Intelligente Assistenten arbeiten im Büro mit. Im IT-Betrieb übernimmt kluge Software eigenständig bestimmte Entscheidungen. Ob künstliche Intelligenz – KI – bald Netzwerkexperten und Systemarchitekten überflüssig machen wird – darüber spricht Alois Reitbauer, Chief Technology Strategist, bei dem Softwareunternehmen Dynatrace.
Report: Künstliche Intelligenz hält in vielen Arbeitsbereichen Einzug. Was kann ein intelligenter Assistent heute schon im IT-Betrieb beitragen?
Alois Reitbauer: Eine KI-Lösung kann hier zum Beispiel sehr viele repetitive Tätigkeiten übernehmen. Dazu zählen etwa die Sammlung und Analyse von Daten, das Reporting oder die Prüfung, ob die Systeme in Ordnung sind. So lässt sich schnell erkennen, was sich seit dem vorigen Tag verändert hat und wie die aktuelle Nutzererfahrung ist. Im Fachjargon handelt es sich um so genannte „Tap on your Shoulder Tasks“, also Anfragen, die typischerweise von Kollegen zwischendurch kommen und sich meist rund um Datensuche oder Problemerkennung drehen.
Solche spontanen Aufgaben kosten die IT-Abteilung oft viel Zeit und stören den Arbeitsablauf oder halten von wichtigeren, strategischen Prozessen ab. Den großen Vorteil eines virtuellen, KI-basierten Assistenten bildet daher das Einsparen von Arbeitszeit. Zudem ist er durch Spracheingabe einfach zugänglich. Noch besser eignet sich eine Kombination von Spracheingabe, Chatfunktion und Browser-Oberfläche direkt im Produkt, wie wir es bei Dynatrace davis bieten. Dann kann der Anwender in der jeweiligen Situation die optimale Eingabevariante nutzen.
Report: Gibt es bereits Anwendungsfälle und Kunden für den „Digital Assistant for Virtual Interaction Services – davis“, wie Sie es nennen? Welche weiteren Entwicklungen sind zukünftig geplant?
Alois Reitbauer: Es gibt bereits zahlreiche Anwendungsbereiche für davis wie Smart-TV-Settop-Boxen, In-Car-Entertainment oder Navigationssysteme. Aber auch im IT-Betrieb leistet die Plattform wertvolle Dienste. Denn die Mitarbeiter können effizienter und schneller arbeiten, wenn sie langwierige Routinetätigkeiten an den virtuellen Assistenten auslagern. Er kann zum Beispiel Datenbanken oder Milliarden von Abhängigkeiten in wenigen Sekunden durchsuchen und wertvolle Informationen daraus ziehen, während ein Mensch dafür oft eine halbe Stunde oder länger braucht.
Zudem analysiert die KI-Software die Informationen meist gründlicher, da sie alle möglichen Optionen prüft und sich nicht mit der ersten Antwort zufriedengibt. Denn das offensichtlichste ist nicht unbedingt das tatsächliche Problem. Dabei erfordert davis durch die Spracheingabe null Lernaufwand.
Momentan funktioniert diese bei davis nur auf Basis von Alexa. In Zukunft wollen wir weitere Plattformen wie Microsoft Cortana oder Google Assistant unterstützen. Zudem soll unsere Lösung weitere Einsatzszenarien abdecken und für mehr Zielgruppen bereitstehen. Während sie bislang eher für technische IT-Fragestellungen konzipiert ist, wird sie künftig stärker in Richtung Management und Line of Business gehen. Zum Beispiel können dann Verantwortliche für Mobile Apps geschäftsrelevante Fragen stellen, wie: Wo stehen wir im Plan für die Produktaktivierungen? Wie erfolgreich ist der Vertrieb? Wie lautet der aktuelle Stand für das Reporting? Die Antworten erhalten sie dann in Echtzeit.
Report: Was können KI-Systeme leisten, was Menschen nicht schaffen? Wie viele Mitarbeiter ersetzt so ein System?
