Strukturreformen, Reindustrialisierung und eine Stärkung der Gesetzgebungskompetenzen auf europäischer Ebene: Das wünschen sich die heimischen Wirtschaftskapitäne laut einer aktuellen Studie (Report-Bericht) von der neuen EU-Regierung. Report(+)PLUS hat österreichische EU-Parlamentarier mit den zentralen Ergebnissen der pantarhei-Studie konfrontiert. Lesen Sie hier die Antworten von Jörg Leichtfried (SPÖ).
Drei Viertel der Unternehmensführer wünschen sich als Wachstumsmotor Strukturreformen statt öffentlicher Investitionen. Wie könnte dies in der Praxis aussehen?
Leichtfried: Die ernsthafte Arbeit an Strukturreformen ist sowohl in Österreich als auch auf EU-Ebene eine wichtige Aufgabe. Die österreichische Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, gemeinsam mit dem Rechnungshofpräsidenten und den Ressortverantwortlichen jeden einzelnen Bereich zu analysieren und die Vorschläge des Rechnungshofes auf ihre Realisierbarkeit zu überprüfen. Unternehmen müssen auch weiter Sozial- und Umweltstandards einhalten, aber es soll einen Bürokratieabbau etwa zur Unterstützung von JungunternehmerInnen geben, Bewilligungen sollen rascher erfolgen. Auf europäischer Ebene sollen Maßnahmen gegen Sozial-, Lohn- und Steuerdumping dazu führen, dass vor allem kleinere und mittlere Unternehmen, die den Großteil der Beschäftigung absichern, faire Rahmenbedingungen gegenüber großen Konzernen vorfinden, die mit absurden Mini- oder Nullsteuersätzen sich gegenüber anderen Unternehmen Vorteile verschaffen, die nicht gerechtfertigt sind.
Fast 60 % Prozent der Unternehmensführer wünschen sich in den nächsten Jahren einen starken Fokus auf die Reindustrialisierung der EU, nur 30 Prozent auf Dienstleistungen. Wie ist das zu erreichen?
Leichtfried: Eine erfolgreiche Reindustrialisierung baut auf drei Säulen auf: erstens nachhaltige Investitionsprogramme in Infrastruktur, Forschung, Entwicklung und Bildung. Zweitens die Verschiebung der Besteuerung weg von der Arbeit hin zum Vermögen. Und drittens braucht es eine möglichst unabhängige Energieversorgung mit Schwerpunkt Unabhängigkeit, Energieeffizienz und erneuerbarer Energie.
Knapp drei Viertel wünschen sich »Wettbewerbsfähigkeit« als Leitmotiv für die nächste EU-Regierung, nur knapp 15 % »Soziale Sicherheit«. Entspricht das auch Ihren Wertvorstellungen und wie soll die Umsetzung aussehen?
Leichtfried: Soziale Sicherheit ist einem Klima der Veränderungen und Unsicherheit als stabilisierender Faktor weiter sehr wichtig. Alle ArbeitnehmerInnen einschließlich der Selbstständigen sollten Zugang zu sozialer Sicherheit haben.
61 % wünschen sich in der Steuerpolitik mehr Gesetzgebungskompetenz bei der EU. Welche Schritte soll das Parlament hier setzen?
Leichtfried: Das EU-Parlament sollte sich weiter für Steuergerechtigkeit einsetzen. Ein wichtiger Schritt wäre es, dass Steuern in jenem Land zu zahlen sind, wo der Ertrag gemacht worden sind. Vorrangiges Ziel bleibt weiter die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, damit Banken und Spekulanten als Verursacher der Krise ihren Beitrag ebenfalls leisten.
56,5 % sehen die EU hinsichtlich ihrer Gesetzgebungskompetenz (EU-Rettungsschirm, Finanzmarktregulierung ...) für den globalen Standortwettbewerb nicht gerüstet. Wo soll das Parlament den Hebel ansetzen?
Leichtfried: Wir müssen neben der Tagesarbeit auch ein Bewusstsein dafür schaffen, wie wichtig ein gemeinsames Europa ist und wie stark wir in der Welt sind. Wir sind immer noch, vor den USA und vor China, die stärkste Wirtschaftsmacht der Welt. Das Europäische Parlament ist die treibende Kraft für Innovation und Demokratie in Europa. Ich werde mich für soziale Gerechtigkeit und eine stabile Wirtschaft auch in den kommenden fünf Jahren weiter einsetzen.