Montag, Dezember 23, 2024

Interessante Neuzugänge brachten 2014 durchaus Schwung in die internationalen Finanzmärkte. Nur in Wien ging's bergab. Der Russland-Ukraine-Konflikt warf seinen Schatten auf Europa, die Zinsen sanken auf Rekordtief, die Schuldenkrise in der Eurozone ist prolongiert. Müssen wir also noch ein weiteres Jahr durchtauchen? Report(+)PLUS hat renommierte Experten um ihre Einschätzung und ihren persönlichen Anlegertipp gebeten.

Von Angela Heissenberger

Das Börsenjahr 2014 war für viele Anleger letztlich ein gutes Jahr – ausgenommen an der Wiener Börse. Weltweit ist das Wachstum moderat, Turbulenzen und Korrekturen blieben keinem Aktienmarkt erspart, dennoch ließ sich mit Risikoaffinität einiges verdienen. Nur Wien hinkt anderen Finanzplätzen weiter hinterher. Geopolitische Risiken hinterließen am ATX tiefere Spuren als an anderen Indizes, obgleich nur wenige Unternehmen unmittelbar betroffen waren. Wenigstens das Handelsvolumen stieg im Vorjahr wieder deutlich an. Die optimistischen Erwartungen für 2014 wurden enttäuscht, für 2015 lassen die Konjunkturprognosen nun gleich vorweg wenig Gutes erwarten. Während die Weltwirtschaft mit knapp vier Prozent sogar stärker als der langjährige Durchschnitt wachsen wird, muss sich die Eurozone mit nur einem Prozent bescheiden. Auch die Schwellenländer straucheln, allen voran Brasilien und China. Allein die USA erholen sich zusehends, begleitet vom starken Dollar und dem niedrigen Ölpreis. Vor diesem Hintergrund wird rentable Vermögensanlage zur Herausforderung, mit Streuung und Mut zum Risiko aber nicht unmöglich. Nicht zuletzt die Underperformance einiger österreichischer Unternehmen mit globaler Ausrichtung ergibt attraktives Potenzial nach oben.

1. Wie sollten Anleger angesichts des anhaltend schwachen Wachstums der Eurozone agieren?

2. Welche Rolle spielen Krisenherde wie Russland-Ukraine?

3. Wie wird sich der starke Dollar auf die internationalen Märkte auswirken?

Plus: Mein persönlicher Anlagetipp


1. Wie sollten Anleger angesichts des anhaltend schwachen Wachstums der Eurozone agieren?

Friedrich Mostböck Head of Group Research, Erste Group Bank AG: Konjunkturelles Wachstum wird in der Eurozone schwach bleiben, weshalb wir auch längerfristig niedrigste Leitzinsen sei­ tens der EZB mindestens bis zum 2. Quartal 2017 er­ warten. In diesem Umfeld sind Veranlagungsalternativen über­ schaubar. Solange aber Gewinntrends und Bewertungen passen, sind wir vor allem zu Aktien positiv eingestellt. Hier sollten in ers­ter Linie defensivere Bereiche wie Basiskonsum und Gesundheit sowie ausgewählte Technologiewerte interessant sein. Darüber hinaus finden wir überwiegend Unternehmensanleihen aus dem Investment-Grade-Bereich interessant.

Monika Rosen Chefanalystin, Bank Austria Private Banking: Das relativ verhaltene Wachstum in Europa hat sich im Vorjahr auch in der Börsenentwick­lung niedergeschlagen, die europäischen Indizes blieben deutlich hinter anderen Börsenplätzen zurück, notabene der Wall Street. Da die aktu­elle Stagnation noch nicht wirklich überwunden ist bzw. die Erholung unvorhersehbar verläuft, bleiben wir vorläufig bei unserer Positionierung, nämlich europäische Aktien in einem breit ge­streuten Portfolio unterzugewichten.

Peter Brezinschek Head of Raiffeisen Research, Raiffeisen Bank International: Die sehr expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) steht in krassem Gegensatz zu jener der USA, wo die Fed über Zinserhöhungen bis spätestens Jahres­ mitte 2015 nachdenkt. Grund ist die amerikanische Konjunktur, die für 2015 eine überdurchschnittliche Entwicklung mit einem Wirtschaftswachstum von 3 % erwar­ten lässt. Europäische Anleihen werden daher weiter tiefe Renditen aufweisen, die auch deutlich unter den Dividendenrenditen vieler Aktien liegen werden.

