Donnerstag, Juli 18, 2024

Mit dem Location-Based Management System wird versucht, einen kontinuierlichen Arbeitsablauf durch die logische Aufteilung von Bauwerksgeometrie und Arbeitstätigkeit zu entwickeln. Die Methode orientiert sich an der stationären Produktion und schafft durch sich wiederholende Arbeitspakete eine Erhöhung der Produktivität. Teil 7 der Serie »Lean Baumanagement – Werkzeuge und Methoden«

Das Location-Based Management System (LBMS) ist ein integriertes Netzwerk von Management-System-Komponenten. In dieser Methodik sind alle Phasen der Baukonstruktion enthalten, von der Planung bis zur Fertigstellung.1 Dabei werden alle Arbeitsabläufe möglichst kontinuierlich geplant. Diese Planungs- und Steuerungsmethode baut auf der Arbeit von Professor Kankainen und Professor Kiiras der University of Technology Helsinki aus den 1990er-Jahren auf.2

Im Gegensatz zur stationären Produktion, bei der sich das Produkt durch die Produktionsstätte bewegt, rotieren und wechseln bei einer Baukonstruktion Arbeitsteams ständig den Ort der Arbeit, während das Produkt an derselben Stelle bleibt. Diese Methode versucht, durch logische Aufteilung der Bauwerksgeometrie und der Arbeitstätigkeiten einen kontinuierlichen Fluss der Arbeitsmannschaften durch das Bauwerk zu entwickeln. Mit sich wiederholenden Arbeitspaketen kommt es zu einem Einarbeitungseffekt der Mannschaften, welcher zu einer erhöhten Produktivität führt. Weiters kann die Produktionsplanung mit einem festgelegten Arbeitsablauf für jedes Gewerk ähnlich gestaltet werden. Durch Datensammlung über den Baufortschritt in Echtzeit können die Größe der Arbeitsmannschaften sowie die Reihenfolge der Erledigung dazu genutzt werden, die Bauabwicklung proaktiv zu steuern. 

Produktionssteuerung durch Steuerung der Arbeitskräfte

Bei LBMS ist die Einheit der Analyse der Ort im Gebäude (Location), welche für die Produktionsplanung herangezogen wird, und die Einheit der Steuerung die Arbeitstätigkeit (Task), welche für die Produktionssteuerung verwendet wird. Die Produktionssteuerung geschieht primär über die Steuerung der Arbeitstätigkeiten in Bezug auf die Anzahl der Arbeiter*innen, die Zeit und die Kosten innerhalb einer Fläche. Eine Arbeitstätigkeit ist die Aggregation von allen sich wiederholenden Aktivitäten desselben Typs, welche an verschiedenen Orten repetiert werden.

Zumeist ändert sich an den unterschiedlichen Orten nur die Menge und die Dauer der Arbeiten, jedoch gibt es Tasks, welche nur am bestimmten Orten im Bauwerk durchgeführt werden müssen. Die Einteilung des Gebäudes in geometrisch ähnliche Bereiche und logische Unterteilungen geschieht mittels der Definition der Location Breakdown Structure (LBS). Die Lokationen werden hierarchisch angeordnet, sodass verschiedene Level entstehen, welche unterschiedliche Aufgaben erfüllen.3

Die Produktivität der einzelnen Mannschaften muss in Echtzeit gemessen und dokumentiert werden. 

Sobald die LBS definiert wurde, können die Mengen pro Fläche abgeleitet werden. Über die Arbeitsmengen können den Flächen einzelne Arbeitsteams zugeordnet werden. Hier muss vor allem auf logische Zwänge wie etwa Trocknungszeiten bei Fliesen oder Estrich geachtet werden. Mit der Zuordnung der Arbeitsteams und den logischen Abhängigkeiten ergibt sich ein erster Bauzeitplan. Sofern die Arbeitsteams unterschiedliche Geschwindigkeiten aufweisen, führt das zu einer Verlängerung der Bauabwicklung.

Mittels Anpassung der Produktivitätsraten, der Mannschaftsgrößen und der Optimierung der Reihenfolge kann eine Verkürzung der Bauzeit erreicht werden. Durch eine Reduktion der Arbeitskräfte bei den schnelleren Gewerken kann eine Beschleunigung erreicht werden, was »Location-Based Planning Paradox« genannt wird. Durch die weitere Optimierung mittels gezielter Brüche der Kontinuität oder Aufsplittungen der Teams kann die Bauzeit trotz Zeitpuffer gering gehalten werden. Abschließend muss die Produktionsplanung freigegeben und kontrolliert werden. 

Steuerung

Um eine proaktive Produktionssteuerung zu gewährleisten, muss die Produktivität der einzelnen Arbeitsmannschaften auf der Baustelle in Echtzeit gemessen und dokumentiert werden. Die einzelnen Start- und Endtermine der Mannschaften, welche immer lokationsbezogen ermittelt werden, stellen den ersten Punkt der Überwachung dar. Weiters wird auf eventuelle Verzögerungen und Unterbrechungen eingegangen. Die geplanten Mengen sowie der geplante Ressourceneinsatz mit den gekoppelten Arbeitsstunden bilden den Rest der Produktionssteuerungselemente.

