Verschleierte Fehler führen immer wieder zu Katastrophen – manchmal schnell und unerwartet, meist aber schleichend. Dahinter steckt oft die Angst vor Sanktionen und eine misslungene Fehlerkultur, die leider noch in vielen Unternehmen herrscht.
Über 100 Menschen starben im April 2005 bei einem Zugunglück in Japan, weitere 500 wurden verletzt. Der Zugführer versuchte, einen Fehler zu verschleiern, den er kurz zuvor gemacht hatte: In einer Station musste er nochmals zurücksetzen, da er den Haltepunkt überfahren hatte. Um die entstandenen 90 Sekunden Verspätung aufzuholen, fuhr er mit weit überhöhter Geschwindigkeit in eine Kurve – der Zug sprang aus den Schienen. Ein persönlicher Fehler des Zugführers? Tatsächlich steckte mehr dahinter: Beim Bahnunternehmen wurde mit drastischen Mitteln darauf geachtet, Verspätungen zu vermeiden. Betroffene Fahrer wurden strafweise 13 Tage »nachgeschult« (= Aufsätze schreiben), gedemütigt, versetzt, gekündigt.
Versuchen Unternehmen, perfekt zu erscheinen? Oder sind sie bestrebt, sich kontinuierlich zu verbessern, um Perfektion zu erlangen? Diese beiden unterschiedlichen Haltungen zeigen, welche Werte eine Organisation und ihre Führung vertritt.
Manche ManagerInnen wollen perfekt sein oder zumindest so aussehen. Das Nichteingestehen der eigenen, durchaus menschlichen Fehlerhaftigkeit führt oft zu einer unerfüllbaren Erwartungshaltung auch den MitarbeiterInnen gegenüber: Fehler dürfen nicht vorkommen und werden automatisch sanktioniert. Solche ManagerInnen tendieren dazu, sich mit Ja-SagerInnen zu umgeben – kritische Geister könnten ja ihr Selbstverständnis erschüttern. In einer solchen Umgebung werden Fehler gern unter den Teppich gekehrt, Hilfe von Kollegen kann kaum erbeten werden. MitarbeiterInnen scheuen Initiativen, um Abläufe und Prozesse aus eigenem Antrieb zu verbessern, denn es könnten Schwierigkeiten auftreten. Das Resultat ist absoluter Stillstand. Auf der anderen Seite gibt es ManagerInnen, die eigene Fehler offen ansprechen und sich selbst weder für perfekt halten noch alles wissen. Sie entwickeln eine Kultur, in der gegenseitiges Vertrauen herrscht und Fehler als Lernchance begriffen werden. MitarbeiterInnen und Teams orientieren sich meist an Haltungen und am Verhalten ihrer Führungskräfte. So wird vorgelebt, wie man »aus Fehlern klüger« wird. Nicht die Suche nach Schuldigen steht im Vordergrund, sondern die Lösung und Verbesserung. In dieser Kultur liefern KVP-Prozesse auch die gewünschten Erfolge. Mitarbeiter trauen sich, Neues auszuprobieren und das unternehmerische Umfeld mitzugestalten, sie zeigen mehr Engagement. Apropos Fehlervermeidung: Nicht alles, was im ersten Moment als Fehler angesehen wird, ist auch langfristig eine Niederlage. So entdeckte der spätere Nobelpreisträger Alexander Flemming das Penicillin, als er den Fehler machte, für einige Wochen Bakterien in einer Wachstumsschale zu vergessen. Also: Lasst uns Fehler öfter zugeben oder sogar feiern!
Die Autoren:
Susanne Schwanzer, Peter Fellner, und Herbert Strobl sind Gründer und Seniorpartner von CorporateCultureConsulting. Sie beraten Unternehmen dabei, strategische und operative
Ziele unter Beachtung oder durch Gestaltung einer bestehenden Unternehmenskultur überdurchschnittlich und nachhaltig zu erreichen.
www.corporatecultureconsulting.eu