Montag, Dezember 23, 2024

Durchschnittlich 1.000 Euro mehr im Geldbörsel verspricht die Regierung per 1. Jänner 2016. Zusätzlich sollen ein 200 Millionen Euro schweres Wirtschaftspaket und eine Tarifreform die Konjunktur beleben. Die Gegenfinanzierung der mit rund fünf Milliarden Euro veranschlagten Entlastung stützt sich auf Steuererhöhungen und Betrugsbekämpfung. Allein die Registrierkassenpflicht soll 900 Millionen Euro bringen. Ist die Steuerreform der erhoffte große Wurf? Report(+)PLUS hat ExpertInnen um eine Einschätzung gebeten.

1. Ist die Steuerreform Ihrer Meinung nach geglückt?

Berndt Querfeld, Betreiber des Café Landtmann und anderer Wiener Kaffeehäuser sowie Obmann der Fachgruppe Kaffeesieder in der Wirtschaftskammer Wien: Die Gastronomie ist von der Dienstleistungsstruktur von hohem Personaleinsatz und daher von hohen Lohnkosten geprägt. Tatsächlich ist aber der von den Mitarbeitern zum Leben benötigte Nettolohn brutto und 14-mal jährlich kostentechnisch oft schwer darstellbar. Daher ist jede Entlastung der Löhne für die Branche wünschenswert. Letztlich zahlt aber der Tourismus mit der 30-prozentigen Mehrwertsteuererhöhung auf Nächtigungen und weiteren Steuererhöhungen im Bereich Grunderwerbssteuer oder Verlängerte Abschreibung von Gebäuden aber einen großen Teil dieser Lohnentlastung. Und die kalte Progression beginnt ja quasi schon jetzt wieder vieles aufzufressen. Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass die Kassen leer sind.

Sabine Kirchmayr-Schliesselberger, Vorständin des Instituts für Finanzrecht der Universität Wien: Im Zentrum der Steuerreform steht eine allgemeine Tarifreform. Nicht nur der »steile« Einstiegssteuersatz von derzeit 36,5 % für Einkommen ab 11.000 Euro soll abgeflacht werden, auch für mittlere und höhere Einkommen soll es zu Entlastungen kommen. Neu ist: Für Einkommensanteile über einer Million Euro pro Jahr soll in Zukunft ein mit fünf Jahren befristeter Steuersatz von 55 % zu entrichten sein. Diese Tarifreform ist weitgehend zu begrüßen. Allein der 55-prozentige Steuersatz hinterlässt einen »schalen« Beigeschmack. Denn ein Einkommensteuertarifsatz über 50 % wirkt leistungshemmend und ist überdies ein standortpolitischer Nachteil. Die Gegenfinanzierung ist – sofern keine Abgabenerhöhungen betroffen sind – entweder offen (Stichwort Verwaltungsreform) oder sehr vage (Stichwort Steuerbetrugsbekämpfung). Hier bleibt noch abzuwarten, ob die geplanten Maßnahmen auch tatsächlich erreicht werden können.

Franz Schellhorn, Direktor der Denkfabrik Agenda Austria: Nein, weil es sich um keine Reform handelt, sondern um eine längst überfällige Tarifsenkung, die auch zu begrüßen ist. Die Steuerzahler haben Berechnungen der Agenda Austria zufolge seit 2009 allein aufgrund der »Kalten Progression« 11,5 Milliarden Euro zu viel an den Staat abgeliefert, einen Teil davon bekommen sie ab 2016 zurück. Unter dem Strich wird es aber nicht sehr viel sein, schließlich werden zwar die Lohnsteuern gesenkt, andere aber erhöht. Zudem werden die ohnehin sehr hohen Arbeitskosten weiter erhöht.

2. Was bringen die geplanten Maßnahmen gegen Steuersünder?

Berndt Querfeld: Angeblich für den Finanzminister mehr Einnahmen. Steuerehrlichkeit brauchen wir nicht zu diskutieren. Wenn alle, und ich spreche da auch den privaten Bereich an, ihre Steuern korrekt abliefern, gibt es zumindest Wettbewerbsgleichheit. Das muss allerdings für alle Wirtschaftsbereiche gelten. Vom Babysitter bis zum Nachhilfelehrer, vom Fliesenleger bis zum Wirt, vom Feuerwehrfest bis zur Vereinskantine.

