Mit der neuen Ökostromgesetz-Novelle wird es nun auch in Österreich möglich, urbane Dachflächen auf Mehrfamilienhäusern zur Erzeugung von PV-Strom zu nutzen. Mieterinnen und Mieter können zukünftig ebenso wie Betriebe und BesitzerInnen von Einfamilienhäusern Produzenten von Sonnenstrom werden.
Die Photovoltaik-Technologie erlebt derzeit einen weltweiten Boom. Während Deutschland bei den jährlichen Zuwachsraten lange Vorreiter war, sind nun Länder wie China, Japan oder die USA an der Spitze. Die sinkenden Kosten machen Photovoltaik immer attraktiver, auch für den Massenmarkt. In Österreich sieht man Photovoltaikanlagen hauptsächlich auf privaten Einfamilienhäusern, Gewerbebetrieben oder auf landwirtschaftlichen Flächen. Ein großes Potenzial wurde bis jetzt nicht ausgeschöpft: städtische Dachflächen auf Mehrfamilienwohnhäusern.
Ökostrom-Novelle macht es möglich
Mit der kleinen Ökostromgesetz-Novelle sollen auch entscheidende Änderungen im Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetz beschlossen werden. Zukünftig werden Personen in Mehrparteienhäusern, aber auch Unternehmen in Bürogebäuden die Möglichkeit erhalten, den Strom aus hauseigenen Erzeugungsanlagen zu nutzen. Immerhin befinden sich rund zwei Drittel aller Haushalte in Österreich in Mehrparteienhäusern. Dadurch kann der dezentral erzeugte Strom direkt vor Ort verbraucht werden, und muss nicht in das Netz eingespeist werden. Somit steigt die Wertschöpfung vor Ort, es führt zu einer Entlastung der Netze und zu einem gesteigerten Wettbewerb am Strommarkt.
Während in sogenannten Mieterstrom-Modellen in Deutschland aufgrund der höheren Stromtarife der monetäre Vorteil größer ist, wird in Österreich der Zusatznutzen für Anbieter und KundInnen entscheidend für den Erfolg neuer Geschäftsmodelle sein. Beispiele aus der Praxis haben gezeigt, dass die Bereitschaft in der Bevölkerung groß ist, in Erneuerbare Energien zu investieren. Bürgerbeteiligungskraftwerke, wie sie über diverse Plattformen angeboten werden, sind innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Vorstudien zeigen aber auch auf, dass die KundInnen einen hohen Servicegrad erwarten, ähnlich der Ein-Klick-Bestellung bei Amazon. Anbieter von neuen Geschäftsmodellen müssen also Wertangebote für ihre KundInnen formulieren, die über den reinen Verkauf der kWh hinausgehen. Argumente, warum sich eine Kundin oder ein Kunde für einen bestimmten Anbieter von Mieterstromlösungen entscheidet, könnten sein:
- zertifizierter Grünstrom aus eigener Quelle
- keine Preiserhöhung in den nächsten 20 Jahren
- Energie und (E-)Mobilität aus einer Hand
- einfache Ummeldung bei Umzug in eine andere Stadt, und vieles mehr.
Wer wird den »first mover advantage« nutzen?
Die Herausforderung für Energieunternehmen, neue Anbieter und Start-ups besteht nun darin, rasch innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Die Chance für etablierte Energieunternehmen liegt im Erschließen neuer Geschäftsfelder und darin, mit neuen Services ihre Kundinnen zu binden und digitale Vertriebskanäle aufzubauen. Für neue Player am Markt (Start-ups, PV-Technologieanbieter, Energiegenossenschaften) sind Mieterstrommodelle eine gute Chance, neue Kundengruppen zu erreichen und ihre Technologien auf den Massenmarkt zu bringen. Offen ist, wer in Österreich das erste attraktive Angebot für die große Gruppe der urbanen KundInnen schafft.
Zur Person
Hemma Bieser ist Gründerin und Geschäftsführerin der »Innovation Company« avantsmart. Bieser ist als Managementberaterin, Moderatorin und Vortragende tätig. Aktuell begleitet sie Energie- und Industrieunternehmen bei der digitalen Transformation und eröffnet KundInnen durch »Business Model Innovation« die Geschäftsfelder der Zukunft. Schreiben Sie Ihre Meinung zu diesem Artikel an