Sonntag, Dezember 22, 2024

Damianos Soumelidis, Österreichleiter des IT-Dienstleisters Nagarro, über die Entscheidung, Services in die Cloud auszulagern.

(+) plus:  Welche Gründe sprechen für die Auslagerung von IT-Ressourcen in die Wolke? Und wann sollte man eher die Finger von Cloud Services lassen?

Damianos Soumelidis: Ich teile dazu die IT in drei Bereiche. Zum einen gibt es IT-Systeme, welche das Kerngeschäft zum Beispiel eines produzierenden Betriebes oder eines Handelsunternehmens unterstützen – zum Beispiel den Leitstand in der Produktion. In diesen Bereichen sollte man die IT lassen, wo sie ist. Dienste, bei denen man sich keine Latenzzeiten erlauben kann, eignen sich nicht für die Cloud.

Die zweite Komponente von IT in Unternehmen betrifft das klassische Back-Office: Mailing, Kundenbeziehungsmanagement oder etwa ERP. Kann ich eine Applikation auf eine virtuelle Maschine legen, dann ist sie zu 95 % auch für die Cloud geeignet. Es kommt allerdings vor, dass bestimmte Branchenlösungen technisch nicht Cloud-tauglich sind, wenn etwa die Client-Server-Kommunikation netzwerktechnisch nicht funktioniert. Aber prinzipiell kann man sagen: Alles, was standardisierbar ist, wie bei den typischen Büroanwendungen, lässt sich sowohl wirtschaftlich als auch sicher in Cloud-Infrastrukturen abbilden.

Der dritte Bereich betrifft dann jene Systeme, die in der Regel schon in irgendeiner Form von Cloud-Diensten existieren, also Webseiten, E-Commerce-Systeme – alles, was sehr stark nach außen gerichtet ist. Hier kann man nur gewinnen, wenn man diese Anwendungen weiter nach außen bringt – also über das eigene Netzwerk, über den eigenen Bandbreiten-Provider hinaus.

Wir unterscheiden dann nur noch, ob die virtuelle Maschine zu einem Cloudservice wie Amazon Web Services oder Microsoft Azure verlagert wird, oder einzelne Dienste in Form von Software-as-a-Service genutzt werden. Da kann es sein, dass die IT auf neuere Versionen einer Software aktualisiert werden muss, oder überhaupt Anwendungen gewechselt werden – beispielsweise von einer proprietären CRM-Lösung auf Salesforce.com, Microsoft CRM oder andere.

(+) plus: Welche Vorlaufzeit sollte man bei einem Wechsel zu Cloud-Services einberechnen?

Soumelidis: In einem typischen österreichischen Mittelstandsunternehmen mit 200 bis 500 Mitarbeitern brauchen wir zirka eine Woche, um die bestehenden IT-Systeme und Prozesse zu analysieren. Dann ist klar, welche Teile in der Wolke gelagert werden können. Ein Fahrplan dazu lässt sich in drei bis vier Tagen erstellen. Wahrscheinlich wird man nicht die bestehende IT über Nacht wegschmeißen – also gibt es oft eine längerfris­tige Strategie, Dienst für Dienst in die neue Infrastruktur zu verlagern.

(+) plus:  Es läuft also auf eine Kosten-Nutzen-Rechnung hinaus.

Soumelidis: Ja und nein. Unser Zugang ist nicht, einen Wechsel anhand der Hard- und Software – also Server, Betriebssysteme und Applikationen – durchzurechnen. Wir fragen zuerst: Was müssen wir über Ihr Business wissen? Welche Dienste werden in Anspruch genommen und wofür? Was ist kritisch? Wir durchleuchten also nicht Abteilung für Abteilung sondern die einzelnen Dienste. Dann  bewerten wir, im Wesentlichen nach den Kriterien Machbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Verfügbarkeit. Manchmal ist es auch besser, die Dinge so zu lassen, wie sie sind. Die Cloud ist in der Regel – Stichwort »Total Cost of Ownership« – billiger, und meistens sind Cloud Services sicherer und verfügbarer. Aber einen Persilschein für die Cloud gibt es nicht.

(+) plus:  Können Sie uns ein Beispiel für die Nutzung von Cloud-Infrastruktur geben?

Soumelidis: Das Catering-Unternehmen Gourmet beliefert Kindergärten und Hortküchen ebenso wie Betriebsrestaurants. Mit der Anwendung »Gourmet à la click« können Kunden online ihre Speisen auswählen. Wir konnten die Betriebskosten für einen hochverfügbaren Web- und Datenbank-Cluster massiv reduzieren, indem wir automatisiert die IT in der stärksten Bestellzeit am Vormittag auf eine größere Cloud-Instanz– in diesem Fall Microsoft Azure – schalten. Über sogenannte Geo-Redundanz wird im Falle eines Ausfalls in Europa dieser Service nahtlos von einem Rechenzentrum international geliefert. So etwas in einer eigenen IT abbilden – das wäre für ein einzelnes Unternehmen nahezu unerschwinglich.

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