Seit der Liberalisierung des Milchmarktes im April 2015 sind die Erzeugerpreise um ein Viertel eingebrochen. Nur noch 33 Cent pro Liter bekommen die Milchbauern derzeit ausbezahlt. Nachdem Bauernproteste in Brüssel die Stadt lahmgelegt hatten, sagten die EU-Landwirtschaftsminister 500 Millionen Euro Soforthilfe zu. An der strukturellen Krise des Agrarsektors ändert dies nichts: Es wird zu viel Milch produziert, der internationale Markt wird zunehmend von industrialisierten Großbetrieben dominiert. Report(+)PLUS hat ExpertInnen um eine Einschätzung gebeten.
1.Gibt es einen »fairen« Milchpreis?
Michael Eder, Institut für Argar- und Forstökonomie an der Universität für Bodenkultur Wien
Als »fair« könnte ein Milchpreis bezeichnet werden, bei dem unter den in Österreich vorherrschenden Produktionsbedingungen und einer von der Gesellschaft akzeptierten Betriebsgröße ein ausreichendes Einkommen erzielt werden kann. Der faire Milchpreis ist aufgrund der Produktionsvoraussetzungen (z.B. Standort, Betriebsgröße) für jeden Milchproduzenten unterschiedlich hoch. Bei einem Produzentenmilchpreis von 30 Cent je kg ist eine nachhaltige Milchproduktion in Österreich unter den genannten Bedingungen jedoch nicht möglich.
Josef Braunshofer, Generaldirektor der Berglandmilch
Der faire Bauernmilchpreis hängt natürlich stark von den Produktionsbedingungen des einzelnen Landwirts ab. Generell kann man sagen, dass die österreichischen Milchbauern im Vergleich zu beispielsweise Norddeutschland oder Holland unter erschwerten Produktionsbedingungen Milch erzeugen. Die Betriebsgrößen sind viel kleiner, die Wiesen oft nicht eben und daher viel schwieriger zu bewirtschaften und oft liegen unser Milchbauernhöfe auch auf anderen Seehöhen im Vergleich zu den europäischen Gunstlagen. Der faire Konsumentenmilchpreis sollte den Wert des Lebensmittels Milch auch entsprechend berücksichtigen. Unsere Milch stammt ausschließlich von bäuerlichen Familienbetrieben, die Kühe werden gentechnikfrei gefüttert. Die Milch hat kurze Transportwege bis zur Verarbeitung. Jeder Konsument sollte dann für sich selbst entscheiden, ob dafür ein Milchpreis im Regal von unter einem Euro nicht zu wenig ist. Preisvergleiche von Konsumentenschützern mit Milch aus Berlin greifen diesbezüglich daher zu kurz.
Irene Neumann-Hartberger, Niederösterreichische Landesbäuerin
Ein fairer Milchpreis ermöglicht den Milchbäuerinnen und Milchbauern, ihren Betrieb positiv zu führen und ihr Einkommen zum Unterhalt der Familie zu erwirtschaften. Unfair ist mit Sicherheit, dass unsere hochwertige Milch seitens des Lebensmittelhandels als Lockartikel verwendet wird und unserem mit viel Fleiß und Einsatz an 365 Tagen im Jahr erzeugten Produkt nicht die Wertschätzung entgegengebracht wird, die es verdient.
2.Wäre eine Wettbewerbsbehörde für landwirtschaftliche Produkte eine Lösung?
Michael Eder
Eine Wettbewerbsbehörde gibt es bereits, trotzdem haben wir in Österreich die höchste Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel weltweit. Der Erzeugerpreis ist von den Weltmarktpreisen für Milchprodukte abhängig. Es werden nur ca. 8 % der weltweiten Milchproduktion auf dem Weltmarkt gehandelt, diese geben aber auch den Preis auf den Heimmärkten vor. Eine geringe Ausweitung der Milchproduktion führt – bei stag-nierendem Inlandsverbrauch – somit zu einer überproportionalen Erhöhung des Angebotes auf dem Weltmarkt. Der Bio-Milchmarkt ist derzeit ein gutes Beispiel, wie es zu einem ansprechenden Milchpreis kommen kann: Die Nachfrage ist höher als das Angebot, der Markt ist relativ lokal und schnelle Ausweitung der Produktion ist aufgrund der Biorichtlinien nicht möglich.
Josef Braunshofer
Ich habe davon gelesen, kenne aber überhaupt keine Details oder Hintergründe und kann daher auch nichts dazu sagen.
Irene Neumann-Hartberger
Der Handel ist in Österreich so konzentriert wie nirgends in Europa. Der Handel missbraucht diese Macht gegenüber seinen Lieferanten. Der Umgang zwischen Handel und Lieferanten gehört neu definiert. Dazu wäre es sicherlich gut, wenn es jemanden gibt, der sich darum mehr kümmert. Die Bundeswettbewerbsbehörde steht da nicht auf der Seite der Bauern
3.Bleiben kleine bäuerliche Betriebe zunehmend auf der Strecke?
Michael Eder
Der Strukturwandel war in den vergangenen Jahren stark. So ist die Zahl der Milchviehbetriebe in Österreich seit 1995 von rund 78.000 auf derzeit 33.000 gesunken. Die Milchlieferleistung je Betrieb stieg im selben Zeitraum beinahe um das Dreifache. Durch den technischen Fortschritt, der auch von der Agrarpolitik zum Beispiel mit der Investitionsförderung unterstützt wird, war und ist diese Entwicklung möglich. Größere Betriebe können hierbei den Effekt der Fixkostendegression stärker nutzen, sind allerdings in Krisenzeiten anfälliger für Liquiditätsprobleme. Kleinere Milchviehbetriebe werden zudem oft auf der Erlösseite durch gestaffelte Milchpreise (je mehr Milch abgeliefert wird, desto höher ist der Milchpreis) benachteiligt.
Josef Braunshofer
Der aktuell erwirtschaftbare Bauermilchpreis stellt zweifelsohne für viele Bauern eine große wirtschaftliche Belastung dar. Daher bemüht sich Berglandmilch sehr, einen für unsere Milchbauern bestmöglichen Milchpreis zu erwirtschaften und auszuzahlen. Man darf nicht vergessen, dass die Milchbauernhöfe aus unserem Landschaftsbild nicht wegzudenken sind. Dies sollte man als Konsument auch bei jedem Einkauf im Supermarkt mitberücksichtigen. Nur heimische Milchprodukte können dies auch in Zukunft garantieren.
Irene Neumann-Hartberger
Natürlich leiden unsere Bauern unter diesen schlechten Preisen. Der Frust ist mittlerweile sehr groß, weil viele widrige Punkte heuer zusammentreffen, wie der niedrige Milchpreis, die große Dürre mit eklatanten Ertragseinbußen beim Grundfutter, die womöglich nicht im heurigen Jahr ausbezahlten Ausgleichszahlungen etc. Dazu kommt noch der erhöhte Aufwand aufgrund unserer Struktur und der Anforderungen im Hinblick auf Tierschutz und GVO-Freiheit, wobei ich nicht glaube, dass die Größe des Betriebes primär ausschlaggebend ist für jene, die auf der Strecke bleiben.