Sonntag, Dezember 22, 2024
"Ohne Zweifel ist jetzt die Zeit zu handeln"
Foto: Dell EMC/Marko Kovic

Warum Nachhaltigkeit nicht nur ein Marketing-Mascherl bei Dell ist und was es mit einer kommerziellen Ozean-Plastik-Supply-Chain auf sich hat, erklärt Louise Koch, Corporate Sustainability Lead bei Dell EMC in EMEA, im E-Mail-Interview mit dem Report.

Report: Seit wann engagiert sich Dell für Umweltschutz?

Louise Koch: Als Michael Dell diese Firma 1984 als junger Unternehmer aus der Taufe hob, wollte er menschliches Potenzial durch Technologie nutzbar machen. Unsere Leistungen im Bereich Corporate Responsibility sind eine Ausweitung dieser Mission, die er vor 30 Jahren startete. Von Beginn an vertrat Dell die Meinung, dass Abfall beziehungsweise Ausschuss ineffizient sind. Das ebnete den Weg hin zu Nachhaltigkeit als Grundüberlegung dafür, wie wir handeln, Produkte und Lösungen gestalten und mit Technologie verfahren, die das Ende ihres Lebenszyklus erreicht hat.

Report: Welche Maßnahmen ergreifen Sie dafür und warum ist Corporate Sustainability und Responsibility nicht nur ein weiteres Marketing-Label?

Koch: Ich gebe Ihnen ein paar Beispiele, warum Nachhaltigkeit nicht nur ein Marketing Label ist, sondern zu lokalen und globalen Communities beiträgt: Dell stand an der Seite der Umweltschutzbehörde der US-Regierung und des Energieministeriums als das Energy Star Bewertungssystem eingeführt wurde, um energieeffiziente Produkte in den frühen 1990er Jahren zu kennzeichnen. Das Umweltzeichen ist eine weltweit anerkannte Benchmark, um die energieeffizientesten Artikel kategorieübergreifend auszuwählen. Als Unternehmen treiben wir laufend Verbesserungen in der Energieeffizienz voran. 2012 übernahmen wir die Führung in der Branche, indem wir uns zum Ziel setzten, die Energieeffizienz unseres gesamten Portfolios bis 2020 um 80 Prozent zu erhöhen. Heute liegen wir bei einer Steigerung von 54 Prozent und 90 Prozent unserer Produkte erfüllen den Energy Star Standard. Diese Steigerung in einem einzigen Jahr macht eine weltweite Einsparung von 26 Millionen Tonnen CO2 möglich. Dell war außerdem unter den ersten zwölf Unternehmen, die 2015 wissenschaftsbasierte Ziele gesetzt haben, um Kohlendioxid-Emissionen zu reduzieren – in Einklang mit den Anforderungen des „COP21 Paris Agreement“. Inzwischen sind hunderte weitere unserem Beispiel gefolgt.

Nachhaltige Supply-Chains sind ein weiterer Bereich, in dem wir Branchen-Standards vorantreiben. 2004 war Dell ein Co-Gründer der „Electronic Industry Citizenship Coalition“ - inzwischen „Responsible Business Alliance“. Damit brachten wir die weltweit führenden Elektronikfirmen zusammen, um Effizienz und soziale, ethische und ökologische Nachhaltigkeit in der globalen Elektronik-Supply-Chain zu verbessern. Der EICC Verhaltenskodex legt die Erwartungen an alle Branchen-Mitglieder und ihre Lieferanten fest – basierend auf den internationalen Vorgaben von Organisationen wie der UNO, ILO und OECD. Aber das ist nicht nur ein Stück Papier, es ist das Backbone eines branchenweiten Programms, um die Nachhaltigkeit in der Supply-Chain zu stärken. Dieses setzt zudem auf Kontrolle durch Dritte sowie auf gemeinsame Trainingsprogramme. Jedoch sind diese Audits nur der erste Schritt. Wir haben branchenführende Programme für laufende Weiterentwicklung und Kapazitätserhöhung erstellt. Gemeinsam mit unseren Lieferanten arbeiten wir daran, kontinuierlich höhere Standards für gute Arbeitsbedingungen und Umweltschutz in unserer Lieferkette zu etablieren.

Wir glauben, dass Transparenz Vertrauen schafft. Unsere Kunden sollen sehen, wissen und darauf vertrauen, dass wir ein branchenführendes Programm für Verantwortung in der Lieferkette vorantreiben. Deshalb sind wir das erste und bisher einzige IT-Unternehmen, das seine Kunden dazu einlädt, unsere Lieferanten auf der „Supply-Chain Journey“ zu besuchen. Die BesucherInnen erhalten einen Einblick in einen Tag im Leben eines Arbeiters oder einer Arbeiterin, indem sie die Produktionsstätten und Unterkünfte erkunden, mit den Angestellten über ihr Leben und ihre Arbeit sowie mit dem Management über Programme und Ziele sprechen können. Außerdem veröffentlichen wir die Liste unserer Lieferanten einschließlich Produkt- und Komponenten-Typen auf unserer Website und wir sind die ersten in der Branche, die alle zwei Jahre einen Bericht mit den gesammelten Ergebnissen der Audits und anderen wichtige Leistungsfaktoren publizieren. So können unsere Kunden und Stakeholder unsere Programme und Leistungen hinsichtlich ökologischer und sozialer Verantwortung verfolgen.

