Mittwoch, Februar 05, 2025

Strukturreformen, Reindustrialisierung und eine Stärkung der Gesetzgebungskompetenzen auf europäischer Ebene: Das wünschen sich die heimischen Wirtschaftskapitäne laut einer aktuellen Studie (Report-Bericht) von der neuen EU-Regierung. Report(+)PLUS hat österreichische EU-Parlamentarier mit den zentralen Ergebnissen der pantarhei-Studie konfrontiert. Lesen Sie hier die Antworten von Othmar Karas (ÖVP).

 

Drei Viertel der Unternehmensführer wünschen sich als Wachstumsmotor Strukturreformen statt öffentlicher Investitionen. Wie könnte dies in der Praxis aussehen?
Karas: Großes Reformpotenzial sehe ich im Abbau bürokratischer Hürden, die vor allem für KMU in Europa problematisch sind. Maßnahmen auf EU-Ebene können jedoch nur erfolgreich sein, wenn auch auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene Vereinfachungsmaßnahmen ergriffen werden. Daneben müssen aber verstärkt Bildungs- und Forschungsinitiativen gesetzt werden, die in Verbindung mit dem oben genannten Bürokratieabbau für Unternehmen auch die Beschäftigungssituation nachhaltig verbessern. Als ein Schritt zur Bekämpfung der inakzeptabel hohen Jugendarbeitslosigkeit sollte das Erfolgsmodell der dualen Ausbildung als Vorlage dienen.

Fast 60 % Prozent der Unternehmensführer wünschen sich in den nächsten Jahren einen starken Fokus auf die Reindustrialisierung der EU, nur 30 Prozent auf Dienstleistungen. Wie ist das zu erreichen?
Karas: Um der Abwanderung von Industriebetrieben entgegenzuwirken und den Industriestandort Europa für neue Branchen und Unternehmen attraktiv zu machen,  braucht es konkurrenzfähige Rahmenbedingungen. In globale Wertschöpfungsketten sind aber neben der Produktion auch Dienstleistungen, Datenmanagement usw. integriert, sodass ich diese Aspekte nicht losgelöst von Industriezielen betrachten möchte. Industriepolitik muss Energie-, Ressourcen-, Beschäftigungs-, Industrie- und Klimazielen gleichermaßen begegnen und wirksam in den Prozess des Europäischen Semesters und in die nationalen Reformprogramme eingebunden werden. Unser Fokus sollte auf Schlüsseltechnologien gerichtet sein, mit denen wir unser größtes Asset, das Wissenskapital gut ausgebildeter ArbeitnehmerInnen und ForscherInnen, nutzen können. 

Knapp drei Viertel wünschen sich »Wettbewerbsfähigkeit« als Leitmotiv für die nächste EU-Regierung, nur knapp 15 % »Soziale Sicherheit«. Entspricht das auch Ihren Wertvorstellungen und wie soll die Umsetzung aussehen?
Karas: Die soziale Frage ist eine der zentralen Zukunftsfragen. Sie darf nicht gegen standortpolitische, industriepolitische, wirtschafts- und wettbewerbspolitische Fragen ausgespielt werden. Die Globalisierung ist Realität, sie hat Chancen und Risiken. Soziale Sicherheit schaffen wir nur mit einer nachhaltigen Politikgestaltung in allen Lebensbereichen.

61 % wünschen sich in der Steuerpolitik mehr Gesetzgebungskompetenz bei der EU. Welche Schritte soll das Parlament hier setzen?
Karas: Die Realisierung der politischen Union wurde bei der Euroeinführung verabsäumt, weshalb wir zahlreiche »Baustellen« leider erst – Stichwort Schuldenkrise – reaktiv angehen können. Der Euro ist die einzige Währung der Welt, der keine einheitliche Budget-, Steuer- und Wirtschaftspolitik zugrunde liegt. Wir haben daran schrittweise gearbeitet – etwa mit der verstärkten Budgetkoordinierung oder der Verwirklichung der Bankenunion. Eine Verschiebung der Gesetzgebungskompetenzen und damit eine notwendige Reform in all diesen Bereichen kann nur durche eine Vertragsreform erfolgen. Auch deshalb setze ich mich für einen Konvent ein.

56,5 % sehen die EU hinsichtlich ihrer Gesetzgebungskompetenz (EU-Rettungsschirm, Finanzmarktregulierung ...) für den globalen Standortwettbewerb nicht gerüstet. Wo soll das Parlament den Hebel ansetzen?
Karas: Zum einen muss die Demokratisierung der Europäischen Union noch weitergehen. Ich will, dass in Zukunft keine europäische Entscheidung mehr am Europäischen Parlament vorbei getroffen werden kann. Deshalb fordere ich einen europäischen Konvent zur Reform der EU, der in Wien seinen Auftakt haben soll. Zum anderen fordere ich mehr Zusammenarbeit in den wirklich wichtigen Fragen, wie Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik, und weniger Detailregelungen. 

 

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