Erika Karitnig Head of Equities & Multi Assets, Chief Investment Officer der Bawag P.S.K. Invest GmbH: Das Wachstum in der Eurozone ist schwach, sollte sich aber im Laufe des Jahres 2015 erholen. Einerseits wird die Europäische Zentralbank mas­sive Unterstützung mittels anhaltend niedrigen Zinsen und Staatsan­ leihekäufen bieten. Andererseits wirken der niedrige Ölpreis und der schwächere Euro wie eine Konjunkturspritze. Dennoch lohnt sich der Blick über den Tellerrand. Anleger sollten in globale Aktienportfolios in­ vestieren. So partizipieren sie am stärkeren Wachstum außerhalb der Eurozone und haben zusätzlich die Chance auf Währungsgewinne.

Ernst Krehan Geschäftsführer, Bankhaus Schelhammer & Schattera: Im Sog der sich gut entwickelnden US-Wirtschaft erwarten wir eine leichte Aufhellung des Wachstumsbilds in Europa, getrie­ben durch die folgenden Faktoren: monetäre, weiter expan­sive Haltung der EZB, Fortschritte bei wachstumsfördernden Strukturmaßnahmen in Ländern der Eurozone mit geringerem Wachstum, niedrige Ölpreise und die handelsgewichtete Ab­wertung des Euros. Begründet durch das Wirtschaftswachs­tum in USA und Europa erwarten wir eine positive Aktienent­wicklung in 2015. Aufgrund des Niedrigzinsniveaus, bei dem auch leichte Zinsanstiege schon stark negativ auf die Entwick­lung der Anleihen wirken, raten wir zu einer stärkeren Diversi­fikation innerhalb des Anleihenspektrums. Gesamt betrachtet gestehen wir Aktien – auch wenn diese 2015 eine höhere Vola­tilität aufweisen sollten – ein höheres Performancepotenzial als Anleihen zu. Anleger sollten in ein diversifiziertes Portfolio von Anleihen höchster und hoher Bonität von US- und europäischen Emittenten sowie Aktien von großen, international tätigen Un­ternehmen mit geringer Verschuldung und hoher Dividenden­ rendite investieren.


2. Welche Rolle spielen Krisenherde wie Russland-Ukraine?

Friedrich Mostböck: Leider eine große. Wir glauben, dass uns der Russland-Ukraine-Konflikt aller Voraussicht nach noch länger beschäftigen wird. Russland hat zum einen klare stra­tegische geopolitische Interessen, die aktuelle Situati­on erlaubt Russland, einen Fuß in der Tür zur Ukraine zu behalten (was bewusst in Kauf genommen wird). Ande­rerseits sind wirtschaftspolitische Konsequenzen die Folge, welche sich aus entgangenen Gewinnen infolge des niedrigen Ölpreises und den Sanktionen ergeben. Je niedriger der Ölpreis, umso größer auch das Risiko für russische Banken. Bei Unternehmens- wie Konsum­krediten kann – vor allem auch durch stark gestiegene Leitzinsen – der Anteil der faulen Kredite steigen. Ra­tingagenturen tun mit weiteren Abstufungen ihr Üb­riges, was die Verfassung des russischen Marktes wei­ter belasten wird. Dies kann auch phasenweise inter­nationale Finanzmärkte irritieren.

Monika Rosen: Geopolitische Krisen haben im Vorjahr ein unrühmliches »Comeback«gefeiert, wir sehen diesen Trend auch 2015 anhalten (die jüngsten Ereignisse in Paris sind dafür ein trauriges Beispiel). Sie be­feuern zwar immer wieder eine Flucht in die Qualität, wie z.B. Staats­anleihen. Aber sie sind nicht so ausgeprägt, dass wir uns von progres­siveren Assetklassen, wie Aktien, abwenden. Prinzipiell sind die Anle­ger immer noch mit einer gesunden Portion Optimismus ausgestattet.

Peter Brezinschek: Der Ukraine-Russland-Konflikt und die politischen Turbulenzen um Griechen­land sowie der IS-Terror sind zwischenzeitlich als Störfaktoren auf den Kapital­märkten durchaus ernst zu nehmen. Obwohl sie die Kursschwankungen erhö­hen, spielen langfristig die fundamentalen Faktoren die entscheidende Rolle.

Erika Karitnig: Krisenherde sorgen für Verunsicherung und führen daher zu größe­ren Schwankungen – insbesondere auf Aktienmärkten. Das globa­le Wirtschaftsgefüge gerät aber nur dann aus den Fugen, wenn ei­ne Krise eskaliert und nachhaltige negative Auswirkungen auf eine Region hat. Anleger schützen sich am besten durch Diversifikation gegen derartige Ereignisse.

Ernst Krehan: Wir sehen die möglichen ne­gativen Wirkungen auf das in­ternationale Börsengeschehen 2015 als beschränkt, wenn­ gleich insbesondere Öster­reich bei einem Ausbruch überpro­portional betroffen wäre. Den­ noch dürfte bereits 2014 viel Unsicherheit, welche eine der­ artige Konstellation mit sich bringt, eingepreist worden sein. Wir sehen vorerst keine erneu­te Eskalation des Konflikts. Eine mögliche und wünschenswerte weitere Entspannung der Situ­ation würden die Aktienmärkte jedenfalls positiv aufnehmen.