Dort, wo wir arbeiten und leben, wollen wir etwas zum Positiven verändern. Wir tun das durch Spenden und den freiwilligen Einsatz unserer MitarbeiterInnen, vor allem, um benachteiligte Jugendliche dabei zu unterstützen, Zugang zu Technologie und digitalen Kompetenzen zu bekommen. Bis heute haben wir weltweit 2,3 Millionen Kinder und Jugendliche erreicht; bis 2020 sollen es rund vier Millionen werden. Zu dieser Initiative gehören unsere solarbetriebenen digitalen Lernlabore in Afrika und Lateinamerika. Dort ermöglichen wir Kindern in einkommensschwachen Communities digitales Lernen. Die Solarlabors sind „IT-Klassenzimmer in einem Container“ mit Solarzellen auf dem Dach, um Energie für die Computer und den Server für den Internetzugang zu gewinnen. In Zusammenarbeit mit lokalen Partnern stellen wir auch sicher, dass die Lehrprogramme auf dem neuesten Stand sind.

Ein anderes Beispiel ist unser Engagement für das Überbrücken der digitalen Kluft der Jugend in China. Fast 75 Prozent der 10- bis 15-Jährigen dort leben in ländlichen Gebieten oder in Communities an der Peripherie. Wären diese Gemeinschaften ein Land, hätte es die viertgrößte Bevölkerungsdichte auf dem Planeten. Sie haben nicht dieselben Bildungschancen wie Gleichaltrige in der Stadt. Daher arbeitet Dell mit dem "Rural Education Action Program" von Stanford an einem computergestützten Lernprogramm, das Mathematik, Chinesisch und Englisch auf ansprechende Weise vermittelt. Bereits jetzt steigert das Programm die Testergebnisse der SchülerInnen. Inzwischen haben wir in Zusammenarbeit mit der Ankang University gestartet und eine reichweitenstarke Online-Version eingeführt. Ziel ist es, das Programm bis 2020 auf eine Million SchülerInnen zu erweitern.

Report: Sie haben angekündigt, eine “kommerzielle globale Ozean-Plastik-Supply-Chain” zu unterstützen und etablieren. Was ist die Idee dahinter?

Koch: In unseren Ozeanen schwimmen 86 Millionen Tonnen Plastik. Jedes Jahr kommen weitere acht Millionen in den Küstengebieten rund um den Globus dazu. Wissenschaftler schätzen, dass es bis 2050 mehr Kunststoff im Ozean geben wird als Fische! Vor zwei Jahren wurden wir durch Adrian Genier, unseren Social Good Advocate, auf diese Herausforderungen aufmerksam und haben beschlossen, einen sinnvollen Beitrag zur Bewältigung des Problems zu leisten.

Dell verfügt über hohe Expertise im Aufbau globaler Lieferketten. Wir haben ein Jahrzehnt hindurch mit vielen unterschiedlichen nachhaltigen Materialien in unseren Produkten und Verpackungen experimentiert. Dazu zählten beispielsweise Bambus, Stroh und Pilze. Recycelte Kunststoffe etwa aus Wasserflaschen und Lebensmittelverpackungen verwenden wir bereits seit 2008. Daher war es ein logischer nächster Schritt, zu erforschen, wie wir Kunststoffabfälle für unsere Verpackungen verwenden. So reduzieren wir das schwimmende Plastik und wandeln es zu einer nützlichen Ressource im Wirtschaftskreislauf um.

Im April 2017 haben wir nach 18 Monaten Machbarkeitsprüfung die erste Ozean-Kunststoff-Verpackung unserer Branche auf den Markt gebracht (Anm. weiterführender Link dazu). Wir liefern unseren Consumer-Laptop XPS 13 2-in-1 in einer Verpackung aus recyceltem Plastikmüll. Im Pilotprogramm werden Kunststoffe von Stränden, Wasserstraßen und anderen Küstengebieten verarbeitet und zu wiederverwertbaren Verpackungs-Trays geformt - mit 25 % Ozean-Kunststoffen und 75 % andere recycelte Kunststoffe. Wir werden in diesem Jahr acht Tonnen Ozean-Plastik verwerten. Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu unterstützen, verpflichten wir uns, die jährliche Nutzung bis 2025 um das Zehnfache zu erhöhen. Unsere Strategie basiert auf dem ständigen Austausch mit führenden Forschern und Menschen, die sich für die Meeresgesundheit einsetzen. Damit wollen wir Ozean-Plastik in Bereichen mit hoher Verschmutzung reduzieren. Das Ganze erfolgt Open Source-basiert (Anm.: Whitepaper), um die breite Verwendung von recyceltem Plastikmüll aus den Weltmeeren zu fördern.

