Im März hat der Zinshausspezialist Vienna Estate 30 Prozent der Crowdinvesting-Plattform Reval übernommen. Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report sprechen Vienna Estate-Vorstand Thomas Gell und Reval-CEO Philipp Hain über gemeinsame Ziele, abflachende Preiskurven und positive Begleiterscheinungen der Crowd-Finanzierung.
Report: Wie ist der Wiener Zinshausmarkt aktuell zu bewerten? Die Preise sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Nicht wenige fürchten eine Überhitzung. Teilen Sie diese Einschätzung?
Thomas Gell: Der Markt hat angezogen. Das schöne, nicht parifizierte Wiener Stil-Standardhaus ist tatsächlich sehr teuer geworden, hat aber immer noch Luft nach oben, weil es ein nicht vermehrbares Gut mit sehr begehrten Eigenschaften wie etwa den großen Raumhöhen ist. Nicht nur innerstädtisch, auch außerhalb des Gürtels, in Gründerzeitvierteln, haben die Preise enorm angezogen. Da muss man im Einkauf schon aufpassen und die Objekte genau prüfen. In diesen Gegenden gibt es aus meiner Sicht auch schon einige Häuser, die zu teuer sind und bei denen die Rendite nicht mehr darstellbar ist.
Womit man aber auch hier Geld verdienen kann, ist die Parifizierung. Dafür braucht man aber die richtige Expertise und Fantasie, Chancen zu erkennen. Wie immer gilt: Im Einkauf liegt der Gewinn, besonders bei einem schon hohen Preisniveau.
Report: Wie viel Luft nach oben gibt es im innerstädtischen Bereich?
Gell: Die Kurve wird sicher flacher. Wien ist nicht Paris oder London und wird es auch nicht werden. Wir spielen eher in einer Liga mit Städten wie München. Wien punktet nicht nur mit Lebensqualität, sondern vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen auch mit Sicherheit. Das ist sowohl für Unternehmen als auch deren hoch qualifizierte Mitarbeiter ein wesentliches Argument. Da können speziell im Eigentumsbereich sicher noch einige Prozentpunkte dazukommen.
Report: Was wird passieren, wenn sich das Zinsniveau wieder ändert?
Gell: Jene, die jetzt versuchen, mit wenig Eigenkapital die Gunst der Stunde zu nutzen, werden sich schwer tun. Bei den schönen, hochwertigen Zinshäusern wird es aber auch mit steigenden Zinsen kein Problem geben. Da gibt es immer Interessenten. Dennoch sollte man versuchen, in den nächsten Jahren in Belehnwerte reinzukommen, wo sich auch die Banken gut darstellen können. Da reden wir von rund 30 Prozent Eigenkapital.
Report: Die ViennaEstate hat laut Eigendefinition vor allem vermögende Privatkunden und institutionelle Investoren als Zielgruppe. Jetzt haben Sie zu 30 Prozent die Crowdinvesting-Plattform Reval übernommen. Was erwarten Sie sich von diesem Schritt?
Gell: Kapital ist in der Wirtschaft immer der Engpass. Es gibt immer Phasen, wo man mehr machen möchte, als man gerade selbst finanzieren kann. Mit Reval haben wir eine zusätzliche Schiene geschaffen, um Eigenkapital in Form von Mezzaninkapital in Form von nachrangigen Darlehen zu raisen. Die ersten Projekte, die wir auf diese Weise mitfinanzieren, werden aber keine eigenen Projekte sein, sondern Drittprojekte. Auf lange Sicht wollen wir aber auch eigene Projekte über die Crowd finanzieren.
Report: Welche Rolle spielt die Crowd-Finanzierung bei Immobilienprojekten jetzt schon? Welche Rolle wird sie in Zukunft spielen?
Philipp Hain: Für die Immobilienfinanzierung spielt Crowdinvesting prozentuell noch eine sehr kleine Rolle. Umgekehrt sind für das Crowdinvesting Immobilienprojekte die Nummer eins. Und das auch völlig zu Recht, denn Immobilienprojekte sind auch für Kleinanleger gut verständlich. Wir merken auch schon, dass die Nachfrage stark steigt. Wir bekommen sehr viele Projekte. Auch aus dem Grund, weil Crowdinvesting nicht nur eine Finanzierungsform ist, sondern auch ein Marketinginstrument, weil die Kampagnen viel Aufmerksamkeit erregen. Es gibt Schätzungen, wonach sich das Crowdvolumen in den nächsten drei Jahren verzehnfachen wird.
