Das Interesse der Österreicher an Spar- und Anlageformen hat einen historischen Tiefpunkt erreicht. Sie horten ihr Geld inzwischen am liebsten zu Hause. Gespart wird aber auch bei Konsumausgaben – und das tut der Wirtschaft gar nicht gut.
Von Angela Heissenberger
Die Österreicher und Österreicherinnen sind sparsame Leute. Sieben von zehn bezeichnen sich zumindest als sehr oder eher sparsam. Was sie mit ihrem Geld machen, ist jedoch eine andere Sache. Wirklich gespart, im Sinn von »Geld auf die hohe Kante legen«, wird nämlich immer weniger – dafür aber konsumiert, als gäbe es kein Morgen. Über die Krise und schleppende Konjunktur konnte sich Österreich dank der Kauflust seiner Bevölkerung recht akzeptabel retten. Das sukzessive Schrumpfen der Sparzinsen trug dazu wesentlich bei: Auf der Bank war nichts zu holen, also gab man das Geld mit vollen Händen aus. Die heimische Wirtschaft profitierte: Wohnungen wurden renoviert, Häuser gekauft, Urlaub gemacht, gut und viel gegessen. Damit könnte bald Schluss sein. Die Konjunkturflaute geht ins vierte Jahr. Eine nennenswerte Belebung des Wirtschaftswachstums wird erst für 2016 erwartet. Auch der private Konsum entwickelte sich in den vergangenen zwei Jahren verhaltener. Viele Ersparnisse sind inzwischen aufgebraucht, die steigende Arbeitslosigkeit bereitet den Österreichern große Sorgen. Die Geldbörse sitzt nicht mehr ganz so locker, zumal die Gehälter mit den steigenden Lebenserhaltungskosten nicht Schritt halten. Mehr als einem Viertel der Haushalte steht weniger Geld zur Verfügung als noch vor einem Jahr, wie aus der aktuellen »Generali-Geldstudie« hervorgeht. Wenn das Geld knapp wird, bleiben die Österreicher lieber zu Hause. Jeder Siebente schränkt zuerst Restaurantbesuche und das Ausgehen ein, auch bei der Mode wird der Sparstift angesetzt. Bei größeren Anschaffungen zeigen sich die Österreicher trotz der niedrigen Kreditzinsen äußerst zurückhaltend. Mit erhöhten Ausgaben wird 2015 vor allem für Wohnen und Urlaub gerechnet. Erstmals seit Beginn der Erhebungen vor zehn Jahren liegt der Bereich Lebensmittel unter den Top 3 der Mehrausgaben, ex aequo mit der Gesundheitsvorsorge. Kommt die viel diskutierte Steuerreform aber doch und zwar mit spürbaren Auswirkungen auf die Nettoeinkommen, könnte das Steuerrad noch einmal gedreht werden. In einer Integral-Studie gab knapp ein Drittel der Befragten an, dieses zusätzliche Geld gleich ausgeben zu wollen. 35 % würden einen Teil davon sparen und den Rest konsumieren. Nur 27 % würden den gesamten Betrag sparen bzw. anlegen.
Für schlechte Zeiten
188 Euro stehen derzeit im Schnitt monatlich für allfällige Finanzierungsziele zur Verfügung. Sparen zahlt sich aber immer weniger aus. Zinsen auf Rekord-Dauertief tragen zur Attraktivität der meisten Anlageformen nicht wirklich bei. Wer passable Renditen wünscht, muss höheres Risiko in Kauf nehmen. Die Inflation knabbert zusätzlich an den Reserven: So bleiben beispielsweise von im Jahr 2010 gesparten 165 Euro heute inflationsbereinigt und unverzinst nur noch 147 Euro über. Neun von zehn Österreichern legen dennoch laut IMAS-Umfrage einen »Notgroschen « zur Seite. Allerdings nicht unbedingt auf der Bank: Am sichersten aufgehoben sei ihr Geld im Tresor oder Sparschwein daheim, fanden beachtliche 40 % der 14- bis 69-Jährigen, die von Marketagent.com zu diesem Thema befragt wurden. Über Vorsorge machen sich überhaupt nur 45 % Gedanken, was Peter Bosek, Privat- und Firmenkundenvorstand der Erste Bank, nicht erfreut: »Dass jeder Zweite nichts für die Altersvorsorge tut, ist erschreckend. Langfristiges Sparen ist genauso wichtig wie der Notgroschen.« Auch der Österreicher liebstes Gelddepot, das Sparbuch, eigne sich nur bedingt für den Vermögensaufbau und sollte nur für kurzfristige Liquiditätsreserven dienen. »Man muss weg von dem Gedanken, das Thema wäre damit erledigt, indem man nur Geld aufs Sparbuch legt«, sagt Bosek. Doch rund 5,1 Millionen Österreichern ist selbst der Wertverlust egal. Während die Sparguthaben sinken, wachsen die Sichteinlagen auf den Girokonten seit Jahren stetig an. 2013 lagerten dort rund 66 Milliarden Euro – auf einem Sparbuch mit zwei Jahren Laufzeit und 0,88 % Verzinsung p.a. hätten die Österreicher eine halbe Milliarde Euro an Zinsen lukrieren können, rechnet die Oesterreichische Nationalbank vor.
Sparbuch rückläufig
Generell ist das Interesse an unterschiedlichen Spar- und Anlageformen in den letzten drei Jahren kontinuierlich gesunken und erreichte im vergangenen Herbst einen historischen Tiefstwert. Ein Zehntel aller von GfK Austria befragten Österreicherinnen und Österreicher bewerten zurzeit sogar keine einzige Anlageform als besonders attraktiv. »Der typische Österreicher ist ein Sicherheitsmensch, der in jedem Fall einen Notgroschen für unerwartete Ausgaben auf der hohen Kante haben möchte«, erklärt Ursula Swoboda, Leiterin von GfK Austria Financial Services. »Finanzielle Sicherheit ist wie ein Grundbedürfnis, das befriedigt werden muss.« Daher rührt auch der viel belächelte Hang der Österreicher zu traditionellen Sparprodukten. Obwohl das Sparbuch derzeit rückläufige Raten zeigt, liegt diese Sparte gemeinsam mit Bausparverträgen ganz vorne. Online-Sparkonten und Lebensversicherungen zählen ebenfalls zu den beliebteren Varianten, sogar für Gold und Immobilien können sich nach wie vor viele erwärmen. Für komplexere Anlageprodukte fehlt es meist an Wissen. »Speziell bei Aktien und Anleihen wird die eigene Kompetenz recht mangelhaft eingestuft – dies betrifft Männer und noch stärker Frauen«, sagt Swoboda. Hier wären Politik, Bildung und Wirtschaft gleichermaßen gefordert.