Gute Führungskräfte sind immer gefragt. Wie auch mittelständische Unternehmen im Wettbewerb um die besten Kandidaten punkten können, erklärt Mladen Kasagic, Managing Partner der Personalberatung The Xecutives.
Von Angela Heissenberger
(+) Plus: Welche Methoden und Tools wenden Sie bei der Personalauswahl an?
Mladen Kasagic: Für die Auswahl von Top-Führungskräften stellt nach wie vor das strukturierte Interview die beste Methode dar. In einigen Fällen ergänzen wir das Profil durch Persönlichkeitstests. Assessment Center sind bei der Rekrutierung für die erste und zweite Ebene meist nicht geeignet. Die Prozesse sind vertraulich – auf der Kundenseite, weil die Positionen ja meist noch besetzt sind, aber auch für jene Kandidaten, die sich noch in einem bestehenden Arbeitsverhältnis befinden. Ein Assessment Center birgt immer ein gewisses Risiko, dass Informationen nach außen dringen. Vertraulichkeit ist extrem wichtig. Oft kontaktieren wir Kandidaten, die eigentlich keinen Job suchen. Wir schildern ihnen Möglichkeiten und Herausforderungen, die für sie interessant sein könnten, und versuchen gleichzeitig herauszufinden, ob sie für diese Position geeignet wären. Wir machen dafür eine tiefgehende systematische Marktrecherche und tasten uns so an die richtigen Personen heran. Natürlich haben wir auch eine Datenbank, aber besonders wichtig ist das persönliche Netzwerk unserer Berater. Bei Nachwuchsführungskräften liegt weniger Erfahrung vor, da geht es mehr um die Beurteilung von Potenzialen. Wir sehen uns auch immer gezielt Leute der zweiten Ebene an. Meist gibt es einen Grund, warum jemand nicht befördert wird.
(+) Plus: Haben sich die Anforderungen an Führungskräfte wirklich grundlegend geändert?
Kasagic: Es gibt Grundkompetenzen, die sich nicht ändern: Führungsfähigkeit, Teamfähigkeit, Leistungsbereitschaft. Was sich geändert hat, ist die Geschwindigkeit, mit der man auf unvorhersehbare Ereignisse reagieren muss. Man muss sehr schnell die jeweiligen Entwicklungen der Branche antizipieren können. Auch die Komplexität ist größer. In jeder Sparte tauchen Mitbewerber auf, die bis gestern keine waren. Für ein Logistikunternehmen ist morgen wahrscheinlich Amazon einer der wichtigsten Mitbewerber; Google hat sich eine Mobilfunklizenz geholt und will künftig mit Geräten und Services am Mobilfunkmarkt mitmischen. Das sind neue Herausforderungen, die heute in jeder Branche entstehen und auf die ich als Führungskraft reagieren muss. Dazu kommt die Globalisierung: Die meisten Unternehmen arbeiten inzwischen in virtuellen Teams über Grenzen, Zeitzonen und Kulturen hinweg.
(+) Plus: Wird durch den Hype um »High Potentials« auf die Förderung eigener Mitarbeiter vergessen?
Kasagic: Wir empfehlen unseren Kunden immer, auch Kandidaten aus dem eigenen Unternehmen einzubeziehen. Es kann nicht sein, dass es dort keine geeigneten Talente gibt. Man muss sie nur identifizieren und einen entsprechenden Nachwuchsplan entwickeln. Am besten ist eine Mischung aus Mitarbeitern, die die Kultur des Unternehmens bereits kennen, und Menschen, die neu dazukommen und mit anderer Sichtweise frischen Wind ins Unternehmen bringen. Daraus entsteht die kreativste Kombination.
(+) Plus: Welche Assets können mittelständische Unternehmen im Wettbewerb um die besten Talente bieten?
Kasagic: Mittelständische Unternehmen sind normalerweise eigentümergeführt und verfolgen eine langfristige, nicht auf Quartalsabweichungen forcierte Politik. Sie können daher auch verbindlichere Commitments abgeben. Das ist ein riesiger Vorteil für Nachwuchskräfte. In Konzernen, die von Analysten und Börsenkursen abhängig sind, werden Nachwuchsprogramme plötzlich eingestellt oder fünf Prozent der Mitarbeiter entlassen, wenn die Ergebnisse nicht stimmen. Das passiert in kleineren Unternehmen selten, sie können schlechte Zeiten besser durchtauchen. Der Nachteil: Sie haben meist keine globale Präsenz und bieten nicht die Möglichkeit, morgen in Taiwan und übermorgen in Südafrika zu arbeiten. Aber das ist ja auch nicht unbedingt das Lebensziel aller Menschen.
(+) Plus: Die Arbeitslosigkeit steigt, trotzdem klagen viele Unternehmen, keine geeigneten Leute zu finden. Sind die Erwartungen zu hoch geschraubt?
