Wasserstoff ist ein entscheidender Energieträger in einer CO 2 -neutralen Energiezukunft. Wien Energie, RheinEnergie, Siemens Energy und Verbund forschen deshalb an einer neuen Einsatzmöglichkeit: In einem gemeinsamen Betriebsversuch in einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage von Wien Energie, dem Kraftwerk Donaustadt, soll Wasserstoff unter Realbedingungen zum Einsatz kommen.
Der umweltfreundliche Energieträger wird dabei dem normalerweise eingesetzten Energieträger Erdgas beigemischt. Es ist der weltweit erste Versuch, in einer in öffentlicher Produktion befindlichen großen Gas-und-Dampfturbinen-Anlage Wasserstoff beizumengen.
Ein entsprechender Kooperationsvertrag wurde kürzlich unterzeichnet, die Kooperationspartner gehen von knapp zehn Millionen Euro Projektkosten aus. Um das Projekt vollumfänglich durchführen und noch mehr Erkenntnisse zum Betrieb grüner Kraftwerke sammeln zu können, sollen Förderungen beantragt werden.
„Bis 2040 will Wien klimaneutral sein. Für die Wärmewende und den Klimaschutz in unserer Stadt spielt der Einsatz von grünen Gasen in unseren Kraftwerken eine zentrale Rolle. Mit dem weltweit ersten Wasserstoff-Betriebsversuch in einer Gasturbine machen wir den entscheidenden Schritt vom Papier in die Praxis. Dieses länderübergreifende Kooperationsprojekt ist ein Vorzeigebeispiel für die gesamte Branche“, betont Michael Strebl, Vorsitzender der Wien Energie-Geschäftsführung.
Ist der Betriebsversuch erfolgreich, hat er maßgebliche Auswirkungen auf das Gelingen der Energiewende. „Dies ist ein bedeutender Schritt auf dem Weg zu klimaneutralen Fernwärmenetzen und der damit verbundenen Stromproduktion“, sagt Dieter Steinkamp, Vorstandsvorsitzender der RheinEnergie, größter Energieversorger in Köln. „Gelingt es uns, die Herzstücke solcher Wärmenetze, die Erzeugung, zu vergrünen, so können wir in einem Schritt mehrere Tausend Häuser und Wohnungen klimaneutral beheizen.“
Wichtige Erkenntnisse für Energiezukunft erhofft
Am Kraftwerksstandort in Wien wird der erste Praxistest dieser Art an einer „heavy duty gas turbine“ vorgenommen. Bereits im Frühjahr 2022 soll mit Umbaumaßnahmen an der Gasturbine gestartet werden. Nach der Umrüstung der Turbine im kommenden Jahr soll die Beimischung von Wasserstoff 2023 erfolgen. Von diesem Praxistest erwarten sich die beteiligten Unternehmen wichtige Erkenntnisse und Daten zur Effizienz und den Emissionen der Wasserstoffmitverbrennung.
„Siemens Energy ist auf Dekarbonisierung der Energiesysteme fokussiert. Dabei unterstützen wir als Partner auch unsere Kunden bei der Realisierung von Lösungen zur Dekarbonisierung ihrer Prozesse bei gleichzeitiger Deckung des steigenden Energiebedarfs. Wir sind überzeugt, dass innovative Technologien und der Einsatz von Wasserstoff der wichtigste Schlüssel zur Bekämpfung des Klimawandels sind“, erklärt Aleš Prešern, Geschäftsführer von Siemens Energy Austria.
Diese Erkenntnisse sind zur weiteren Entwicklung der nächsten Generation an Gasturbinen hoch relevant. Die ExpertInnen der teilnehmenden Unternehmen wollen die Ergebnisse gemeinsam auswerten und daraus Folgerungen für die weitere Anpassung an neue künftige Energieträger treffen.
„Innovation und Kooperation sind entscheidende Faktoren beim Erreichen unserer Klimaziele“, so Verbund Thermal Power Geschäftsführer Robert Koubek. „Wir testen und forschen hier gemeinsam zum Einsatz von Wasserstoff in der bestehenden Infrastruktur eines Wärmekraftwerks, um die Dekarbonisierung des Gassektors voranzutreiben.“
In einem ersten Schritt soll der Wasserstoffanteil bei 15 Volumenprozent liegen. Im zweiten Schritt ist geplant, den Anteil zu verdoppeln. Ist der Versuch erfolgreich, soll die Anlage für den Dauerbetrieb zertifiziert werden. Schon bei 15 Volumenprozent Beimischung von grünem Wasserstoff im Kraftwerk Donaustadt würden jedes Jahr rund 33.000 Tonnen CO2 eingespart werden.
Ähnliche Gasturbinen als Vorteil
Die Gasturbinen von Wien Energie, RheinEnergie und Verbund sind nahezu baugleich. Sie arbeiten im „Heavy-Duty“-Einsatz und erzeugen rund um die Uhr Wärme sowie je nach Auslastungsgrad auch Prozessdampf, Fernwärme und Strom. Ihre Leistungsabgabe lässt sich flexibel steuern. Damit gleichen die Turbinen Schwankungen aus, die bei der Erzeugung von Wind- und Sonnenstrom zwangsläufig entstehen. Kaum ein anderer Kraftwerkstyp ist so flexibel wie eine Gas-und-Dampfturbinenanlage.
Bei allen drei Unternehmen ist eine Siemens Energy-Gasturbine vom Typ 4000 F im Einsatz. Dieser Anlagentypus trägt in seiner Klasse die Hauptlast der Versorgung am Strommarkt in Österreich und speziell für das gesamte Versorgungsgebiet Wien. In Europa sind mehr als 115 Gasturbinen dieser Klasse in Betrieb mit einer installierten Leistung von mehr als 31 Gigawatt. In Köln steht sie am Standort Niehl (HKW Niehl 2, Inbetriebnahme 2005, Leistung 400 Megawatt).
Vernetzung der Energiesektoren entscheidend
Wasserstoff gilt als ein Schlüssel-Energieträger auf dem Weg zur Klimaneutralität, insbesondere im Sektor Energieerzeugung. Er lässt sich als sogenannter „grüner“ Wasserstoff unter Verwendung von Erneuerbarer Energie erzeugen, dadurch wird er komplett klimaneutral. Expert*innen rechnen mit einem allmählichen Markthochlauf ab Anfang der Dreißigerjahre.
Zudem kann Wasserstoff auch ein Medium sein, um den Überschuss aus der Produktion von Erneuerbarer Energie zu speichern. Damit leistet er auch einen Beitrag zur Stabilisierung des Energiesystems und erhöht dessen Flexibilität. Da hohe Mengen an Erneuerbarer Energie oft in den Zeiten anfallen, in denen der Bedarf vielleicht eher gering ist, aber nicht zur Verfügung stehen, wenn es hohe Nachfrage gibt (Winter, Dunkelheit, niedrige Temperaturen, …), kann Wasserstoff als Ausgleich zwischen Bedarf und Angebot dienen.