In den virtuellen Finanzmarkt kommt Bewegung. Im Angebot stehen längst nicht nur günstige Spar- und Gehaltskonten - den Kunden will man auch Aktien, Crowdinvesting und mobile Bezahlsysteme schmackhaft machen.
Während herkömmliche Banken noch an digitalen Angeboten für ihre Kunden basteln, fährt der Zug bereits mit Vollgas weiter ins Online-Zeitalter. Konzerne wie Apple, Google oder Alibaba arbeiten mit Hochdruck am Ausbau ihrer mobilen Bezahldienste. Als Apple im Oktober in den USA mit Apple Pay startete, ließen sich bereits in den ersten drei Tagen mehr als eine Million Kunden registrieren. Sie müssen an der Kassa nur noch ihr iPhone an das Lesegerät halten und die Zahlung per Fingerabdruck bestätigen. Abgewickelt wird das Bezahlsystem – noch – über Kreditkarten. Experten gehen jedoch davon aus, dass die IT-Konzerne früher oder später selbst um eine Banklizenz ansuchen werden, um dann eigene Konten betreiben zu können. Google hat in Großbritannien schon eine Banklizenz, auch Facebook plant den Einstieg ins Finanzgeschäft. Die chinesische Internetplattform Alibaba zählt über ihren Bezahldienst Allpay 300 Millionen Kunden und plant mit Apple ein mobiles System.
Banking mit Freunden
Weniger konzertiert, aber ebenso wirkungsvoll ist der Angriff vieler kleinerer Finanzdienstleister, die ausschließlich aus dem Netz heraus agieren und sich oft auf ein einzelnes Element der Angebotspalette, also etwa Geldanlage, Finanzierung, Zahlungsverkehr oder Informationssuche, beschränken. Bei der 2009 gegründete Fidor Bank kann jeder der rund 250.000 Nutzer der Plattform, 60.000 davon haben ein Girokonto, anderen Mitgliedern der Community Bank- oder Anlageprodukte vorschlagen, Spartipps geben oder Geld leihen. »Die Fidor Bank möchte nie in den Verdacht kommen, den eigenen Kunden Produkte zu verkaufen, die diese womöglich gar nicht brauchen«, heißt es seitens der Bank. Und: »Die Beschäftigung mit Geld soll endlich wieder Spaß machen.« Tipps und Beratung werden von anderen Nutzern bewertet und schlagen sich über ein Bonussystem in höheren Sparzinsen oder Cash-Prämien nieder. Das Berliner Unternehmen Lendico, seit einem Jahr auch in Österreich aktiv, vermittelt über eine Plattform Kredite unter Privatleuten. Der Austausch funktioniert nach dem Peer-to-peer-Prinzip – die einen brauchen Geld, die anderen wollen es zu attraktiven Konditionen anlegen. Das Traumauto, die neue Wohnungseinrichtung oder die Tauchausrüstung werden dank der niedrigen Raten erschwinglich. Anleger sind ab 25 Euro dabei, Kreditnehmer können Projekte im Umfang von 1.000 bis maximal 25.000 Euro einreichen. Die Anfragen umfassen ein Gesamtvolumen von 650 Millionen Euro. 90 % halten jedoch der Bonitätsprüfung nicht stand und werden abgelehnt. Ganz unabhängig wächst auch Lendico nicht aus dem Boden: Das Unternehmen ist Teil des Rocket Internet-Imperiums, zu dem auch Zalando gehört. Von London aus operiert das Startup TransferWise, das Auslandsüberweisungen zu deutlich besseren Konditionen als herkömmliche Finanzinstitute erledigt. Die Gebühren betragen nur etwa ein Zehntel der üblichen Kosten. Der Geldfluss findet dabei nur auf dem Papier statt, verlässt aber nie das jeweilige Herkunftsland. TransferWise schließt passende Überweisungen entgegengesetzter Richtungen zusammen und beide Kunden erhalten den vereinbarten Betrag. Das Konzept überzeugte auch den britischen Milliardär Richard Branson, der mit einem 25-Millionen-Dollar-Investment in das Unternehmen einstieg.
Dynamischer Markt
Traditionelle Banken wirken neben diesen Start-ups fast wie Dinosaurier. Ohne teure Infrastruktur vor Ort können sie flexibler und kostengünstiger agieren, rechtlich unterliegen alle Anbieter mit Sitz in Österreich der Finanzmarktaufsicht. Trotzdem erreichen sie erst einen Bruchteil potenzieller Kunden – das Internet ist noch nicht bei allen angekommen. Gleichzeitig schickt sich die jüngste Generation bereits an, selbst das klassische Netbanking zu überspringen und ihre Geldgeschäfte nur noch via Handy und Apps abzuwickeln. Heute würden die meisten Kunden einer Bank mehr vertrauen als einer App. Aber besteht diese Loyalität auch dann noch, wenn ihr Service mit digitalen Anbietern nicht mehr Schritt hält? Ist die Sicherheitsfrage endgültig geklärt, bleibt von Banken langfristig nur noch der Markenname übrig. Nach Berechnungen des Marktforschungsinstituts Accenture könnte den Banken in den kommenden Jahren ein Drittel ihres derzeitigen Geschäfts wegbrechen. Sogar Direktbanken kommen ob dieser Dynamik ins Schwitzen. Mit ihren Online-Marken hatten sich die Platzhirschen im Bankensektor bisher einigerma ßen gegen Konkurrenz aus dem Ausland behauptet. Zuletzt drängten zwei niederländische Anbieter auf den österreichischen Markt, die ABN Amro Bank mit Sparkonten unter dem Label »MoneYou« sowie der Onlinebroker Degiro, der Wertpapierdepots zu äußerst günstigen Konditionen feilbietet. Die Transaktionskosten liegen im Schnitt um 80 % unter jenen der Mitbewerber. Auch wenn man Serviceleistungen wie den Abzug der Kursgewinnsteuer und den Verlustausgleich berücksichtigt, fallen die Spesen unterm Strich geringer aus. Beratung oder Haftung gibt es jedoch nicht. Wer in diesem Umfeld auf Abwarten setzt, hat schon verloren. Branchenexperten, die im Dezember im Rahmen des Mobey Forums auf Einladung von Erste Bank und BeeOne in Wien diskutierten, wollten keine Prognose über die Entwicklung der kommenden fünf Jahre wagen. »In Wahrheit ist es schockierend, wenn man nachrechnet, wie kurz es Facebook oder das iPhone und iPad erst gibt«, sagte Nektarios Liolios vom Startbootcamp FinTech. »Jeder versucht derzeit, das Rad neu zu erfinden. Warum nicht Technologien teilen und sich auf das konzentrieren, was die jeweiligen Banken am besten können?«