Kasagic: Ich glaube nicht. Natürlich hat sich viel geändert. Früher war es durchaus üblich, 15 Stunden täglich und am Wochenende zu arbeiten. Meine jungen Mitarbeiter kommen um 9 Uhr, gehen um 12.30 Uhr Mittag essen, um 17 Uhr fahren sie nach Hause. Aber arbeiten sie deswegen weniger effizient? Sie sind über ihre Gadgets für mich erreichbar und erfüllen ihre Aufgaben irgendwo da draußen. Ich muss damit umgehen lernen und ein Modell finden, wie ich sie integriere – ändern kann ich es nicht. Das ist eine andere Generation. Ich kann sie nicht zwingen, 15 Stunden am Tag zu arbeiten. Das werden sie nicht tun.
(+) Plus: Liegt es auch an Defiziten in der Qualifikation?
Kasagic: Auf der fachlichen Seite sehen wir keine großen Mängel. Wie praxisnah die Ausbildung ist, ist allerdings von Land zu Land unterschiedlich. Kaum ein Uniabsolvent bringt Fähigkeiten mit, die er in der Praxis gleich umsetzen kann. Die meisten Unternehmen haben deshalb Programme für Nachwuchsführungskräfte, die zwei, drei Jahre dauern und jene Fähigkeiten vermitteln, die den Betrieben wichtig sind. Bei Soft Skills ist das etwas schwieriger. Ich kann Stärken weiterentwickeln und versuchen, an den Schwächen zu arbeiten. Aber ich kann gewisse persönliche Merkmale nicht ändern. Natürlich kann man Führungstechniken lernen, eine Grunddisposition muss aber vorhanden sein.
(+) Plus: Wie sind die Perspektiven in Osteuropa?
Kasagic: Nach wie vor sehr gut. Wir sind im deutschsprachigen Raum, aber auch in CEE stark vertreten und vermitteln Führungskräfte sozusagen in beide Richtungen. Industrieunternehmen in Osteuropa stehen heute vor riesigen Herausforderungen in der Effizienzsteigerung. Die Betriebe müssen profitabler werden. Wer dieses Know-how besitzt, kann es auch in anderen Ländern anwenden. Vor allem in Südosteuropa und Russland ist noch sehr viel Potenzial vorhanden. Obwohl die politische Stimmung nicht gerade positiv war, hatten wir im letzten Jahr keine Probleme, Kandidaten zu überzeugen, dorthin zu gehen. Wirtschaftstreibende wissen sehr wohl zwischen Politik und wirtschaftlichen Tatsachen zu unterscheiden.
(+) Plus: Wie können Bewerber ihre Chancen erhöhen?
Kasagic: Der CEO eines großen deutschen Unternehmens in Russland erzählte mir kürzlich, er bekomme nun deutlich weniger Anrufe von Headhuntern. Das wundert mich nicht: Niemand wird in Moskau suchen, wenn es um ein Projekt in Deutschland geht. Man muss präsent sein. Es spricht nichts dagegen, wenn mehrere renommierte Headhunter seinen Background kennen – auch wenn er momentan gar nicht auf Jobsuche ist. Es reicht nicht, den Lebenslauf auf LinkedIn zu stellen. Genauso wie man wissen muss, was bei den Mitbewerbern und in der Branche los ist, muss man auch über den Jobmarkt informiert sein und sich persönlich als Marke professionell präsentieren. Dann ist man besser auf den Moment vorbereitet, wenn man wechseln will oder muss.
(+) Plus: Achten Firmen zu stark auf fachliche Qualifikationen statt darauf, ob die Bewerber von ihrer Persönlichkeit her ins Unternehmen passen?
Kasagic: Ich habe darauf keine eindeutige Antwort. Wir haben schon Fälle gesehen, wo die fachliche Qualifikation gefehlt hat. Das wurde durch eine sehr kommunikative und einnehmende Persönlichkeit kompensiert. Aber ist das gut? Diese Leute haben sich im Job später nicht bewährt. Ab einer gewissen Stufe wird das Führen von Menschen die eigentliche Qualifikation. Dann ist es egal, ob ich ein perfekter Buchhalter oder Vertriebsexperte bin. Andererseits sehe ich den Persönlichkeitsaspekt weniger kritisch. Es gibt in Unternehmen ganz unterschiedliche Kulturen, also können ganz unterschiedliche Persönlichkeiten eine Verbindung knüpfen. Wenn ich von einer Branche in eine andere wechsle, kann ich niemals so viel darüber wissen wie meine Mitarbeiter. Ich muss durch strategische Perspektiven, meinen Führungsstil, richtige Entscheidungen oder Freiheiten, die ich den Mitarbeitern gebe, überzeugen.
(+) Plus: Warum ist das Onboarding so wichtig?
Kasagic: Stellen Sie sich vor, Sie kommen in ein Unternehmen, in dem Sie keinen kennen und mit niemandem Probleme offen besprechen können. Es ist noch kein Vertrauen da. Je besser ein Onboarding-Programm aufgestellt ist, desto schneller und effizienter kann die neue Führungskraft aktiv tätig werden und das Risiko einer Fehlentscheidung wird minimiert. Natürlich kann man auch sagen: Hier ist dein Tisch, du hast 25 Jahre Erfahrung, also mach. Aber das würde ich nicht empfehlen. Sicher gibt es viele, die ohne jegliche Unterstützung überleben, aber die Reibungsverluste werden oft nicht mitgerechnet.