Alois Reitbauer: Wir glauben nicht, dass KI-Systeme auf absehbare Zeit Menschen ersetzen. Schon heute ist der Fachkräftemangel ein großes Problem für viele Unternehmen. Was die wenigen verfügbaren Menschen nicht schaffen, können virtuelle Assistenten erledigen. Dazu zählen vor allem die nicht spannenden Aufgaben wie Datensammlung und -analyse oder die Aufdeckung und Behebung von Standardproblemen. In solchen klar abgegrenzten Bereichen werden sie Aufgaben übernehmen.
Das lässt sich mit den heutigen Navigationsgeräten vergleichen: Inzwischen liest kein Mensch mehr Karten, wenn er zu einem bestimmten Ort fahren möchte, sondern gibt die Adresse in das Navi ein. Ähnlich kann dann das IT-Management fragen: Welche Aufgaben stehen heute an und wie lassen sich diese am besten erledigen?
Im Zuge der digitalen Transformation müssten Unternehmen eigentlich noch mehr Fachkräfte einstellen, die schlicht nicht verfügbar sind. KI hilft, diesen Fachkräftemangel zu vermeiden und die Mitarbeiter von monotonen, zeitraubenden Tätigkeiten zu entlasten.
Report: Wird der Mensch in Zukunft überflüssig? Braucht man keine IT-Professionals mehr? Kommt der vollständig automatisierte IT-Betrieb mit Robotern und künstlichen Assistenten?
Alois Reitbauer: Wahrscheinlich werden KI-basierte Systeme tatsächlich in einigen Bereichen Menschen vollkommen ersetzen. Wir denken zum Beispiel an den klassischen IT-Betrieb, der immer weiter automatisiert wird, so dass wir heute schon von NoOps sprechen.
Die menschlichen Mitarbeiter werden dadurch aber nicht überflüssig, nur ihr Tätigkeitsbereich verändert sich. So werden sie in Zukunft immer höherwertige Aufgaben erhalten, die das Unternehmen wirklich voranbringen. Dazu gehört die Entwicklung neuer Geschäftsideen oder neuer Funktionen für Anwender, die intuitiver zu bedienen sind. Die hochqualifizierten menschlichen Mitarbeiter in solchen Bereichen einzusetzen ist auch deutlich sinnvoller als bei Routinetätigkeiten.
Report: Warum entwickelt Dynatrace am österreichischen Standort Linz? Wie will Dynatrace das 220 Mitarbeiter-Lab weiter ausbauen?
Alois Reitbauer: Im Vergleich zu den USA müssen wir uns in Europa nicht verstecken. Wir haben exzellente technische Ressourcen, eine hohe Qualität der Mitarbeiter und sogar eine höhere Kontinuität der Entwicklung. Denn die europäischen Kollegen bleiben oft deutlich länger im gleichen Unternehmen und verfügen daher über mehr Spezial-Wissen zu Technologien und Kunden.
Natürlich ist auch der Standort Linz vom Fachkräftemangel betroffen. Dem wollen wir durch Entwicklungsarbeit für die Jugend wie einen CoderDoJo oder ein Heranführen von Kindern an IT und Programmierung entgegenwirken. IT-Professionals bieten wir sehr schnell hohe Eigenverantwortung für Bugdets und ein extrem innovatives Arbeitsumfeld, denn wir gehen für unsere Kunden immer mit den neuesten Trends mit, wie gerade MicroServices, KI und Cloudauslagerungen.
Hintergrund
Das Softwareunternehmen Dynatrace spezialisiert sich auf den Bereich Application-Performance-Management und hat an seinem Gründungsstandort Linz KI-unterstütztes IT-Monitoring aus der Taufe gehoben. Über fehlendes Datenmaterial können sich die Spezialisten nicht beklagen: In den APM-Systemen, die bei tausenden Unternehmen weltweit im Einsatz sind, werden täglich über zwei Milliarden synthetische Messungen durchgeführt und rund drei Milliarden Besuche „echter“ Anwender analysiert.