Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Gernot Tritthart, Direktor Marketing, Innovation & Kommunikation Lafarge Zementwerke GmbH, über Fairness im Wettbewerb, erklärt die Bedeutung digitaler Lösungen und lässt mit der Ankündigung aufhorchen, dass für die jüngste Innovation, den mineralische Dämmschaum Airium, auch ein Seitensprung zum Ziegel denkbar ist.
Report: Sie haben im letzten Jahr mit Airium einen mineralischen Dämmschaum auf Zementbasis entwickelt, von dem Sie sich viel erwarten. Wie ist die Resonanz vom Markt?
Gernot Tritthart: Es geht bei Airium um einen völlig neuen Zugang zum Dämmen. Wir denken nicht mehr in Dämmplatten, sondern verstehen Dämmung als integralen Teil der Wand oder des Dachbodens. Dafür ist Interesse vorhanden. Bei Innovationen dieser Größenordnung ist auch Geduld gefragt, wir sind aber vom Potenzial von Airium absolut überzeugt. Wir arbeiten daran, Airium als Teil einer Systemlösung anzubieten. Dazu haben wir auch aktuell Pilotprojekte laufen. Ziel ist es jedoch so schnell als möglich vom Pilotprojekt zur Standard- bzw. Systemlösung zu kommen.
Report: Wer soll mit Airium hauptsächlich angesprochen werden?
Tritthart: Die Hauptzielgruppen sind aktuell die Hersteller von Leichtbetonmauersteinen, aber auch Baumeister, Architekten und Planer. Wir fahren im Moment auch zweigleisig. Zum einen geht es darum, das Produkt gemeinsam mit den direkten Kunden final fertig zu entwickeln und gleichzeitig Nachfrage und Bedarf zu schaffen. Und da kann ich sagen: Die Resonanz ist großartig. Wir konzentrieren uns auch nicht mehr nur ausschließlich auf Steine, auch die Themen Doppelwand und Dachboden werden wichtiger. Sogar Ziegel haben wir schon befüllt. Und das alles funktioniert.
Report: Soll der Ziegel künftig noch stärker ins Visier genommen werden oder war das nur ein kurzer Abstecher, um zu testen, ob es funktioniert?
Tritthart: Unsere vorrangige Strategie ist sicher der Leichtbetonstein. Wenn wir aber sehen, dass wir beim Leichtbetonmauerstein nicht weiter kommen, aus welchen Gründen auch immer, wenn uns die Marktpenetration nicht gelingt, dann werden wir uns natürlich auch in Richtung Ziegel entwickeln.
Report: Für 2017 haben Sie einen Absatz von rund 6.000 m³ geplant, was rund 150 Häusern entspricht. Wie ist der aktuelle Stand? Ist das Ziel erreichbar?
Tritthart: Nein, aus heutiger Sicht ist das Ziel nicht erreichbar. Wir befinden uns auf einer Innovationsreise und da gibt es auch Überraschungen. Da geht es um eine effizientere und günstigere Produktion der Steine, um neue Rezepturen und Geometrien sowie um einen besseren U-Wert. Aktuell stehen wir bei 0,15 W/m²K, das Ziel ist 0,12 W/m²K, um dem Mitbewerb Paroli bieten zu können. Dann können wir uns auch viel besser am Markt positionieren.
Report: Wie offen sind die Baumeister, wenn es um Airium geht?
Tritthart: Das ist regional sehr unterschiedlich. Sehr positiv war etwa die Präsentation unserer neuen Plattform 100%-Haus auf der Grazer Messe. Da sind innerhalb von drei Tagen 15 Häuser mit Leichtbetonlösungen über den Ladentisch gegangen. Und wir konnten Airium als mineralische Dämmung sehr gut präsentieren.
Report: Mit Airium tauchen Sie auch in einen neuen Markt ein und erweitern Ihre Wertschöpfungskette. Mit welchen Produkten und Entwicklungen abseits des eigentlichen Kerngeschäfts ist mittelfristig zu rechnen?
Tritthart: Was wir in der Region sehr stark forcieren, ist neben dem Hochbau die Infrastruktur. Besonders die Betonstraße liegt uns sehr am Herzen, weil wir mit Österreich und Tschechien zwei Länder haben, die über einen sehr hohen Anteil an Betonautobahnen verfügen. Da sind zwar die Errichtungskosten etwas höher, aber über den Lebenszyklus ist die Bilanz absolut positiv. Und dann gibt es noch versteckte Kosten, die noch viel zu wenig mitgedacht werden. Im Bereich Straße geht es nicht nur um Verfügbarkeit und Lärmentwicklung, sondern auch um Treibstoffkosten oder Sicherheit. Betonstraßen sind in der Dämmerung besser sichtbar und es entstehen keine Spurrinnen.
