Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Sebastian Spaun, Geschäftsführer der Vereinigung der österreichischen Zementindustrie VÖZ, über das Forschungsprojekt EcoRoads, das sich mit dem Einsatz von Beton im niederrangigen Straßennetz beschäftigt. Die zentralen Herausforderungen, um Beton auch auf Landstraßen zu etablieren, heißen Fertigung, Rezeptur und Dimensionierung.
Report: Seit knapp einem Jahr gibt es das Projekt EcoRoads. Welche Überlegungen stehen hinter dem Projekt?
Sebastian Spaun: Die Grundüberlegung war, dass die Betonbauweise seit rund 25 Jahren im hochrangigen Straßennetz gut etabliert ist. Da liegt der Marktanteil bei rund 35 Prozent. Im niederrangigen Straßennetz spielt der Beton hingegen keine Rolle. Das liegt in erster Linie an der vermeintlich geringeren Belastung. Das ist für viele kleine Straßen und Nebenstraßen auch sicher richtig, es gibt aber auch ein großes Netz von hochbelasteten niederrangigen Straßen. Aber auch hier ist der Beton derzeit noch kaum vertreten. Ausnahmen sind eher historischer Natur, wie etwa die Mölltal-Bundesstraße oder auch die alte Bundestraße in der Wachau.
Report: Wurden in den letzten Jahren nicht auch zahlreiche Kreisverkehre aus Beton gefertigt?
Spaun: Es gibt im Landesstraßennetz 1300 Kreisverkehre, davon sind 129 aus Beton. Die – das ist richtig – wurden vor allem in den letzten zehn Jahren errichtet. Da gibt es aber starke regionale Unterschiede. Neben Niederösterreich ist vor allem die Stadt Wien hervorzuheben, die sehr stark auf Betonbauweise setzt, auch bei Busbuchten, in Kreuzungsbereichen oder bei Beschleunigungsstreifen.
Diese hohen Belastungen erkennen wir aber auch im herkömmlichen Landesstraßennetz. Denn der Schwerverkehr, der im hochrangigen Straßennetz stark zunimmt, fährt ja nicht nur auf den Autobahnen, sondern verteilt sich teilweise auch auf das niederrangige Straßennetz. Deshalb ist absehbar, dass wir auch dort eine deutliche Belastungszunahme haben werden.
Report: Was ist jetzt das konkrete Ziel von EcoRoads?
Spaun: Unser Ziel ist, einen Anforderungskatalog zu entwickeln, der genau definiert, unter welchen äußeren Rahmenbedingungen Betonlösungen auch im Landesstraßennetz sinnvoll sind. Wir wollen eine maßgeschneiderte Sanierungslösung für Landstraßen. Bislang gibt es nur Standardaufbauten aus dem hochrangigen Straßennetz. Ein weiterer Grund für das Engagement ist der schlechte Zustand des Landesstraßennetzes. Rund ein Drittel des Netzes ist stark beschädigt. Es stehen also umfassende Sanierungstätigkeiten an.
Report: Welche Vorteile hat Beton in der Sanierung?
Spaun: Der größte Vorteil ist sicher die Wartungsarmut und die lange Lebensdauer von Betonstraßen. Damit reduzieren sich Generalsanierungen, die nicht selten eine komplette Straßensperre zur Folge haben. Die Vermeidung dieser Gesamtsperren zählt auch zu unseren größten technologischen Herausforderungen.
Report: Inwiefern?
Spaun: Im hochrangigen Straßennetz arbeiten wir mit großen Betonfertigern, die eine gesamte Straßenseite am Stück bearbeiten können. Diese Dimensionen und dieser Platz sind im Landesstraßennetz nicht gegeben. Da können wir nur einen Fahrstreifen sperren. Deshalb müssen wir lernen, wie die Asphaltfertiger mit einem Fahrstreifen auszukommen. Dafür gibt es bereits erste Teststrecken, etwa auf einer Zufahrtsstraße zu einem Steinbruch in Salzburg oder beim Zementwerk Retznei. Und vor knapp zwei Monaten haben wir die Betonierung einer Recyclingfläche abgeschlossen, wo unter höchster Beanspruchung Bauschutt aufbereitet wird. Auch daraus können wir wertvolle Erkenntnisse für die Sanierung von Landstraßen ziehen.
Report: Welche Erkenntnisse hat man daraus gewonnen?
Spaun: Wir wissen jetzt, dass die neuen Fertiger funktionieren. Jetzt geht es darum, die Betonrezepturen für diesen neuen Einsatzzweck zu optimieren. Gemeinsam mit der TU Wien arbeiten wir auch an der richtigen Dimensionierung der Betondecken für diesen Einsatz. Mithilfe von Dimensionierungsmodellen werden der Unterbau und die Tragschichten genau analysiert und der Frage nach dem Verbund zwischen der bestehenden Asphaltschicht und er aufzubringenden Betondecke nachgegangen.
Report: Wer steht hinter EcoRoads? Welches Budget steht zur Verfügung?
Spaun: Das Forschungsprojekt ist ein Branchenforschungsprojekt der FFG und auf drei bis vier Jahre angelegt. Wir bringen dafür jährlich 250.000 Euro auf, die über Förderungen gehebelt werden. Das Besondere ist, dass wir als VÖZ hier nicht alleine forschen. Wir haben nicht nur die Unterstützung von großen internationalen Playern wir LafargeHolcim oder CRH, mit an Bord sind auch die Betonindustrie etwa mit dem Güteverband Transportbeton GVTB sowie die ausführende Seite mit der Österreichischen Betondecken-Ausbau GmbH.
Report: Die Beteiligung dieser großen Konzerne an diesem Forschungsprojekt legt den Schluss nahe, dass es zum Thema auch international noch wenig Erfahrung und Erkenntnisse gibt.
Spaun: Das ist richtig. Die Betonstraße spielt auch international im niederrangigen Straßennetz mit wenigen Ausnahmen wie etwa Polen und zum Teil in Großbritannien kaum eine Rolle. Wir können also nicht auf irgendwelche Studien oder Erkenntnisse aus dem Ausland aufbauen, sondern müssen uns alles selbst erarbeiten.
Report: Was erwarten Sie sich langfristig von EcoRoads? Eine deutliche Steigerung des Betonanteils auf Landstraßen?
Spaun: Eine deutliche Steigerung werden wir auf jeden Fall haben, weil wir ja jetzt quasi nicht existent sind. Bevor wir aber jetzt über irgendwelche zukünftigen Marktanteile oder Ähnliches sprechen können, geht es wirklich erst einmal um diese grundlegenden Themen wie Rezepturen, Fertigung und Dimensionierung. EcoRoads ist keine Marketing- oder Vertriebsorganisation, sondern ein echter Forschungsverein.