Sabine Kirchmayr-Schliesselberger: Der größte Teil der Gegenfinanzierung (1,9 Mrd. Euro jährlich) soll aus der Bekämpfung von Steuer- und Sozialbetrug kommen. Neben der Registrierkassenpflicht soll als wohl schärfste Maßnahme das Bankgeheimnis signifikant gelockert werden. In Zusammenhang mit abgabenbehördlichen Prüfungen sollen sämtliche bestehenden Kontoverbindungen eines Abgabepflichtigen abgefragt werden können. In der bisherigen Diskussion wird sowohl das Ausmaß der zusätzlichen Einnahmen bezweifelt wie auch die Annahme, dass diese Beträge bereits im Jahr 2016 lukriert werden können. Denn eine effiziente Bekämpfungder Steuerhinterziehung setzt auch den Ausbau des finanzbehördlichen Personals voraus. Ob sich dies in einer derart kurzen Zeitspanne bewerkstelligen lässt, ist fraglich.

Franz Schellhorn: Die angestrebten 1,9 Milliarden Euro sind sehr ambitioniert, zumal die österreichische Finanzverwaltung zu den effizientesten in ganz Europa zählt. Ungeachtet dessen gehört Steuerbetrug bekämpft. Am besten gelingt das übrigens mit einer maßvollen Besteuerung. Also einer Steuerlast, die von den Bürgern als fair empfunden wird. Davon sind wir aber noch weit entfernt.

3. Welche zusätzlichen Impulse wären nötig, um die Wirtschaft anzukurbeln?

Berndt Querfeld: Unternehmertum muss sich lohnen. Wir brauchen endlich eine Kultur, die Entrepreneurship belohnt und nicht auf Neid für Erfolgreiche und Hohn für Gescheiterte zielt. Und wir brauchen Optimismus und Freude. Derzeit wird nur negative Stimmung verbreitet. Da macht es keinen besonderen Spaß, in die Zukunft zu investieren. Für den Tourismus erwarte ich mir ein klares Bekenntnis der Politik. Derzeit fühlt sich die Branche schlecht behandelt. Überbordende Bürokratie, Vorschriften, Verbote und nicht zuletzt der Pauschalvorwurf des Steuerbetruges sind die Stichworte. Stattdessen brauchen wir Entlastung, Tourismusförderung, Bürokratieabbau – und seitens der Behörden eine Kultur des Zusammenarbeitens auf Augenhöhe, nicht die Kultur des Strafens.

Sabine Kirchmayr-Schliesselberger: Die Wirtschaft kommt bei der Steuerreform relativ kurz: Einkommensteuerpflichtige Wirtschaftstreibende profitieren von der allgemeinen Tarifreform, auch eine Erhöhung der Forschungsprämie ist vorgesehen. Darüber hinaus kann man davon ausgehen, dass die allgemeine Steuerentlastung – gerade bei kleineren und mittleren Einkommen – in den Konsum fließen wird und damit auch der Wirtschaft zugutekommt. Steuerpolitisch wenig glücklich ist die vorgesehene Erhöhung der Umsatzsteuer auf Hotelzimmer. Dies trifft die in Österreich so wichtige Tourismuswirtschaft, die im internationalen Wettbewerb durch diese Maßnahme geschwächt wird. Sehr zu begrüßen wäre die in Aussicht gestellte stufenweise Absenkung der Lohnnebenkosten; hier sind die steuerpolitischen Pläne aber nicht sehr konkret.

Franz Schellhorn: Österreich braucht eine Aufbruchstimmung. Was wir hier erleben, ist das genaue Gegenteil davon. Alles wirtschaftliche Handeln wird in einem Wust an immer neuen Regulierungen erstickt. Zudem sehen die Bürger, dass die Einnahmen des Staates von einem Rekord zum nächsten eilen und trotzdem immer neue Schulden angehäuft werden. Damit wissen alle, dass die Steuersenkung von heute die Steuererhöhung von morgen ist. Weil der Staat seine Ausgaben nicht im Griff hat, weshalb uns der Staat zwangsläufig mehr Geld kostet. Investoren wissen, dass es Jahr für Jahr schwieriger wird, die hierzulande getätigten Investitionen zurückzuverdienen. Wichtig wäre es gewesen, die Steuersenkung von einer Reform auf der Ausgabenseite zu begleiten. Das hätte in Österreich für eine echte Aufbruchstimmung sorgen können. Die Tarifsenkung ist also vor allem eins: eine verpasste Chance.

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