Report: In der Vergangenheit stand auch das Thema »Heizen und Kühlen« stark im Fokus. Vom Markt angenommen wurde die Bauteilaktivierung lange Zeit aber nicht im gewünschten Ausmaß.
Tritthart: Das ist richtig, hat sich aber deutlich gewandelt. Mittlerweile ist das Thema absolut am Markt angekommen. Im Nicht-Wohnbau ist die Bauteilaktivierung Stand der Technik. Jetzt wollen wir natürlich im Wohnbau verstärkt Fuß fassen. Der große Vorteil ist, dass wir heute viele Partner hinter uns wissen, die das Thema promoten. Anhand des Planungsleitfadens sehen wir, dass wichtige Player wie Ministerien, die Stadt Wien oder die Bauinnung hinter der Lösung stehen.
Report: Alle Welt redet aktuell von der Digitalisierung. Im Baubereich denken dabei viele fast ausschließlich an BIM. Es geht aber auch um interne Prozessoptimierung und Effizienzsteigerungen. Wo steht Lafarge in Sachen Digitalisierung?
Tritthart: Ich denke, man kann guten Gewissens sagen, dass wir im Branchenvergleich schon sehr aktiv sind. Wir beschäftigen uns etwa sehr intensiv mit dem gesamten Order-to-Cash-Prozess. Da spielt die Digitalisierung eine wesentliche Rolle.
Der klassische Zementmarkt muss aber differenzierter betrachtet werden. Wir analysieren sehr genau, welche Vertriebswege und Tools für unsere Produkte erforderlich sind. Und da ist das Ergebnis eindeutig. Am wichtigsten ist immer noch der persönliche Kontakt natürlich in Komibination mit Know-how und State-of-the-Art Tools.
Report: Mit der Holzindustrie gibt es immer wieder Reibepunkte. Wie würden Sie aktuell das Verhältnis beschreiben?
Tritthart: Das will ich gar nicht beschreiben, möchte aber schon festhalten, dass wir nicht die Angriffigen sind. Holz trommelt sehr stark die Themen Ökologie und CO2, allerdings nur nach selbst aufgestellten Regeln. Die Diskussion muss viel gesamtheitlicher geführt werden. Wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht, dann um Nachhaltigkeit in allen Bereichen – vom Bau bis zum Recycling und allen parallel laufenden Prozessen. Eine »consequentional Life-Cycle-Analysis« ist das Ziel anstatt einer »attributional Life-Cycle-Analysis«.
Report: Die Konjunktur erholt sich. Wie geht es Lafarge in Österreich, wie entwickeln sich die anderen Märkte? Wie war das Ergebnis 2016, was erwarten Sie von 2017?
Tritthart: Wir sind nicht unzufrieden. Die Marktentwicklung ist stabil, die ganz großen Wachstumsraten haben wir aber nicht. Punktuell gibt es Segmente wie Fertigteile mit gutem Wachstum, andere wie das Projektgeschäft entwickeln sich weniger erfreulich. Die Projektpipeline der öffentlichen Hand ist leider nicht so prall gefüllt wie gewünscht.
Die Lafarge Zementwerke GmbH in der LafargeHolcim-Gruppe
Die österreichische Lafarge Zementwerke GmbH ist eine Tochter der im Juli 2015 gegründeten LafargeHolcim Gruppe, die in 80 Ländern der Welt rund 90.000 Mitarbeitende beschäftigt.
Ein entscheidender Faktor der neuen gemeinsamen Unternehmenskultur ist die Nähe zum Kunden, um zeitgerecht Produkte und Lösungen für zukünftige Anforderungen zu entwickeln.
Die LafargeHolcim-Gruppe setzt einen starken Fokus auf die Entwicklung innovativer Bauprodukte, welche die Nachhaltigkeit fördern. Dabei spielt Österreich eine zentrale Rolle. Fundatherm, eine gebundene Zementschüttung mit Blähton unter der Bodenplatte, wurde von Lafarge gemeinsam mit Kunden entwickelt und im Nachhaltigkeitsbericht 2016 der LafargeHolcim Gruppe als eine österreichische Entwicklung und Lösung für nachhaltiges Bauen präsentiert. Auch dass Österreich eines von nur drei Pilotländern ist, in denen der neue mineralische Dämmstoff Airium eingeführt wurde, zeigt den hohen Stellenwert innerhalb der Gruppe.