Wir haben uns des Weiteren dazu verpflichtet, eine branchenübergreifende Arbeitsgruppe einzuberufen, um die Verwendung von Ozean-Kunststoff in Produkten und Verpackungen verschiedenster Branchen zu skalieren. Die Arbeitsgruppe wird führende Marken zusammenbringen, um die erste große Ozean-Plastik-Supply-Chain aufzubauen und sicherzustellen, dass die nötige Infrastruktur und Unterstützung gegeben ist, um die Nachfrage zu decken. Die Kontrolle über das Einhalten der weltweit anerkannten Standards für soziale und ökologische Verantwortung zählt auch zu ihren Aufgaben. Durch den Zusammenschluss globaler Akteure soll eine ausreichende Marktnachfrage und eine funktionierende, nachhaltige Lieferkette geschaffen werden, um die Umweltverschmutzung durch Plastik in den Meeren zu verringern. Gleichzeitig soll in den Küstenregionen wirtschaftlicher und sozialer Nutzen entstehen.

Report: Ökologisch zu handeln und geschäftlich zu agieren scheint unumgänglich, dennoch nehmen nur sehr wenige Unternehmen diese Verantwortung auf sich. Siehst du einen radikalen Umbruch in unserem weltweiten Wirtschaftsleben als notwendig? Wie viel Zeit haben wir noch?

Koch: Ich denke, es hat keinen Sinn, zu schätzen, wie viel Zeit wir noch haben, um die Zukunft des Planeten in eine nachhaltigere Richtung zu bringen. Ohne Zweifel ist jetzt die Zeit zu handeln. Die erfolgreiche Bewältigung der Herausforderungen, die der Klimawandel bringt, erfordert eine globale Zusammenarbeit mit dauerhaftem Fokus auf Vorbeugung und Anpassung. Wir glauben, dass Technologie eine wichtige Rolle spielt. Viele Klimalösungen setzten auf die Entwicklung und den Einsatz neuer oder optimierter Systeme, insbesondere in den Bereichen Energie, Landnutzung, Abfall, Wasser, Transport, Fertigung und Gebäude. High-Performance Computing, Cloud Storage und Computing, Virtualisierung, Big Data Analytics und das Internet of Things sind nur ein paar Beispiele für Informations- und Kommunikationstechnologien, die essenziell für den Erfolg von Lösungen wie energieeffizienter EDV, smarten Transport und smarte Fertigung sowie ressourcenschonende Gebäude und Städte waren.  

Ein Bereich, von dem ich glaube, dass Regierungen eine große Chance verpassen, nachhaltige Entwicklung voranzutreiben, liegt in der öffentlichen Auftragsvergabe. Der öffentliche Sektor kauft jedes Jahr für Milliarden Euro an Steuergeldern Waren und Dienstleistungen. Nach internationalen Richtlinien der Vereinigten Nationen und anderer Organisationen hat die öffentliche Hand die Verantwortung, soziale und ökologische Nachhaltigkeit bei Beschaffung und Betrieb zu berücksichtigen. Gleichzeitig birgt dies die große Chance, eine Marktnachfrage und ein Geschäftsmodell für nachhaltigeres Wirtschaften zu schaffen. Wir von Dell sehen einige Pionierländer in Europa, die begonnen haben, ihre Anforderungen zu erhöhen und sogar bei der Auswahl ihrer Lieferanten darauf Wert legen, dass Qualität und Nachhaltigkeit zusätzlich zum Preis Einfluss haben. Aber es sind bislang nur die Pioniere. Wir ermutigen die Staats- und Regierungschefs, Nachhaltigkeit durch ihre eigenen Anschaffungen zu fördern.

Vergangenes Jahr führten der UN Global Compact und Accenture eine Umfrage durch, bei der 1.000 CEOs aus verschiedenen Branchen und Regionen zu ihrer Meinung über nachhaltigen Handel befragt wurden. 97 Prozent von ihnen antworteten, dass Nachhaltigkeit für den zukünftigen Erfolg ihres Unternehmens wichtig sein werde. Ich glaube, dass immer mehr Unternehmen auf der ganzen Welt in soziale und ökologische Nachhaltigkeit investieren und denke, dass der Wandel stark durch die Kombination von politischer Führung der Regierungen und von innovativen Unternehmen getrieben wird, die den Weg vorgeben und in Business Cases zeigen, wie Nachhaltigkeit forciert werden kann.

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