsszenarien. Einerseits können Kriminelle unbemerkt Regeln für die Weiterleitung auf dem Konto einrichten, um das Verhalten und die Kommunikationsmuster des Benutzers auszuspionieren. Dieses Wissen wird dann für zukünftige Angriffe wie Ransomware oder andere Advanced Threats genutzt.
Andererseits können Angreifer das kompromittierte Konto direkt verwenden, um Nachrichten an Kollegen oder Geschäftspartner zu senden, um damit weitere Anmeldeinformationen oder Daten zu sammeln. Dies kann zum Beispiel durch ein weitergeleitetes PDF an einen Kollegen sein, welches vor dem Öffnen dazu auffordert, E-Mail und Passwort einzugeben. Darüber hinaus können Cyberkriminelle auch gefälschte Rechnungen mit Zahlungsaufforderungen an Dritte senden.
Spear Phishing weiter auf dem Vormarsch
Diese Art des personalisierten Angriffs gibt es in vielfältigen Ausführungen, beispielsweise als gefälschte Email von Banken, Fluggesellschaften, Zustelldiensten und sogar vom eigenen Arbeitgeber. Sowohl Einzelpersonen als auch Unternehmen werden dadurch in die Falle gelockt, Geld zu überweisen oder sensible Daten wie zum Beispiel Steuerinformationen an Kriminelle zu versenden, die sich als Chef, Kollege oder vertrauenswürdiger Kunde ausgeben. Ausgefeilte Spear Phishing-Attacken zählen dadurch zu den kostspieligsten und am schwierigsten zu entdeckenden Angriffen. Laut Bundeskriminalamt konnten durch "CEO-Fraud" (Geschäftsführer-Betrug) Kriminelle in den letzten Monaten bereits mehrere Millionen Euro mit zum Teil gravierenden Folgen für das betroffene Unternehmen beziehungsweise die getäuschten Mitarbeiter erbeuten. Weltweit waren es in den vergangenen drei Jahren insgesamt 3,1 Milliarden Dollar.
Aufgrund des Rechercheaufwands, die ein Hacker benötigt, um einen hochentwickelten Spear-Fishing-Angriff durchzuführen, zielen viele dieser Attacken beim sogenannten „Whaling“ auf die großen Fische wie CEOs, CFOs, HR-Abteilungen, Rechtsanwälte und deren Assistenten ab. Doch es zeigt sich, dass Cyberkriminelle mit dieser Angriffsmethode auch zunehmend vom C-Level auf die untere und mittlere Mitarbeiterebene wechseln, ebenso wie von großen Organisationen auf kleinere mit weniger Ressourcen. Darüber hinaus wachsen auch die Angriffsvektoren für Spear Phishing. Betrügerische Nachrichten werden über SMS und andere Dienste wie Skype und Slack auf mobile Geräte übertragen. Zudem nutzen Kriminelle auch künstliche Intelligenz, um Angriffe noch gezielter auf bestimmte Tageszeiten oder Standorte auszurichten, indem sie Daten aus Social-Media-Feeds nutzen.
Drei Schutzmaßen gegen Spear Phishing
Es gibt drei Sicherheitsebenen, die Organisationen einführen sollten, um Spear Phishing zu bekämpfen:
- Mitarbeiterschulung
Mitarbeiter sollten regelmäßig geschult und getestet werden, um ihr Sicherheitsbewusstsein für verschiedene gezielte Angriffe wie Phishing, Spear-Phishing, Ransomware und andere Attacken zu schärfen. Dabei sollten sie über die Taktiken der Angreifer wie Spoofing, Social Engineering, die Kompromittierung geschäftlicher E-Mails sowie Insider-Identitätsdiebstahl informiert werden. Die bei weitem effektivste Maßnahme zur Prävention ist zudem die Inszenierung simulierter Angriffe zu Trainingszwecken.
- Multi-Faktor-Authentifizierung
Eine Multi-Faktor-Authentifizierung bietet eine zusätzliche Sicherheitsschicht neben dem normalen Benutzernamen und Passwort. Multi-Faktor-Authentifizierung kann viele verschiedene effektive Methoden einführen, z.B. SMS-Codes oder mobile Anrufe, biometrischer Daumenabdruck, Netzhautscan oder persönliche Informationsebenen wie Sicherheitsfragen.
- Nutzung von Sicherheitstool mit künstlicher Intelligenz
Die künstliche Intelligenz bietet mittlerweile einige der größten Hoffnungen, um Spear Phishing auszuschalten. Durch das Erlernen und Analysieren der einzigartigen Kommunikationsmuster eines Unternehmens kann eine KI-Engine Inkonsistenzen und Quarantäne-Angriffe in Echtzeit aufspüren. Da die künstliche Intelligenz innerhalb einer Organisation „heranreift“, wird sie durch die Analyse der unternehmensspezifischen Metadaten kontinuierlich effektiver.
Hochpersonalisierte Spear Fishing-Attacken zählen zu den großen Bedrohungen der Zukunft. Die Sorgfalt von Cyberkriminellen und die Plausibilität gefälschter E-Mails wird immer raffinierter. Indem aber gleichsam die Flut an Informationen, die auf jeden einzelnen Mitarbeiter hereinbricht, braucht es sowohl aktuellste Sicherheitstechnologie als auch eine ständige Sensibilisierung der Mitarbeiter, um gegen die kommenden Herausforderungen in puncto Cyberattacken aller Art auf mehreren Ebenen gewappnet zu sein. Die Kontakte der Kriminellen werden nicht weniger, mag der Prinz auch nicht mehr schreiben. Seine Nachfolger sind bereits aus den Startlöchern raus.