Mit der tatsächlichen Arbeitsleistung sowie dem geplanten Baufortschritt können Soll-Ist-Vergleiche über die erwähnten Punkte erstellt werden. Diese bilden die Basis der Maßnahmenplanung für eine etwaige Gegensteuerung bei Abweichungen. Sobald es zu einer Verzögerung kommt, welche eine Auswirkung auf den geplanten Ressourceneinsatz oder den Start eines anderen Gewerkes hat, kommt es zu einer Alarmierung durch das Produktionssteuerungssystem. Diese Alarmierungen müssen sorgfältig untersucht und behoben werden, damit die identifizierten Hindernisse im Arbeitsfluss und potenzielle Probleme in der Bauabwicklung proaktiv entfernt werden können.

Bei LBMS ist eine enge und offene Kommunikation zwischen den einzelnen Gewerken sowie der Projektsteuerung eine Voraussetzung. Aufgrund der täglichen Überwachung des Baufortschrittes sowie der auftretenden Hindernisse können die nachfolgenden Gewerke mit ausreichender Vorlaufzeit informiert werden. Somit steigt bei allen Projektbeteiligten das Verständnis von der operativen Arbeit, wodurch eine erleichterte Steuerung der Arbeitsteams möglich wird. Mit dem Einsatz von LBMS kann durch detaillierte Produktionsplanung und Steuerung die Verschwendung in der Bauabwicklung eliminiert werden, da das Potenzial, die Zwänge und Verschwendungen vor der Arbeitsabwicklung zu beseitigen, mit der Anzahl der sich wiederholenden Arbeiten steigt. So ermöglicht LBMS die Anwendung von Lean-Prinzipien wie der Pull-Planung und dem JIT-Prinzip. Darüber hinaus führt die effektive Verteilung von Arbeitsressourcen zur Eliminierung von Verschwendung in Form von Beständen und Wartezeiten.4

Der Meilensteinplan des Last Planner Systems kann mittels der Location Breakdown Structure des Location-Based Management System verbessert werden. Auch wenn zu diesem frühen Zeitpunkt noch keine genauen Arbeitsabläufe geplant wurden, kann schon in der frühen Phase der Meilensteinplanung – mittels einer Einteilung der Flächen in Zonen – ein genereller logischer Ablauf und ein Soll-Fluss für die Arbeitsmannschaften entwickelt werden.

Im Zuge der Phasenplanung sollten zwei Workshops mit dem gesamten Projektteam abgehalten werden. Das Ziel des ersten Workshops ist die Location Breakdown Structure, eine Liste der Arbeitstätigkeiten sowie deren logische Zusammenhänge. Daraus wird die erste Produktionsplanung gebildet. In einem zweiten Workshop wird der Bauzeitplan optimiert. In einem kollaborativen Setting werden die Arbeitsreihenfolge, die Produktivitätsraten sowie die gewählten Kolonnenstärken und Flächen analysiert, auf Zwänge durchleuchtet und die Übergaben zwischen den Gewerken geplant.

Das Ergebnis des zweiten Workshops ist ein überarbeiteter, optimierter Bauzeitplan, der kontinuierliche Produktivitätsraten sowie Arbeitsflüsse der Mannschaften durch die Flächen beinhaltet. Die Abbildung oben (Methoden-Kombination) zeigt schematisch die Kombination der beiden Methodiken Last Planner System und Location-Based Management System.


Referenzen

[1] Vgl. Kenley, R.; Seppänen, O.: Location-Based Management for Construction - Planning, Scheduling and Control. S. 387.
[2] Vgl. Seppänen, O.: Das Location-Based Management System. In: Lean Construction - Das Managementhandbuch - Agile Methoden und Lean Management im Bauwesen. S. 182.
[3] Vgl. Kenley, R.; Seppänen, O.: Location-Based Management for Construction - Planning, Scheduling and Control. S. 392.
[4] Vgl. Shankar, A.; Varghese, K.: Evaluation of Location Based Management System in The Construction of Power Transmission and Distribution Projects. In: 30th International Symposium on Automation and Robotics in Construction and Mining S. 8.
[5] Vgl. Bhargav, D.; Seppänen, O.; Modrich, R.: Modeling Information Flows between Last Planner and Location-Based Management System. In: Proceedings of the 24th Annual Conference of the International Group for Lean Construction S. 71.


Hintergrund zur Serie

Lean Baumanagement umfasst mehrere Bereiche, in denen unterschiedliche Werkzeuge und Methoden angewendet werden, um die Vorteile aus der Lean-Philosophie für den Baubereich nutzen zu können. Die Erläuterungen in den weiterführenden Ausgaben teilen sich grob in die sechs Bereiche Lean Production, Lean Construction, Lean Design, Lean Administration, Lean-Logistik sowie Supply Chain Management und Lean-Kultur auf. Aufbauend auf die Übersichtstabelle für Lean Baumanagement der Ausgabe 04/22 werden die einzelnen Bereiche kurz beschrieben und Werkzeuge und Methoden erläutert, die die Verschwendung identifizieren, reduzieren oder sogar eliminieren können.

Tipp: Die vorigen Teile dieser Serie finden Sie hier:

Lean Baumanagement - Werkzeuge und Methoden

Probleme am Ursprung lösen

Effektivität steigern, Verschwendung minimieren

Verschwendung stoppen

Das Kano-Modell der Kund*innenzufriedenheit

Das Last-Planner-System


(Bilder: iStock)

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