3. Wie wird sich der starke Dollar auf die internationalen Märkte auswirken?

Friedrich Mostböck: Im schwachen Euro gegenüber dem US-Dollar kommt gerechtfertigter­weise die schwache wirtschaftliche Situation in der Eurozone zum Aus­druck. Es gibt wie immer aber auch zwei Seiten einer Medaille und jeden­falls positiv ist, dass ein schwacher Euro nachhaltig den Exporten aus der Eurozone und vor allem stark export­orientierten börsennotierten Werten hilft. In Summe gesehen sollte daher ein schwacher Euro prinzipiell auch konjunkturunterstützende Effekte mit sich bringen. Wir erwarten auch infolge der unterschiedlichen geld­politischen Strategien seitens FED und EZB vorerst auch eine weitere Befestigung des Dollars gegenüber dem Euro.

Monika Rosen: Der starke Dollar hat US-As­sets im Vorjahr noch attraktiver gemacht, egal ob Aktien oder Staatsanleihen. Er wird aller dings eine Bremswirkung auf die Erträge der Werte im S&P 500 aus­ ben, wie stark die ausfällt, sehen wir bei der aktuellen Be­richtsaison. Gleichzeitig sollte die Schwäche im Euro europä­ische Exportwerte unterstützen.

Peter Brezinschek: Da die unterschiedliche Zins­entwicklung in den USA und der Eurozone bis 2016 anhal­ten sollte, bleiben USD-In­vestments wegen des nach­gebenden EUR vorteilhaft. Spannend wird die Auswir­kung höherer US-Zinsen auf die Emerging Markets, denn typischerweise nehmen unter diesen Bedingungen die Kapi­talströme dorthin ab.

Erika Karitnig: Die Stärke des US-Dollars wird sich im Jahr 2015 wohl fortsetzen. Dafür sprechen das vergleichswei­se starke Wirtschaftswachstum in den USA sowie die Divergenz in der Geldpolitik. Die US-Notenbank Fed wird erste Zinsanhebungen durchführen, wäh­rend die Europäische und Japanische Zentralbank mittels Quantitative Easing noch expansiver wer­den. Das wird die Attraktivität von US-Papieren für Anleger weiter stei­gern.

Ernst Krehan: Unternehmen bzw. Länder, welche Gebrauchs- und Investitionsgüter, aber nicht unbedingt Rohstoffe in den Dollar-Raum exportieren, sind die klaren Ge­winner. Für US-Unternehmen sind demgegenüber Übernahmekandidaten außerhalb ihres Heimat­marktes interessant. In Verbindung mit den guten Wachstumsaussichten und höheren Zinsen locken die USA Kapital von internationalen Investoren an. Negativ dürfte sich die Dollar-Stärke auf jene Emerging Markets auswirken, die eine starke Ver­schuldung auf Dollar-Basis aufweisen.


Mein Tipp:

Friedrich Mostböck: Andritz (Kursziel 51,1 EUR) sollte weiterhin nachhaltig steigende Ge­winne aus einem guten internationalen Mix an Aufträgen und Produkten erzie­len. Ausgezeichnete Rentabilität (25 % ROE in 2015e) und Dividendenrendite (über 3 %).

Monika Rosen: Schwellenbörsen sollten heuer, nach einer längeren Durststrecke, wie­ der mehr Stärke zeigen können. Viele dieser Märkte profitieren von tieferen Ölpreisen; auch die starke US-Konjunk­tur ist für ihre Exporte wichtig. All das sollte sich auch in einer besseren Performance auswirken.

Peter Brezinschek: Auch wenn Aktienbewertungen in den meisten Fällen schon als überdurchschnittlich gelten, sind sie in Relation zu Anleihen noch immer attraktiv. Da je­doch die Kursschwankungen zunehmen werden und auch Rückschläge drohen, wäre ein monatliches An­sparprogramm in einen breit aufgestellten Akti­enfonds, wie etwa der Raiffeisen Global Akti­enfond, langfristig sinnvoll.

Erika Karitnig: »Konzept: Ertrag Aktien Welt«, ein glo­baler Aktienfonds der Bawag P.S.K. In­vest. Schwerpunkt der Veranlagung in den USA und im US-Dollar, breit ge­streut über Regionen, Sektoren und Währungsräume.

Ernst Krehan: Wir setzen 2015 auf eine Kombina­tion von folgenden Anlageklassen: An­leihen von US- und europäischen Emit­tenten bester und guter Bonität (jeden­falls Investmentgrade) und Aktien von großen, international tätigen Unter­nehmen mit geringer Verschul­dung und hoher Dividen­denrendite.

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