Freitag, Juli 19, 2024

Industrie 4.0 führt zu teils evolutionären, teils disruptiven Veränderungen, die das Erreichen des ehrgeiziges Ziels, Produktion in Österreich zu halten und zurückzuholen, realistisch machen. Ein Gastkommentar von Andreas Reichhardt, Leiter der Sektion III Innovation und Telekommunikation im bmvit.

Instandhaltung 4.0, Handwerk 4.0, Logistik 4.0, Einkauf 4.0: Diese immer häufiger verwendeten Bezeichnungen zeugen davon, dass entlang der gesamten industriellen Wertschöpfungskette radikale Veränderungen erwartet werden. Industrie 4.0 ist Ursprung dieser teils sehr spezialisierten Diskussionen und umfasst, gleichsam als Klammer, sämtliche Aspekte der industrialisierten, arbeitsteiligen Fertigung von Planung und Einkauf bis zu neuen Diensten, die über den gesamten Produktlebenszyklus angeboten werden. Haupttreiber der erwarteten, teils evolutionären, teils disruptiven Veränderungen ist die vollständige Digitalisierung und Vernetzung sämtlicher an der Produktion beteilig­ten Maschinen.

Nur derart fortschrittlichen Betrieben wird es möglich sein, Produkte mit hoher Qualität, rasch und genau den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden angepasst herzustellen – zu Preisen, die heute nur mit Massenfertigung erreicht werden können. Um all diese Erwartungen erfüllen zu können, müssen das Wissen der Facharbeiterinnen und Facharbeiter über die Produktionsprozesse, neue Technologien, die von der angewandten Wissenschaft erforscht und entwickelt werden, sowie regionale Produktion und Montage gleichwertig kombiniert werden.

Somit ist es auch möglich, das ambitionierte Ziel zu erreichen, Produktion in Österreich zu halten oder besser noch zurückzubringen. Dieses Ziel hat inzwischen auch die Europäische Union aufgegriffen – 20 %
des BIP soll 2020 durch Produktion erwirtschaftet werden. Die Finanz- und Wirtschaftskrise des letzten Jahrzehnts hat gezeigt, dass Volkswirtschaften mit einem höheren Produktionsanteil deutlich schwächer von den Folgen wie steigender Arbeitslosigkeit betroffen waren.

Im Jahr 2011 hat das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit) mit der FTI-Initiative »Produktion der Zukunft« begonnen, gezielt Forschung im Bereich Produktion zu fördern. Die Nachfrage aus Wirtschaft und Wissenschaft, die seit Anbeginn auf einem hohen Niveau besteht, bestätigt die Wahl des Schwerpunktes. Lange vor der intensiv und weltweit geführten Diskussion zu Industrie 4.0 (»Smart Production«, »Usine du futur«, »Advanced Manufacturing«) wurden vom bmvit die Weichen für die technologische Weiterentwicklung der heimischen Produktion gestellt. Darüber hinaus fließt inzwischen jeder vierte Fördereuro, der über die FFG vergeben wird, in Produktionsforschung – Industrie 4.0 ist ein deklarierter Schwerpunkt.

Neben den bisher bereits bekannten Kooperationsprojekten hat das bmvit in den vergangenen drei Jahren auch neue Fördermöglichkeiten für Wissenschaft und Wirtschaft geschaffen. Zur Stärkung der wissenschaftlichen Basis und Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses wurden bisher sechs Stiftungsprofessuren mit thematischem Bezug zu Produktion bzw. Industrie 4.0 an heimische Universitäten vergeben. Besonderes Augenmerk wird auf den Transfer von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen in die Anwendung in Unternehmen gelegt. Pilotfabriken dienen dem praxisnahen Kennenlernen und Testen neuer Technologien und sollen heimischen Unternehmen helfen, diese als Innovationen in ihren Anlagen und Fabriken einzuführen und so für die Herausforderungen der Zukunft bestens gerüstet zu sein.

Wir haben erkannt, dass Industrie 4.0 Herausforderungen und Chancen auch abseits der technologischen Forschung und Entwicklung mit sich bringt. Keine Organisation ist alleine in der Lage, sämtliche Aspekte umfassend zu erfassen und die nötigen Schritte einzuleiten. Daher hat das bmvit vor mehr als zwei Jahren begonnen, einen umfassenden Diskurs unter Einbeziehung sämtlicher Stakeholder zu führen. Gemeinsam sollen in der »Plattform Industrie 4.0 Österreich« die richtigen Schritte für eine Produktion mit Zukunft gesetzt werden, um den Produktionsstandort Österreich zu sichern.

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