Montag, Dezember 23, 2024

Im Interview mit Report(+)PLUS sprechen Quality-Austria-Geschäftsführer Konrad Scheiber und Prokurist Axel Dick über die Rolle der Qualität im Kampf gegen die Krise, das Qualitätsbewusstsein heimischer Unternehmer und die zahlreichen Probleme, die das neue Energieeffizienzgesetz mit sich bringt.

(+) Plus: Die Krise hat Europa und damit auch Österreich fest im Griff. Welche Rolle kann das Thema Qualität im Kampf gegen die Krise spielen?

Konrad Scheiber: Qualität ist ein ganz zentrales Instrument, um den steigenden Kostendruck im Griff zu halten. Denn jeder Qualitätsmangel kostet Geld. Und dieses Geld steht in der aktuellen wirtschaftlichen Situation einfach nicht zur Verfügung. Aber leider stehen Mängel immer noch an der Tagesordnung, das zeigen etwa zahlreiche Rückholaktionen von Unternehmen. Auch in der Beschaffung sind Qualitätsmängel weit verbreitet. Deshalb mache ich mir auch Sorgen um viele kleine und mittlere Unternehmen, denen das entsprechende Bewusstsein leider immer noch fehlt. Denn nur mit guter Qualität kann man die Existenz von Unternehmen und Organisationen langfristig sicherstellen.

(+) Plus: Bekannte Rückholaktionen betreffen aber auch sehr große Unternehmen. Wie kann es etwa sein, dass bei einem Unternehmen wie General Motors defekte Zündschlösser, die nur wenige Cent kosten, so horrende Folgekosten verursachen?

Scheiber: Das ist eine Sache der Supply Chain. Da gibt es Lücken in der Kommunikation und mangelhafte Spezifikationsvorgaben. Es gibt noch viel zu tun, speziell was die Zuordnung zu Prüftechnologien und die Qualitätssicherung betrifft. Da wird viel an die Lieferanten delegiert, die werden geknechtet und geknebelt. Dabei wären gerade große Unternehmen gut beraten, das, was sie von ihren Lieferanten fordern, auch selbst umzusetzen. Da gibt es einen riesigen Gap.

Axel Dick: Je später ein Fehler erkannt wird, desto teurer wird es, den Fehler zu beheben.

(+) Plus: Ist es immer noch so, dass der Preis eine derart große Rolle spielt, dass man potenzielle Fehler für die kurzfristige Ersparnis in Kauf nimmt?

Scheiber: Natürlich spielt der Preis eine große Rolle. Aber ich denke, das war schon schlimmer. Heute geht die Priorität vor allem in der Automobilindustrie schon in Richtung Qualität. Das sieht man auch in den Ausschreibeverfahren. Natürlich sitzen bei den Letztverhandlungen Kaufleute am Tisch, aber ohne ein gewisses Qualitätsniveau kommt man gar nicht so weit. Da gab es in den letzten Jahren deutliche Verbesserungen, nicht so in weiten Teilen der öffentlichen Beschaffung.

(+) Plus: Wie würden Sie das Qualitätsbewusstsein österreichischer Unternehmen einschätzen?

Scheiber: Es gibt gewisse kritische Branchen wie das Gesundheitswesen, Luft- und Raumfahrt, Chemie oder Automobilindus­ trie, die hochprofessionell agieren und weltweit führend sind. Da gibt es zahlreiche Standards, Zulassungs- und Akkreditierungsmodelle. Ein Pilot ohne Checkliste wird nicht fliegen, er wird am Boden bleiben. Viel Luft nach oben gibt es in der gesamten Baubranche, dem Baunebengewerbe und der Infrastruktur.

Dick: Ein Bereich, in dem sich derzeit viel bewegt, ist der gesamte Dienstleistungssektor. Da sehen viele Unternehmen die Möglichkeit, sich als Pioniere zu positionieren und mit einem klaren Bekenntnis zur Qualität und zur Zertifizierung Wettbewerbsvorteile zu generieren.

(+) Plus: Am 1.1.2015 ist das Energieeffizienzgesetz in Kraft getreten. Welche Verpflichtungen für Unternehmen bringt das neue Gesetz mit sich?

Dick: Man muss zwischen drei Arten von Unternehmen unterscheiden. Zum einen die Energieversorger, für die das Gesetz a priori geschrieben wurde. Die müssen sich Geschäftsmodelle überlegen, wie sie ihre Kunden zu mehr Energiebewusstsein bringen ohne ihre eigene Wertschöpfung in Frage zu stellen.

(+) Plus: Damit ist quasi der Bar­keeper verantwortlich, dass weniger Alkohol getrunken wird.

Dick: Dieser Vergleich ist in gewisser Weise zulässig aber natürlich eine Zuspitzung. Prinzipiell ist die Idee der Energieeffizienz gut. Sie reduziert die Importabhängigkeit von fossilen Energieträgern, die Abhängigkeit von Atomstrom, senkt die CO2-Emissionen und führt zu einer Reduktion der Energiekosten. Aber natürlich kann man darüber diskutieren, ob ein ordnungsrechtlicher Rahmen sinnvoll oder notwendig ist, um diese an sich sinnvollen Ziele zu erreichen. Eine ökologische Steuerreform wurde oft andiskutiert, aber nie wirklich realisiert. Das Ziel des Energieeffizienzgesetzes ist, den Gesamtenergieverbrauch Österreichs zu reduzieren. Einen Beitrag leisten die Energieversorger, den anderen Beitrag müssen Unternehmen leisten. Bei den Unternehmen muss man unterscheiden zwischen Großunternehmen und KMU. Und schon die Definition, was ein großes Unternehmen ist, sorgte für Verwirrung und Verunsicherung.

