In Zeiten permanenten Wandels ist die Fähigkeit, Schwierigkeiten zu meistern und gestärkt aus ihnen herauszugehen, ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Was macht resiliente Unternehmen aus? Und wie können Management und Mitarbeiter widerstandsfähiger werden, um Krisen besser zu überstehen?
Von Angela Heissenberger
Die Tier- und Pflanzenwelt hat über Millionen von Jahren Strategien entwickelt, um ihr Ökosystem anzupassen und weiterzuentwickeln. Der aus der Biologie bekannte Begriff Resilienz wird inzwischen auch auf Unternehmen und Organisationen umgelegt und bezeichnet dort die Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen, Stresssituationen und veränderte Rahmenbedingungen. Solche Turbulenzen nicht nur unbeschadet zu überstehen, sondern gar gestärkt aus ihnen herauszugehen, zeichnet resiliente Organisationen aus. Möglich ist das nur, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter persönlich gefestigt und resistent sind, gleichzeitig aber die Strukturen Gestaltungsmöglichkeiten und Reflexion zulassen. Widerstandsfähigkeit ist kein statischer Zustand, sondern ein dynamischer Prozess, der von Wechselwirkungen geprägt ist. Resiliente Systeme sind deshalb flexibel – wie ein Schwamm, der Flüssigkeit aufsaugt, sich zusammendrücken und beliebig verformen lässt, danach aber wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückspringt.
Positiv denken
Die wesentlichen Eigenschaften für psychische Widerstandsfähigkeit sind nach Meinung der US-Wissenschafter Karen Reivich und Andrew Shatté Optimismus, Akzeptanz, Lösungs- und Zukunftsorientierung sowie die Fähigkeit, nicht in die Opferrolle zu verfallen. Personen, bei denen diese Faktoren stark ausgeprägt sind, können Schicksalsschläge und belastende Situationen nicht so leicht aus der Bahn werfen. Schon das Bewusstsein über die eigene »Biegsamkeit« lässt diese Menschen selbstsicherer an Probleme herangehen. Sie fühlen sich Krisen oder Veränderungen nicht ohnmächtig ausgeliefert. Resilienz wird deshalb häufig unter dem Gesundheitsaspekt konnotiert. Das hat durchaus seine Berechtigung: Individuelle Widerstandsfähigkeit spielt in der Burnout-Prävention eine wichtige Rolle. Viele der identifizierten Faktoren finden sich auch in Modellen zu Führungskompetenz und Arbeitsumfeld wieder. »Der Mensch hält viel aus. Der Mensch hält auch sehr lange viel aus. Wenn er jedoch wenig verstehbare, kaum handhabbare und selten sinnvolle Tätigkeiten verrichten muss, sich nicht mehr mit der eigenen Arbeit identifizieren kann, wird es schwierig«, sagt Lisa Tomaschek-Habrina, Leiterin der Origo-Gesundheitszentren. Zumeist hapert es an der Kommunikation: »MitarbeiterInnen werden in Entscheidungen oft nicht einbezogen. Es ist schon klar, dass nicht alles basisdemokratisch ausdiskutiert werden kann, aber man sollte die Ergebnisse nachvollziehbar vermitteln. Auch Strategien müssen gelebt werden. Da reicht es nicht, ein Infomail an alle zu schicken.« Gemeinsam mit drei weiteren Experten hat die Psychotherapeutin das multimediale e-Training-Programm »Resilienz4Business« entwickelt, das die Bereiche Ich-Stärke, Leadership, Zeitmanagement und Fitness fokussiert. »Resilienz ist kein Talent, das man in die Wiege gelegt bekommt. Das kann man trainieren«, erklärt Tomaschek.
Krise verleiht Flügel
Resiliente Personen haben grundsätzlich eine positive Herangehensweise und eine gewisse Stressresistenz. Dennoch ist Resilienztraining weit mehr als eine Konzentrationsübung zu den individuellen Stärken und persönlichem Optimismus. Im Krisenfall gilt es zunächst kühlen Kopf zu bewahren. Stress blockiert oftmals die rationale Entscheidungsfindung, erklärt Franz Kokoth, der im WIFI Steiermark Seminare zum Thema Resilienz hält: »Resiliente Menschen gehen in solchen Situationen einen Schritt zurück und schauen sich das Problem aus einiger Entfernung an. Dieser Perspektivenwechsel gibt der Krise klare Konturen und das notwendige Aufgabenspektrum.« Bei Unternehmen kommt noch der Aspekt der Innovationsfähigkeit dazu. Während die einen an der Wirtschaftskrise zerbrechen oder an sich ständig ändernden Rahmenbedingungen verzweifeln, scheinen diese unerwarteten Ereignisse andere geradezu zu beflügeln. Mit schierer Lust und Begeisterung werden neue Produkte ent- und verworfen, alternative Standbeine gesucht, unterschiedliche Szenarien durchgespielt. Dahinter steckt die Überlegung, für möglichst viele Eventualiäten vorbereitet zu sein. Wer die Risiken kennt, kann sie umschiffen. Tritt dennoch eine unvorhergesehene Turbulenz ein, eignen sich flexible Strukturen und die erprobten Vorgangsweisen allemal für erste Stabilisierungsmaßnahmen. Die Verletzlichkeit der Organisation wird reduziert, die möglichst rasche Rückkehr zum Tagesgeschäft hat oberste Priorität. Nach der Bewältigung der akuten Situation ist eine Phase der Evaluierung unumgänglich, deren Ergebnisse wiederum in die Strukturen und Prozesse einfließen müssen – denn die nächste Turbulenz kommt bestimmt.