Report: Wie seriös ist der Markt aus Ihrer Sicht?
Hain: Ich denke, noch ist er sehr seriös. Natürlich gab es auch schwarze Schafe, aber die waren eher in der Unternehmensfinanzierung aktiv. Im Immobilienbereich gibt es großteils gute Player, auch wenn einige vielleicht etwas mehr Informationen zur Verfügung stellen sollten, als sie aktuell tun. Wer dennoch unsicher ist, sollte unbedingt einen Blick ins Impressum werfen. Das sagt sehr viel über die Plattformbetreiber aus. Aber natürlich muss den Investoren immer klar sein, dass es sich um Risikokapital handelt.
Gell: Man darf auch die Mündigkeit der Kleinanleger nicht unterschätzen. Dennoch ist beim Durchschnittsösterreicher noch Aufklärungsarbeit nötig, was Crowdinvesting eigentlich ist und wie die gesetzlichen Rahmenbedingen sind. Deshalb ist es auch gut, dass es mehrere Player gibt, die diese Aufklärungsarbeit leisten. Früher oder später wird es aber sicher eine Marktbereinigung geben. Man spürt auch eine gewisse Verunsicherung, weil viele Anleger in der Vergangenheit mit dubiosen Immobiliengesellschaften, deren Geschäftsmodell man nicht verstanden hat, Geld verloren haben.
Report: Inwieweit helfen große, publikumswirksame Crowd-Projekte wie das neue Allianz-Stadion des SK Rapid Wien?
Hain: Für die Bekanntheit des Begriffes sind solche Projekte sehr hilfreich. Ob allerdings ein Rapid-Investor auch in andere Projekte investiert, bezweifle ich. Da sind die Gründe für das Investment doch eher emotionaler Natur.
Report: Wie hoch ist das durchschnittliche Investment bei Reval?
Hain: Im Moment liegt der Durchschnittsbetrag zwischen 1.500 und 2.000 Euro. Wir wissen aber, dass die Erstinvestments niedriger sind und dann mit wachsendem Vertrauen ansteigen.
Report: Welche Projekte haben Sie derzeit in der Pipeline?
Hain: Aktuell haben wir ein Projekt in Krems am Laufen und wir prüfen mehrere Projekte in Wien, Linz und Graz.
Report: Wie viel Geld wurde für das Projekt in Krems gesammelt?
Hain: Wir stehen bereits kurz vor Kampagnenende und werden unser Ziel von 500.000 Euro erreichen. Man darf aber wie gesagt auch den Marketingaspekt nicht unterschätzen. Wir haben mit einigen Investoren auch Gespräche geführt, die sich für eine der Wohnungen interessieren, die in Krems errichtet werden.
Report: 2015 war mit Erlösen aus Immobilientransaktionen in Höhe von 120 Mio. Euro das erfolgreichste Jahr der Geschichte von Vienna Estate. Was hat 2016 gebracht?
Gell: 2016 ist mit einem Umsatz von 135 Millionen Euro und einem Ergebnis von über fünf Millionen Euro sogar noch besser gelaufen. Und auch 2017 haben wir schon wieder gut eingekauft und streben ein ähnliches Ergebnis an. Interessant ist ein Development-Projekt im dritten Bezirk. Das ist ein gemischtes Projekt aus Alt- und Neubau mit viel Grünfläche und Urban Gardening. Darauf freuen wir uns schon sehr.
Report: Wie sieht die mittel- und langfristige Strategie aus?
Gell: Aufgrund der Zinsentwicklung werden wir einen Teil unseres Portfolios als Hold abstellen und längerfristig finanzieren, um mit Mieteinnahmen und einer soliden Basis für die Zukunft gerüstet zu sein. Wir werden uns weiterhin, etwa zur Hälfte, im Tradingbereich bewegen und rund ein Drittel soll in den Neubau, etwa Seniorenwohnen, fließen.