»Ein Baum, der fällt, macht mehr Lärm als ein ganzer Wald, der wächst.« Dieses Bild gilt wohl auch für das Thema Vertrauen: Vertrauen aufzubauen dauert lange, es zu zerstören nur Sekunden. Auf das Vertrauenskonto muss immer wieder eingezahlt werden, während Abhebungen viel seltener und nur in Maßen erfolgen dürfen. Ein Gastkommentar von Herbert Strobl.
Tieferes Vertrauen kann nur entstehen, wenn wir uns in der Gegenwart des anderen sicher und wohlfühlen (können). Vertrauen ist längerfristig nie eine Einbahnstraße. Andererseits wird entgegengebrachtes Vertrauen in der Regel als Aufwertung der eigenen Person erlebt und ist vice versa der Schlüssel dafür, sich selbst zu öffnen und kooperieren zu wollen.
So weit, so privat? Mitnichten! Jeder Wirtschaftsmediator kann ein Lied davon singen, wie sich Mitarbeiter und Führungskräfte wechselseitig paralysieren können, wenn das Urvertrauen in die Kooperationsfähigkeit und -willigkeit in der Organisation nicht mehr vorhanden ist. Der Sand im Getriebe ist sofort spürbar: Ohne Vertrauen gibt es kaum Bereitschaft zur Risikoübernahme und sich abzusichern wird zum Leitmotiv des Handelns – indem zum Beispiel jede E-Mail an eine elendslange CC-Liste geht.
Dummerweise gibt es unter solchen Bedingungen weder Selbstorganisationsfähigkeit noch Innovation. Beides ist gerade in Zeiten stark steigender Komplexität und Geschwindigkeit aber von entscheidender Bedeutung für das Überleben der Organisation, die im Wettbewerb steht. Eine gelebte Vertrauenskultur ist nämlich das Leichtlauföl im Getriebe, das schnelle Umdrehungen erst möglich macht. »Trust or bust!«, heißt es im Englischen so schön. Je ausgeprägter Vertrauen in einer Organisation vorhanden ist, desto weniger wird es übrigens verbal eingefordert, sondern einfach gelebt.
Wenn Sie – als Führungskraft – Vertrauen also nicht verordnen können, wie können Sie es dennoch bewusst zum Wachsen bringen?
Hier ein paar an sich ganz banale Dinge, die eigentlich schon der bloße Hausverstand lehren sollte:
1) Kehren Sie zuerst immer vor der eigenen Tür, bevor Sie andere in die Pflicht nehmen!
2) Behandeln Sie andere nie schlechter, als Sie selbst behandelt werden wollen!
3) Respektieren Sie andere Meinungen, auch wenn Sie sie nicht teilen, denn andere Sichtweisen verletzen nicht automatisch Ihr gefühltes Territorium!
4) Klären Sie wechselseitige Erwartungshaltungen immer so früh und offen wie möglich!
5) Seien Sie großzügig in der Weitergabe von Wissen und Kontakten!
6) Leben Sie Loyalität und reden Sie über andere immer nur so, als wären diese anwesend!
7) Geben Sie nur Versprechen, die Sie auch bereit sind zu halten!
8) Beim Auftreten eines Fehlers fragen Sie (sich) zuerst, was man daraus lernen kann, bevor Sie sich auf die Suche nach Schuldigen machen!
9) Wenn Sie einen Fehler gemacht haben, entschuldigen Sie sich!
10) Spielen Sie keine unnötigen Spielchen und versuchen Sie Klarheit und Transparenz zu schaffen! Auch beim Unternehmenskulturthema Vertrauen gilt: »The hard facts are easy, but the soft facts are hard!«
Diese »10 Gebote« sind wohl fast eine Art Antithese zu Lenins Satz »Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!« Nur, wo gibt es heute noch echte kommunistische Systeme?
Über den Autor Herbert Strobl ist Managementberater und Entwicklungsbegleiter mit Schwerpunkt auf Führung, Veränderung und Unternehmenskultur. Er verfügt über 20 Jahre Führungserfahrung in internationalen Konzernen und arbeitet seit vielen Jahren als systemischer Unternehmensberater, Executive-Coach und Wirtschaftsmediator. |