(+) Plus: Die Definition der Unternehmensgröße ist aber nicht das einzige Problem.

Dick: Das ist richtig. Die zweite Crux im Gesetz war, dass große Unternehmen zumindest alle vier Jahre ein externes Energieaudit machen oder ein zertifiziertes Managementsystem inklusive eines internen oder externen Energieaudits vorweisen müssen. Dabei handelt es sich um zwei unterschiedliche Dienstleistungen. Von den Unternehmen wurde dies aber nicht immer erkannt. Das sorgte für zusätzliche Verwirrung.

(+) Plus: Ist der Unmut der Unternehmen aus Ihrer Sicht nachvollziehbar?

Dick: Natürlich hätte man das Gesetz viel klarer und einfacher formulieren können. Aber durch massive Interventionen von Interessensvertretungen wurde das Gesetz immer komplizierter und komplexer. Aus vier Zeilen im Gesetz wurde ein 66 Seiten starker Leitfaden, wie die Anforderungen an die Energieauditoren allgemein und die internen Auditoren im Speziellen aussehen. Externe Auditoren müssen sich bei einer Monitoringstelle registrieren lassen. Wenn Auditoren Angebote legen, ohne registriert zu sein, riskieren sie eine Verwaltungsstrafe von bis zu 50.000 Euro. Das Problem ist, dass es diese Monitoringstelle noch gar nicht gibt. Damit fehlt ein Herzstück des gesamten Gesetzes. Und nun glauben einige Unternehmen , die erste Meldepflicht sei gegenstandslos. Diese Meinung ist falsch. Nun muss dem BMWFW bis 31.1 gemeldet werden, ob man ein zertifiziertes Energie- oder Umweltmanagement anstrebt.

(+) Plus: Welchen Weg werden die großen Unternehmen aus Ihrer Sicht beschreiten: externes Energieaudit oder zertifiziertes Managementsystem?

Dick: Aus unseren Gesprächen mit den Unternehmen lässt sich ablesen, dass verstärkt der Weg der Systemzertifizierung gegangen wird.

(+) Plus: Wie können Unternehmen von dem neuen Gesetz profitieren?

Dick: Am Ende des Tages sollen reduzierte Energiekosten für die Unternehmen stehen. Und zusätzlich können Unternehmen ihre Energieeffizienzpakete, wenn sie sauber dargestellt sind, den Energieversorgern verkaufen. Dafür wird es analog zum Emissionshandel sicher einen Markt geben. Wie der genau aussehen wird, dafür braucht es noch etwas Fantasie. Es gibt etwa schon Gemeinden, die überlegen, ihren Einwohnern LED-Lampen zu schenken, und die Gemeinde verkauft die Einsparungen als Effizienzmaßnahme an den Energieversorger. Noch wird das Gesetz als Bürokratiemonster gesehen und es hat auch Anstriche davon. Aber wenn Unternehmen nicht nur die Dokumentationspflicht erfüllen, sondern die daraus resultierenden Einflussfaktoren nutzen, können sie die Energiekos­ten nachhaltig senken. Und man kann sich glaubhaft als »grünes« Unternehmen positionieren.

(+) Plus: Gibt es aus Ihrer Sicht in Österreich Branchen, die in Sachen Energieeffizienz bereits jetzt das Optimum erreichen?

Dick: Branchen wie die Zement- oder Papierindustrie sind sicher sehr nahe dran. Aus dem einfachen Grund, weil die Energiekos­ten einen ganz enormen Kostenblock darstellen.

(+) Plus: Wie bewerten Sie abschließend das Energieeffizienzgesetz?

Dick: Ich möchte in diesem Zusammenhang ÖBB-Chef Christian Kern zitieren, der gemeint hat, man müsse das Gesetz als Chance sehen. Das Gesetz kann einen maßgeblichen Impuls für neue Geschäftsmodelle und Produktinnovationen liefern, die den Standort langfristig absichern. Verlierer werden diejenigen sein, die sich nur ärgern und die Herausforderungen nicht annehmen, über die eigenen Prozesse und Produkte nachzudenken.

(+) Plus: Mit welchen Erwartungen gehen Sie in das Jahr 2015?

Scheiber: Was das Wachstum anbelangt, werden auch wir keine Wunder wirken können. Wir sind weiter bemüht, uns als die Kompetenzstelle für Personen- und Systemzertifizierungen zu etablieren. Und wir werden uns weiter neuen und innovativen Themen stellen, trotz heftigster Widerstände diverser Lobbyisten, die Zertifizierungen aus welchen Gründen auch immer verteufeln. Wir werden die anstehenden Revisionen der ISO 9000 und ISO 14001 aktiv mitgestalten und uns Zukunftsthemen wie Carbon Footprint widmen. 

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